Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

3öttlidhen Urfprungs aller Liebe fanden. In diefer Einheit Inüpft fid das 
Dand der untrennbaren SGemeinfamfeit zwifchen zwei flutenden Kraftftrömen 
der abfteigenden und aufsteigenden Werdelinien. Sie finden in immer tiefes 
rem gegenfeitigen Durddringen ihre unaufhörlich wacfenden Befeligungen 
über alles zeitlidhe Schidfal und felbft über die Schranken des Todes hinaus, 
Denn ihr tiefftes und unfterblidhes Leben gewinnt die Liebe in Meberwindung 
der ftofflihen Schranfen, Die Aufhebung der Schwerkraft ft ihre Tat, Treue 
ihr Wefen. 
Diefe Liebe ward den Lebenden fhon mandymal verkündet von denen, die fie 
gefunden. Doc) der Zukunft fei hier aufs neue von ihr gefagt durch die 
Stimme einer Seele, die das unerfchöpflidhe Wunder diefes Erlebens durch 
alle Schredniffe eine® herben Menfchengefchice® getragen und in ihr den 
Schlüffel zu allen Geheimniffen der Nähe und Ferne fand. ; 
Doch was heute nicht minder wichtig fcheint als diefe Berfündung aller Le 
densverflärung der Liebe, ift der Weg, den wir im nüchternen ZTageslichte zu 
ihren Zielen finden müffen. Shm gelten darum vor allem diefe Nieder: 
ihriften. 
Ueber der feitherigen einfeitigen Verftandeskultur der mechaniftifdhen Werde: 
epoche ward nicht nur die Pflege des fo überaus wichtigen inneren Sinn 
organs$ vernachläffigt, dur das wir Erfenner und SGeftalter der feelifchen 
Wirklichfeiten find. Seine hohe Bedeutung geriet faft in Vergeffenheit und 
jein Divinatorijches Wefen und Wiffen verfank in die Dämmerungen des Un: 
wifjfens und der Entwirklichung. Erft heute ift feine neue Zeit gefommen und 
te enthüllt uns {qhon auf ihrer Schwelle zu feinem wieder erwacdenden Dorn- 
rögchenlande, daß hier die edelften verfunkenen Schäße des Lebens der Hebung 
warten, die Kleinvdien aus der Krone unferes Menfhentums, denen das 
iteffte Verlangen des innerlich verarmten Lebens der leßten Sahrzehnte galt. 
— SKeinerlei Kenntniffe, vom VBerftand lernend erworben, fönnen den innern 
Wefensadel hoher, morali{dher Sefinnungen in ung weden, wenn nicht Die 
Seele ihren Keim als mütterlidhes Erbe in fidh trägt und er als Sinn für 
Sröße, Schönheit und Güte in uns zur Entfaltung kommen konnte, Nur 
in der Stille fann diefer Keim zur genligenden Regfamfeit fommen. Darum 
mar e8$ Die ernfte Forderung aller Zeiten, den Kreis der Mütter zu umhegen 
mit allem Schuße heimijchen Friedens und Kiebender Sorgfalt.
	        
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