Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

(henkft find. In beiden wirkt das Geheimnis einer höchften Kraftfteigerung, 
die uns über die Schranken enger Selbftheit hinaushebt. Alles Leben firebt 
im Örunde dahin, diefen Zuftand fo reich als möglich zu gewinnen. Genie 
nennt man Die befondere Fähigkeit, ihn als natürliche Anlage zu befiben. 
Er gibt den Vorgefhmack der vollen Seligkeit, die ung aus Ddereinftiger Selbit- 
vollendung winkt, wenn jeglidher Widerftand der Materie in ung überwunz 
den fein wird und der Strom urewiger Wefensfräfte, aus dem auch dem 
Senie die hHöchften Weifungen kommen, uns fchrankenlvs durchfluten kann. 
Sr ift der reine Freudenquell, der in der Stille und Selbftverjenkung am 
reichften quillt, da er ung dem Göttlihen vereint und allem Geliebten nah 
und fern, in unbegrenzter Erlebnisfülle, 
3m Raufche der Leidenfhaften gewinnen wir nur ihren fürzeften Schimmer, 
Neiner, tiefer und dauernder gibt fie fidy uns in echter Freundfchaft zu eigen 
und in der Neigungsliebe, felbft wenn diefer das Glück erfüllter Yeidenfchaft 
nur {pärlich winft oder Trennung ihr Los. Reich und machrtvoll lebt fie in 
der Schöpfertat kunftfchaffender Naturen und der feelengewaltigen Mutterz 
iiebe. Zu felten erreichten göttliden Höhen aber dringt fie in der ECrtafe des 
jeherifhen Genius und wirkt hier ein Slüd, das höher ift als alle Erden- 
wonnNeN, wenn zwei Seelen in Liebe fi auf diefen Höhen erfkennend begeg- 
nen, Hier winkt das Ziel feliger Dafeingvollendung in KiebegverHärung, 
Diefe Stufenleiter der Vefeeligungen ift dem Menfchen bereitet durch den 
inneren Sinn, fobald er erftarkte, fie zu erflimmen. Ihm nur ftehen die Wege 
offen zu den Reichen des großen Eros, wo die blaue Blume blüht; wo Der 
große Pan uns das füße Weh der Ahnung und den Yubel der ftoffgelöften 
Natur aus den Iönen feiner Flöte offenbart und Apoll ung den Sruß aller 
himmlifden Freudengenoffen bringt. ” 
Denn die Seele, diefer Sinn des Sinnes, entffammt der Urwelt der Freuve, 
zu der alles Lebendige zurückftrebt in Ahnung und nie erlöfchender Sehnfucht, 
Auch im niedrigften uftraufch lebt nod) ein leßter, {(hwälender Funke diefes 
VBerlangens nad) ftoffentbundener freier Slutfraft des inneren Wefens, die 
ung zum Dzean ewiger Weltenfeligkeit zu tragen vermag, wo alle Fluten 
entquellen, 
Die Mütter aber find zum reichten und weiteften Bett diefer Fluten auf der 
Erde beftimmt, darin das Leben zu bergen und zu geftalten zum böchften le:
	        
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