Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

wo es unbehlüteten menfchlidhen Cdelfern ZW zernagen gibt und die Velten der 
Männer wurden faßt am leichteften die Opfer der wefenlofen Weibdhenlarve, 
die auf Stöcelfjhuhen und mit der Pudermaske meift inmitten einer fünf: 
ligen Duftwolke daherfchreitet. 
Siner, der vielleicht zu frühe an ihr zu Grunde gegangen, Weininger, fano 
den Vorwurf, der das Wefen der Weiblichkeit im Kern feiner {Olummernden 
Fähigkeiten traf, E88 fchien ihm ein Beweis des abfoluten, weibliden Min- 
derwertes, daß noch Fein erleuchtetes Frauenwort Auffchlüffe zu geben vermocht 
über die Phänomene weiblicher Urzuftände, Daß die Myfterien der werden: 
den Mutterfchaft nody nie ihrem Wefen nach von denen enthüllt worden, die 
Ihren Bannfkreis durchlaufen, Sein harter Finger pochte hier an eine Pforte, 
für die es feither noch nicht an der Zeit gewefen, fi aufzutun. Denn für 
alles muß erft feine Stunde fommen, ehe auch ftumme Lippen entfiegelt wer 
den dürfen, Doc in feiner bitteren DBerurteilung lebte die aufgepeit{cdte Unz 
ruhe des vergeblich Harrenden, den die eifige Morgenluft erftarrend getroffen, 
da er eine Stunde zu frühe des neuen Tagesgeftirnes Aufgang witterte, 
In diefen Zeilen will id) nun dem weiblichen Negativ unferer vergehenden 
Tage mit all feinen Unfeligfeiten das Pofitiv gegenüber ftellen, nach dem 
gerade die härteften Verurteiler, wenn aud) oft nur unwiffentlich, das tieffte 
Verlangen tragen. Seine DVBedeutung für das neue Weltwervden ift {10 groß 
und grundlegend, daß die Schleier fallen müfen, die eg heute noch dem Blid 
der Meiften verhüllen. 
Was feither divinatorifhe Ahnung und elementare Snftinktfraft ungebroche- 
ner Weiblichkeit gewefen, wird als VBewußtfein und wiffende Wilensmacht 
der geiftigen Zukunft ihr eigentlides SGepräge des Neuen geben. Die Linie, 
die hier vom Unterbewußten zum Neberbewußten leitet, ward vom weiblichen 
Seifte heute befchritten und findet die Wege zum Außenbewußtfein je nad 
der Summe des erlernbaren Ausdrucks, die erworben werden konnte. Mit 
der lange behinderten, jebt aber ftetig fi fteigernden Möglichkeit weiblicher 
KXenntnisbildung, fonnte aud) erft die Macht des Wortes für weibliche We- 
jenstiefe gewonnen werden. 
Daher auch die Unklarheit einftiger Myftik und die Notwendigkeit der Künfte 
in der Sprache der Mufik und Sarbe, oder des {ymbolifchen Dichterwortes, von 
den Cmwigkeitsdingen der Seele und ihren Gewalten der Snnerlichteit zu reden.
	        
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