Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

Mythos der Vergangenheit. Heute vermögen wir fie in ihrer unverhüllten 
Wirklichkeit in den Tatfacdhen des Lebens zu erfennen. 
T8o der Erosweg des dyonifijden Abftiegs zu Ende, beginnt der Xogosweg 
des apollinijchen Aufftiegs, Die Seele tritt im Intelleft aus dem verborge- 
nen Snnern des Bewußtfeins und wird Zur finnlichen Bewußtheit der Vers 
ftandeswelt. Doc ftoffgebunden und erft von fpärlidhem Bewußtfeinsfhim- 
mer erhellt, findet das aufftrebende Qeben feinen Wegbeginn. Zur Neber- 
windung der Erdjdhwere und ihrer laftenden Anziehungsfraft find ihm Die 
Sewalten der Leidenfchaft zuerft gefellt, die feinen Aufftieg motorijd) empor 
treiben, bis zur Gewinnung Der höheren Lichtfdwelle, wo das fittlidhe Des 
mwußtfein in freiem Gedankenfpiel fi zu regen beginnt, 
Der Weg des großen Eros war von der Seele geführt und bedurfte Feines 
mahnenden Ethos. Wo Seele wirkt, waltet die Vernunft, die ale Wefen lei- 
tet in der Einfalt des reinen SGefühls, ohne den Zwiefpalt des fittlidhen und 
finnlidgen Willens. Zur neuen Höhe diefer Vernunft, wo Ddiefer Zwiefpalt 
wieder überwunden, rect heute der Fommende Seelengedante fi auf. Dis 
zu diefem Ziel, da das Sittliche in ung, aus ethifchem Sebor, wieder Cigen- 
wille und Geiftnatur geworden, entfaltete es fid) im Sntellert durch SGedan- 
fenfräfte und dur) die Seelenimpulfe der Liebe, die in den Veiden]chaften 
wonnefteigernd und vergeiftigend wirken. Big endlich der Intelleft wiever 
die freien Höhen des Intelligibeln erreichte und als Logos fih im eignen Ur- 
lement der Seele mwiederfindet, wo die leidvolle Irennung von Crog über; 
wunden. Sein Weg ging von der ftofflihen Erdwelt zur {eelifchen Seiftwelt 
hin. Sn ihr findet er das Ziel, das uns heute zu winfen begonnen, das 
Ziel des wahren Menfchentums, wo die engen Sattungsfchranken des Ges 
(chlechtes für Mann und Weib aufgehoben im Sinne einer neuen, höheren 
Einheit von Seele und Intelleft, Liebe und Leidenfchaft, SGeift und Sinnen. 
Der Kreislauf alle® Werdens, ‚der fi gemäß der dynamifchen SGejepe der 
Seele fo vollzieht, wirkk im Schofe der Natur die Bewegung des Stoffes, ım 
Bereich der Sinne die Mechanik des Intellektes und auf den Höhen des freien 
Seiftes die organifche Entfaltung der Seele, durd) die wir den Zielen der 
Bollendung in Zukunft entgegenfchreiten. Auf diefer lekten . Wegesfirecke 
fallen die Feffeln ftoffliher Bindung, und der Menfdy wird aus dem bes 
fchränkten Sinnengefhöpf das freie Geifteswefen, Das mit der vollen Herr;
	        
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