Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

des großen Eros, der Weg der Seele, die alg Liebe in ung wirkt. Er führt vom 
ewigen Urquell des SGeiftes aus zu den Körperwelten hin, fie nad) dem Ideal 
geifte der Urfprungswelt zu formen durdy den Kraftftrom der Seele, 
— Sie ift der Lebensgeift, der das unbewußte Dafein durch die Macht der 
SInftinkte leitet und auf der Werdeftufe des Menfchlihen zum ahnungsge- 
wiffen Gefühl und innern Bewußtfein wird, durdy das wir die Welten des 
Seiftes beherrfchen lernen und feine unbegrenzten Dimenfionen auch für unfer 
reifendes Sinnenbewußtfein in Zukunft erforfchlich werden. 
Dod) indem die Seele wirkend und waltend das Bereid) des Stofflihen durch- 
dringt und die Welt der Erfheinung fchafft, betritt fie im gefeßlidhen Kreis- 
(auf aller Kraftfirömung die Bahn des Aufftiegs$ wieder, die aus den ftoff- 
lichen Urtiefen zu den Höhen des Seiftes zurück fichh wendet. 
So gewinnt die urewige Seele der eignen Idealkraft die Nealkraft der finn- 
lichen Erfoheinungswelt hinzu und erfüllt damit den Sinn des Lebens und 
aller Dafeinsbeftimmung. Denn jede neue Erd{höpfung dienr der Mehrung 
aöttlicher Machtfülle im Weltenall und der Steigerung feelifher Ausdehnung 
im Stofflidhen, bis hier dereinft ein Bollmaß der Befeelung erreicht fein wird. 
Das Stofflidhe aber ift das Erzeugnis einer Verdichtung, durch das der gött- 
liche Sebenswille fich felbft den SGegenftand der Schöpfung wirkt zur Entrfal- 
tung eines höchfien Zuftandes darin, den wir Seligkeit nennen. Man könnte 
die Materie furz auch die Selbftverdichtung der Seele nennen, die große Wel- 
tenbichtung des ewigen Seiftes, In dem abfoluten Verdidhtungsgrade, den 
bie Seele noch nicht erreicht, [ondern erft erftrebt für unfere Meine Erde, wird 
ein Zufiand des Stofflidhen gewonnen fein von dem heutigen unterfchievden, 
wie der rohe Thon vom durcleuchteten Evelftein, der das Produkt einer abfo- 
futen Verdichtung ift, 
Diefer Gedanke muß den Kommenden geläufig werden, um ihnen daran vie 
congeniale Bedeutung von Stoff und Seele aufzufcließen und den Zweck 
ihrer erdgewiffen Gemeinfamfeit, Ohne Stoff ift die Seele finnliqd) machtlos, 
Ohne Seele ift der Stoff geiftig machts und wertlos. Shrer Gemeinfamfeit 
aber winft das eine Ziel: dereinftige fhrankenlofe Lebensfeligkeit ; nicht als 
zin Zuftand des Ienfeitigen, erft im Tode zu gewinnen, fondern als ftetig 
mwachfende innere Lebensfülle, alg das Himmelreich in uns, das ung [ängft 
verheißen. ift,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.