Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

{don das Kind erfaßt fpielend darin, was fein Berftand der Verftändigen 
fieht. Doch das fynthetifdje Element diefer divinatorifdjen Geiftigfeit feeli- 
ihen Urmifensg — das audy im Somnambulismus fid) hinter dem Schleier 
nod) unenträtfelter Phänomene birgt — bedarf der Schule des analytifchen 
Intelleftes, um die Meifterfchaft des Ausdrucks und der Mitteilung feiner 
Wifenstiefen zu gewinnen. 
Im Lichte diefer Meifterfhaft erkennen wir Sntuition als das DVBewußtwerden 
aller Ahnungs- und Wefensdinge, die zuvor unbewußt und als SInftinkt das 
Cebende befeelen. Zur unendlichen Höhe des freien Selbftdenkens und Des 
Äinnens$ erwacht, erfcdhließt es uns die Räume des Ueber: und Unterbewußten, 
dahin der außenweltliche Intelleft nicht zu dringen vermag. Denn er if das 
üinnliche, die Seele aber das überfinnliche Denkorgan. Sie vermag bis zu 
iosmifden Auffchlüfen über fernfte Weltvorgänge vorzudringen für unfer Bes 
wußtfein, {obald wir fähig wurden, ihre DVBedeutung geiftig zu erfaffen und 
die Wucht diefer Fernfpannungen zu ertragen. 
Keute, da ung das Phänomen unfictbarer Strahlungen und Die Zatfache 
der Aetherfchwingungen geläufig geworden, da wir mit Kräften der Narur 
rechnen lernten, die aus ihren Wirkungen ermwiefen, wenn aud) ihr Wefen uns 
nod) verborgen, heute haben alle diefe Phänomene des nächften und fernften 
Weltraumes, troß ihrer Unfichtbarkeit für unfere eng begrenzten Sinnegwahr- 
nehmungen, den Charakter des Uebernatürlichen für ung abgeftreift. Wir 
mwifjen, daß die Matur noch viele ungelöfte NRätfel und unentfchleierte Geheim- 
nifle für ung birgt. Doc fie haben heute aufgehört unerforfchlihe Dinge für 
uns zu fein. Wir erkannten, daf fie nur Olieder find in der langen Kette 
des Erforfchlidhen, von denen manche bis jeßt bewältigt, andere noch uner- 
Forfcht find, bis auch fie dereinft fich unferem unauslöfchlichen Entdedertriebe 
und feinen immer zahlreicher und vollfommener werdenden Horfchungsmit- 
teln Ddarbieten werden. 
Darum fönnen wir uns auch fchon heute über die Dinge der Seele neu und 
tiefer verftändigen. Einft waren fie nur einem Kreife von langfam und forg- 
[ältig Eingeweihten zugänglich. Ihre Hüter, die antiken Priefter- und Phis 
Tofophenfhulen, befaßen ein hohes Wiffen darüber durch Kenntnisvererbung 
und fyftematifde Schulung des Sinnes der innern Anfchauung. Dierjes 
Wiffen if mit ihnen bis auf wenige, zum Teil durch fpätere Seijtverflachung
	        
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