ALLGEMEINE EINLEITUNG
zeit den Großmüttern die Gabe der idealen Märchen-
erzählerin für die Enkel und macht ihre Nähe zum
Winkel der Beruhigung und Geborgenheit für den
Familienkreis. Der Vollreife dieser Antennenkraft wa-
ren bisher im Ordnungsgrund der alten Mannwelt
viele Schranken gesetzt, an denen gerade die Frauen-
natur oft zerbrach. Seelenkrankheiten und sittliche
Mängel werden künftig als gestörte Entwicklung der
Antennenkräfte immer erkennbarer werden. Entwick-
lung zur Vollreife verlangt die neue Zeit- und Welt-
aufgabe der Volkszukunft. Sie allein-ist auch nur das
Wesen echter Priesterlichkeit, denn sie nur macht
weise zum Erfassen der göttlichen Urideen und zum
Wirken der Güte. Nach diesem neuen Priestertum
hoher Frauen und Männer ruft das darbende, gepei-
nigte Leben. Zur Gewinnung des neuen Reifeziels aber
braucht es vor allem einer neuen Erziehungs- und Bil-
dungsform, die sich zur Stunde schon überall, wenn
auch noch in den Kinderschuhen, regt: die Erziehung
zur aktiven, lebensschöpferischen Muse, als krönende
Ergänzung der bisherigen Erziehung zur Arbeit. Jedes
Amt, jeder Beruf wird für jeden Volksgenossen zu-
nehmender schöpferischer Eigenleistung in Zukunft
bedürfen. Auch die errungene höhere Freiheit und
Selbstbestimmung der Massen, mit der reichlicher be-
messenen Freizeit, kann so nur vor dem Mißbrauch
ideenloser Willkür und Selbstvergeudung in unschöp-
ferischen, entseelenden Rauschgenüssen, nach dem Vor-
bild des alten Müssiggangs von ‘oben, oder stumpfer
Untat bewahrt bleiben.
Seelenkultur, gleich Liebeskultur, der sterbenden
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