Vom Reich der Mütter und über das neue Muttertum
In diesen Zeilen will ich nun dem weiblichen Nega-
tiv unserer vergehenden Tage mit all seinen Unselig-
keiten das Positiv gegenüber stellen, nach dem gerade
die härtesten Verurteiler, wenn auch oft nur unwis-
sentlich, das tiefste Verlangen tragen. Seine Bedeutung
für das neue Weltwerden ist so groß und grundlegend,
daß die Schleier fallen müssen, die es heute noch dem
Blick der Meisten verhüllen.
Was seither divinatorische Ahnung und elementare
Instinktkraft ungebrochener Weiblichkeit gewesen,
wird als Bewußtsein und wissende Willensmacht der
geistigen Zukunft ihr eigentliches Gepräge des Neuen
geben. Die Linie, die hier vom Unterbewußtsein zum
Überbewußten leitet, ward vom weiblichen Geiste heute
beschritten und findet die Wege zum Außenbewußtsein
je nach der Summe des erlernbaren Ausdrucks, die er-
worben werden konnte. Mit der lange behinderten,
jetzt aber stetig sich steigernden Möglichkeit weiblicher
Kenntnisbildung konnte auch erst die Macht des Wor-
tes für weibliche Wesenstiefe gewonnen werden.
Daher auch die Unklarheit einstiger Mystik und die
Notwendigkeit der Künste in der Sprache der Musik
und Farbe, oder des symbolischen Dichterwortes, von
den Ewigkeitsdingen der Seele und ihren Gewalten der
Innerlichkeit zu reden. Denn diese Dinge gehören seit-
her zu den Reichen der Nacht, die für die Sinne —
nicht für die Seele — im Dunkel des Unbegreiflichen
liegen; über die ein Novalis uns so Wunderbares zu
sagen hatte, oder Tristanzauber uns in tönender Sehn-
sucht zu verständigen weiß.
Hier ist das Reich der Mütter, das Land der Seele,
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