Vom unhegrenzten Seelenquellgrund des Großen Eros
Wahre Erziehung aber erstrebt den Geist der Frei-
heit und Unabhängigkeit vom Mechanismus der Na-
tur, von den Widerständen des Stofflichen. Aus diesem
Geist allein. entstammen unsere freien Selbstbestim-
mungsrechte. Er nur schützt uns vor dem Mißbrauch
der Freiheit zu eigenem und fremdem Schaden. Denn
sein Zeugnis ist die Macht und der Wille zur Verant-
wortlichkeit, die das Siegel unserer Menschenwürde
ist. Nur auf dem Wege der Selbstzucht entfaltet sich
dieser Geist in uns zum Wesen der Persönlichkeit. Sie
trägt immer das Adelszeichen des Selbstüberwinders,
das unter unseren heutigen Individualisten selten ist
und wenig Geltung hat.
Auf die Tagesherrschaft des Intellektes gestützt, be-
friedigte es meist ihre Selbstgenügsamkeit, an fremder
Schwäche zum Gefühl der eignen Überlegenheit zu
kommen und die Widerstände des Geistes zu besiegen,
soweit sie den Genuß des Stofflichen beeinträchtigen.
Sie ersahen darin das Ideal der Freiheit und Selbstbe-
stimmung und ergaben sich zu seiner Gewinnung meist
kampflos den Sklavenfesseln der Leidenschaft und Zü-
gellosigkeit.
Eine Zeit, die keine Ziele mehr gekannt, sondern
nur noch Geschäfte, konnte wahrlich keine andern Re-
sultate an Persönlichkeitswerten mehr zeitigen. Diese
aber bestehen im Ewigkeitsgehalt der Seele.
Die künftige Erziehung wird keiner ermüdenden
Moralpredigten mehr bedürfen und ohne den alten
Schreckapparat von Sünde und Schuld auskommen,
sobald sie sich ihres Zieles voll bewußt werden: der
Besiegung der stofflichen Widerstände zu Gunsten des
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