Das Ordnungsgesetz der Gegenwart zur Zeitverjüngung
der Hände, Blicke und leisen Kosungsworte, wird wie-
der zum hohen Liebesrecht der Frauen, wie er einst
zum göttlich-wissenden Liebeserleben der arischen Vor-
zeit gehörte. Ihm galt zu allen Zeiten das tiefe Erseh-
nen der Weibesliebe, dem die Stürme der Leidenschaft
keine Erfüllung bieten. Er erlöst Leben und Dichtung
von den Einseitigkeiten sinnlicher Geschmacksleere.
Ein großes, befreiendes Ahnen geht schon durch die
Vorhöfe verjüngter Kunst, daß nur aus neuen, schöp-
fungsreicheren Beziehungen der Geschlechter die Wie-
dergeburt der Völker in allen ihren leiblichen und gei-
stigen Gliedern Ereignis werden kann. Noch ruft Tri-
stan in brennendem Schmerz nach den verlorenen
Schöpfungswonnen im hohen Eingedanken mit Isolde.
Wie Siegfried, so hätte auch er den Urquell des Schöp-
f{erheiles in der ewigen Liebesnatur des Weibes — Eros
— an die Scheingewinne der äußeren Machtwelt mit
ihren Ehren und Eitelkeiten verraten. Im Kreise ihrer
unschöpferischen Mittelmäßigkeiten erblüht nach je-
dem Aufstieg der Untergang. Überall begegnen wir im
Epos dem Heros, der meist unwissentlich den Welt-
geist des Eros verrät und sühnend seinem Schicksal
erliegt, oder es überwindet. Denn alles Erliegen ist die
Folge des verlorenen Zusammenhangs mit dem reinen
Schöpferquell des Eros und aller Sieg das Geheimnis
seines Wiedergewinnes.
Auch die hohen Altersgrenzen der arischen Vorzeit,
von denen uns nicht nur in Sagen und Märchen, son-
dern auch in den Weisheitsbüchern der Menschheit
Kunde gegeben ist, gehören zu den Lebenstatsachen
der noch ungebrochenen Eroskindnatur der Mensch-
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