Das Kulturgesetz der Völker zur Weltverjüngung
die jüngste und schönste Prinzessin (oder noch be-
zeichnender für den untrüglichen Geist des Urwissens:
die Tochter des heimkehrenden Krämers) zur Frau als
Lösepfand für den Vater begehrt, nur ein verzauberter
Prinz ist, den der Kuß der Jungfrau vom Bann der
Tierheit befreit. Der Bärenhäuter, der unter dieser un-
sauberen Scheinhülle das Herz des Weisen, Guten und
Starken in edelster Gestalt birgt, ist eines der deut-
schesten Märchenbilder zur Selbstbeschauung nach
arischer Lehrsitte. Dieses priesterliche Urwissen kannte
keinen Tod, sondern nur die Wandlung aus stofflich
gebundener Unform zur reinen Form des Seelenhaften
in königlich vollendeten Verkörperungen der Schön-
heit, Weisheit und Güte. „Wenn sie nicht gestorben
sind, so leben sie heute noch“, ist der alte, nicht leere,
sondern bedeutungsvolle Märchenschluß. Er deutet auf
das Vergehen alles Sterblichen hin, gewiß des unver-
gänglichen Bestehens alles Ewig-Seelenhaften in Liebe
und Idee und seiner steten Wiederkehr im Strom der
Lebensverjüngungen ohne Ende. Auch der Zauber des
echten Volksliedes beruht im magischen Schimmer die-
ses darin traumlebendigen arischen Urwissens. Es singt
von den Königskindern der hohen Liebe, die ohne
Glück und Stern, weltverloren ihr Schicksal des Ver-
gehens der Urwelt tragen, einander unverlierbar gege-
ben zum dereinstigen Wiederfinden.
Gleiches Urgesetz atmen auch die meisten biblischen
Erzählungen. Doch dieser Wahrheitskern war den Zei-
ten intellektueller Begrifflichkeit undurchdringlich. Sie
machte daraus jene unwirklichen Lehrgebilde, schwan-
kend zwischen plattem Materialismus. und abstraktem
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