Das Kulturgesetz der Völker zur Weltverjüngung
tende Verminderung weiblicher Energien durch Mäd-
chenmord, Witwenverbrennung und Haremszwang der
Weg, dieser Entzügelung allen Vorschub zu leisten.
Palästina und Griechenland begannen das neue Selbst-
zügelungswerk durch Ethik und Ästhetik. Der Westen
führt es nun seiner Vollendung im Norden zu, wo das
Übergewicht der weiblichen Seelennatur nach germa-
nischer Freiheitssitte allzeit am stärksten sittlich wirk
sam geblieben war.
Kultur ist der Inbegriff sittlicher Reife zum Selbst-
gesetz der wissenden Erosnatur. In der Abgeschieden-
heit der Klöster suchte das Christentum diese Reife vor-
bildlich zu züchten. Doch auf der alten Stufe der Zi-
vilisationen gelang sie hier meist nur als künstliche
Abtötung der Sinne, nicht als sittliche Kraft ihrer sou-
veränen Beherrschung. Gewöhnlich jedoch führten diese
Versuche zu Entartungen oder den Kompromissen sin-
nenfreudiger Klostersitten bei guter Küche und vollem
Keller. Zwischen düsterem Asket und heiterem Keller-
meister schwanken die Klostertypen der Mannwelt-
epoche. Das hohe Liebes- und Lebensgesetz des Eros,
dessen Dienst die Klosteridee umfaßt, als Wesen der
inneren Seelenvermählung mit dem weltschöpferischen
Allgeist der Geniuswelt, bedarf in Zukunft neuer Pfle-
gestätten; nicht mehr, wie bisher unter dem Überge-
wicht der triebhaften männlichen Intellektnatur, son-
dern unter der wissenden Seelenführung der weiblichen
ewigen Liebeshatur. Die Stufe der Erosreife soll Mann
wie Weib zur Höhe weltschöpferischer Leistung heben
in Weltvatertum und Weltmuttertum. Einst waren es
die Grauen, Graven, die nach erfüllter Generations-
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