Das Kulturgesetz der Völker zur Weltverjüngung
kraft für die äußeren Weltendinge, die in kommenden
Tagen ihrer Meisterschaft bedürfen. Wir leben heute
im Zeichen der Auferstehung dieser idealistischen Keim-
welt. Die Nebel der nordischen Gottesdämmerung lich-
ten sich zur neuen Taggeburt ihrer dritten Erosreife-
stufe, So weit und tief der Umkreis ihrer Aussaat einst
gewesen war, wird künftig auch der neue Völkergrund
Europas sich zur höheren Kultureinheit zusammen-
schließen. Karl der Große, der Carolus magnus auch
der romanischen Völker, sowie seine Nachfolger, die
römischen Kaiser deutscher Nation, gaben einst die
flüchtige Skizze zu diesem letzten Reifebild europä-
ischer Völkereinheit. Auf spanischem Boden, unter dem
blutigen Gewaltszepter Karl V. war diese Skizze zum
Vorbild einer Reichseinheit geworden, darin die Sonne
niemals unterging. Sie zerfiel, als mechanisch gefügtes,
äußerliches Trugbild der Einheit, wie das Deutschland
der Hohenzollerndynastie, um künftig zur organischen
Einheit innerer Kraftvollendung Europas zu reifen.
Unsere gegenwärtig zerfallende Sinnen- und Sachen-
kultur war das Erbe aus römischem Machtgeiste, des-
sen Reste wir nun zu Gunsten eines höheren germa-
nischen Rechtsgeistes abzustreifen begannen. Das Ethos
der römischen Rechtswelt stand auf dem Boden eines
Besitzrechtes, das dem Sachenschutz weit besser diente,
als dem Menschenrecht. Wo weisere und freiere Ge-
setzeskraft sich regte, wie zuerst wieder auf dem Bo-
den Altenglands, war sie germanisches Wesenserbe ge-
wesen, hier von den alten Sachsen gewonnen. Auch im
Norden Frankreichs war der germanische Einschlag
immer als treibender Kulturfaktor stark regsam geblie-
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