Das Naturgesetz der Zeitenwende zur Selbstverjüngung
in der Freundschaft. Sokrates kannte die urwissende
Lichtmacht seelentrunkener Freundschaft und suchte
sie seinem Schülerkreise zu entzünden. Die Verirrun-
gen des Sexus, wie sie ihm dabei in Alcibiades begeg-
neten, lehnte er ab. Doch die griechische Knabenliebe
— ursprünglich ein Aufschwung der väterlich gereiften
Mannesnatur zur Höhe des mütterlichen Eroswillens
— erlag ihnen im zunehmenden Sittenverfall der ster-
benden Volksnatur. Unter diesen Trübungen leidet bis
heute noch der Begriff platonischer Liebe. Der Sexus
machte sie zu einem farblosen Abklatsch der eignen
Natur, da er nur den Brandrausch der Sinne kennt
und die lichten Sonnenfeuer der Erostrunkenheiten
aus dem Urquell der ewigen Weltseligkeiten nicht fas-
sen kann Sie gehören auch zum unendlichen Gefühls-
grund der christlichen Weltliebesidee, jedoch auch hier
zum farblosen Schatten der Nächstenliebe geworden.
Seelenliebe ist keine Einbuße an Liebeszauber, son-
dern sein unvergänglichster Zuwachs, auch für alle
Sinnenliebe, durch ihre Erhöhung im Geistelement der
Schöpfernatur. Dem Sexus ward sie zum dürren Be-
griff, nur dem Eros ist sie lebendig im blühenden Far-
benglanze. Was der Sexus bisher verbrach am Liebes-
heil der Welt, indem er die Dinge des Eros hinabzerrte
in sein Bereich der Vergänglichkeiten, soll im Eros
künftig wieder zu neuem Lebensgewinn werden. Wo
die Gottfluten des Herzens zum erfahrungstiefen Be-
wußtsein der neuen Frauenreife erstarkten, heben sie
umgekehrt die Dinge des Sexus läuternd empor zu den
Heilquellen der ewigen Erosverjüngung. Nur unter dem
unbeschränkten Hüteramt der zu sich selbst erwach-
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