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V. Abschnitt.
Der Kasseler Einzelhandel im Weltkriege.
Die Warenknappheit während des Weltkrieges machte es er-
forderlich, die deutsche Lebensmittelverteilung zu zentralisie-
ren. Als oberstes Verwaltungsorgan trat die Reichsverteilungs-
stelle ins Leben. Unter dieser standen die Landesverteilungsäm-
ter. Die Stadt Kassel besorgte zunächst ihren Einkauf allein.
Schon Ende 1914 hat sie Kolonialwaren, insbesondere Reis, Rüböl,
Nudeln, Graupen, Schmalz, Heringe und Hülsenfrüchte in Gemein-
schaft mit Kasseler Grosshandelsfirmen eingekauft und diese Fir-
men verpflichtet, die Waren an die städtischen Ladeninhaber zu
einem bestimmten Preise weiterzugeben. Die Ladeninhaber mussten
bestimmte Verkaufspreise innehalten und durch Schilder vor und
in ihrem Laden erkenntlich machen, dass sie die Waren des Stadt-
einkaufs vorrätig hielten und welches die Preise die Waren wären
Die Stadt war an Gewinn und Verlust dieses Geschäftes beteiligt.
Aus dem 4. Bericht der eingesetzten Lebensmittelkommission an
die Stadtverordnetenversammlung (Städt. Akten, Nr. 61) geht her-
vor, dass sich im Jahre 1916 die Notwendigkeit ergab, die Ver-
waltung des Stadteinkaufs auf eine breitere Basis zu stellen. Ei-
ne besondere Erweiterung trat durch die Übernahme der Geschäfte
der neugebildeten "Einkaufsstelle für den Regierungsbezirk Kas-
sel" ein. Diese begann am 23. März 1916 ihre Tätigkeit. Ende
April wurde ihr das Fürstentum Waldeck angeschlossen. Die Stadt
legte die notwendigen Gelder vor, kaufte die Ware, lagerte sie
erforderlichenfalls ein und verkaufte sie nach Bedarf an die
angeschlossenen 33 Kommunalverbände des Bezirks. Die von Kriegs-
ernährungsamt getroffenen Massnahmen hatten zur Folge, (Nr.5 der
genannten Berichte) dass der Stadteinkauf seine Tätigkeit, die
auf den Erwerb von Lebensmitteln im freien Verkehr hinzielte,
1917 immer mehr einschränken nusste. Der Stadtvervaltung fiel
infolgedessen in der Hauptsache nur mehr die Rolle der Verteile-
rin der ihr von den Zentralstellen überwiesenen Lebensmittel zu