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grosse Kapitalien anlegen. Er erklärte sich nur bereit, ein
fertiges Gebäude zu mieten, nicht aber selbst zu bauen. Nach-
dem 1909 das neue Theater eröffnet und das alte niedergelegt
worden war, begann sogleich der Bau des Warenhauses. Im Au-
gust 1910 kam der endgültige Vertrag zwischen der Leonhard
Tietz A.G. und den Besitzern, den beiden Architekten, zu-
stande. Er lautete dahin, dass die Leonhard Tietz A.G. das
Haus für 25 Jahre mietete, bis zu welcher Zeit sie die 2.
und 3. Hypothek amortisieren musste. Die 2. ist im Besitz
des Konsortiums, die 3, in dem der Architekten. Natürlich
hat die A.G. die Möglichkeit des Kaufs. Wie von dem noch
überlebenden der beiden Architekten berichtet wurde, hat die
A.G. jetzt Neigung, zu kaufen, schreckt aber vor dem durch
die Geldentwertung bedingten hohen Kaufpreise zurück.
Die Entstehungsgeschichte des Warenhauses ist interes-
sant. Die Einwohnerschaft Kassels verhielt sich dem Plan ge-
genüber mindestens neutral, die Kaufmannschaft grösstenteils
ablehnend. Der Unternehmer ging daher nur zögernd und vor-
sichtig an die Sache heran. Kassel wäre zweifellos noch heu-
te nicht im Besitz eines Warenhauses, wenn das Interesse der
Banken und Grundstücksbeslitzer nicht gebieterisch auf die
Verwertung des Bauplatzes gedrängt hätte.
Im Herbst 1911 wurde das Warenhaus eröffnet. Unterschie-
den werden z.Zt. (Oktober 1922) 57 Abteilungen Die einzel-
nen Warengattungen, die es führt, anzugeben, wäre zwecklos.
Es kommen - wie einer der Leiter angab - sämtliche Waren
ausser Möbeln in Betracht. Korbmöbel werden allerdings ge-
führt. Eine Lebensmittelabteilung wurde dem Hause schon bei
seiner Eröffnung angegliedert und wird jetzt angeblich unter
Zusetzung von Kapital betrieben. Anfangs war sie nur kleinen
Umfanges, erst im Laufe der Jahre ist sie mehr ausgebaut wor
den. Jetzt führt sie sämtliche Waren einer grossen Kolonial-
warenhandlung, nicht gerade zur Freude der Kleinbetriebe die
ses Geschäftszweiges.