Full text: Der Kasseler Einzelhandel

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Als es 1911 den Besitzer wechselte, führte es gleichzeitig den 
Barverkauf ein. Nennenswerte Bedeutung hat diese Verkaufsform, 
wenn auch wohl noch andere Geschäfte sich auf Abzahlung einlie- 
ßen, nicht gewonnen. Sie entsprach den Wünschen und Gewohnheiten, 
der Bevölkerung nicht und blieb auf enge Kreise beschränkt. In 
heutigen Zeiten der ständig zunehmenden Geldentwertung musste 
das Borgsystem zusammenbrechen. Der Kaufmann ist grossen Verlu- 
sten ausgesetzt, wenn er den Verkaufspreis nicht sogleich in bar 
verlangt. Er hat auch genügend Gelegenheit, in anderer Weise ge- 
gen seine Kundschaft kulant zu sein, indem er Umtausch und Be- 
sichtigung der Geschäftsräume ohne Nötigung zum Kauf gestattet 
und die Zusendung der gekauften Waren übernimmt. Die Kulanz in 
der Warenzusendung war vor dem Kriege besonders stark. Von Kauf- 
leuten der Lebensmittelbranche wurde berichtet, dass die Kund- 
schaft kleine und kleinste Mengen telefonisch bestellte und so- 
fortige Zusendung verlangte. Einige Geschäfte konnten sich nur 
dadurch einen Kundenkreis schaffen, dass sie für schnellste und 
gewissenhafteste Zusendung der Ware Sorge trugen. 
Die zuvorkommende Behandlung der Kunden im Geschäft ist 
ebenfalls ein sehr wichtiges Mittel des kulanten Kaufmanns. Ein 
grosses hiesiges Konfektionsgeschäft hat ein besonderes System, 
die Kundschaft bei sich heimisch zu machen. Für jeden Kunden 
wird in einer Kartothek eine Karte angelegt und die jeweiligen 
Käufe darauf verzeichnet. Diese Kontrolle hat doppelte Vorteile: 
einmal kann der betreffende Kunde - falls er längere Zeit nichts 
gekauft hat - durch Anzeige auf eine besonders gute und vorteil- 
hafte Kaufgelegenheit aufmerksam gemacht und so ständig herange- 
zogen werden; ferner kann der Geschäftsinhaber auf Grund der 
Aufzeichnungen auf der Karte auf längst vergangene Käufe des 
Kunden zurückgreifen, wenn dieser zu neuem Kauf den Laden be- 
tritt. Der Kunde, der von den Aufzeichnungen keine Ahnung hat, 
wird das als besonderes Interesse für seine Angelegenheiten emp- 
finden, sich in den meisten Fällen geschmeichelt fühlen und gern 
wiederkommen.
	        
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