Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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weckmaͤsiger, schoͤner, versehen sie mit Gaͤrten, 
legen anmuthige Gaͤnge und Wege an, rotten 
wildes Gebuͤsch aus, daͤmmen die Gewaͤsser ein 
und schaffen aus Wildnissen anmuthige Land⸗ 
schaften. Und du einzelnes Land, Dorf, Bauer, 
Koffaͤthe, oder wie du heißen magst, duͤrftest 
zuruͤckbleiben, wenn des Herrn Wort bis zu dir 
edrungen ist? Immer fort und weiter schreiten 
ba du. Erfuͤllest du aber wohl den Zweck 
deines Daseyns, wenn du das Schlechte an dir 
duldest dem Vernuͤnftigern den Eingang verwei⸗ 
gerst, das Zweckmaͤsige und Wohlgefaͤllige zuruͤck⸗ 
weisest, und dich lieber in Schmutz, Widrigkeit 
und verjaͤhrten Vorurtheilen umhertreibst, als 
mit einiger Muͤhe dir und Andern eine bessere 
Statte bereitest? Mit allem Widerstreben wirst 
du der Zeiten Rad doch nicht zum Stillstande 
bringen; das Aufhalten und Hemmen desselben 
traͤgt dir weder Ehre, noch Gewinn, und du 
hinderst durch dein ungereimtes Beharren beim 
Alten und durch das Verkennen deines Berufes, 
die Erde zu verschoͤnern, Gottes, deines Herrn, 
heilige und weise Absichten, und straͤubst dich 
unverstaͤndig gegen den Willen des Schoͤpfers. 
Ferner kannst du doch nicht laͤugnen, daß dir 
Soͤtt neben deinen aͤuseren Sinnen auch noch 
Gefuͤhl fuͤr das Schoͤne, fuͤr Ordnung und Eben⸗ 
maas, fuͤr das Angenehme, Gefaͤllige und Zweck⸗ 
maͤsige verliehen hat. Du weißt einen Garten, 
in elchem die Baͤume wild durch und in ein— 
ander gewachsen sind, recht gut von demjenigen 
zu unterscheiden, in welchem sie nach einer, dem 
Uuge wohlthuenden Eintbeilung und Regel ge⸗ 
pflaͤnzt worden; ein Haus, dessen Waͤnde Fenster 
zieren, in gleiche Zwischenraͤume vertheilt, dessen 
Theile im richtigen Verhaͤltnisse zu einander steben, 
gefaͤlt dir besser, als ein verschobenes weder 
inkel⸗ noch wagerecht errichtetes Gebaͤude; eine 
mit Baͤumen besetzte, gut erhaltene Landstrase besser, 
als ein Hohlweg, in welchem die Geschirre bis an 
die Achse versinken. Hast du dieses Gefuͤhl fuͤr 
Regelmaͤsigkeit und Schoͤnheit, diesen Sinn fuͤr 
Anstand und Ordnung vergeblich empfangen? 
Darfst du eine, urspruͤnglich in dir befindliche 
Anlage ungenutzt lassen, ein dir anvertrauetes 
Pfund vergraben und trotzig das dargebotene 
Sessere hinweg weisen? Fuͤr jede Vernachlaͤssi⸗ 
ung und Versaͤumniß bist du dem Geber eben 
gut verantwortlich, als dir selbst und deinen 
Mitmenschen 
Du sollst aber auch in dem dir angewiesenen 
Kreife darum das Land verschoͤnern, damit du 
Schaden und Nachtheil nach Kraͤften abwendest 
und froben Lebensgenuß, Wohlstand und Anmuth 
auf Erden befoͤrderst. Wie viel weniger Ver⸗ 
brecher wuͤrde es geben, wenn die Jugend nichts 
aAls Beispiele von Ordnung, Reinlichkeit und 
Ebenmaͤsigkeit vor Augen haͤtte! Sie gewoͤhnte 
sich dann an Nuͤchternheit, an Maas und Ziel 
n allen Dingen, und wuͤrde sich weit seltener 
Ausschweifungen uͤberlassen, weil diese die Ein⸗ 
tracht des Koͤrpers und Gemuͤthes sidren, und 
weil das sie begleitende sittlich Haͤßliche dem, 
von Kindheit auf in das Innerste aufgenomme⸗ 
nen, Gefuͤhl fuͤr Zucht und Regel widerspricht. 
Besetzt aber auch, die Gewohnheit stumpfte dieses 
Gefuͤhl, woran jedoch, wenn sich zweckmaͤsiger 
Unterricht zum Anblicke des Schoͤnen und Rich⸗ 
tigen gesellt, zu zweifeln ist; ganz untergehen 
koönnte es doch nicht, wenn es einmal vorhanden 
und geweckt waͤre, und der Schaͤndliche staͤnde, 
wenn er es rebellischer Weise ertoͤdtet haͤtte, dop⸗ 
pelt schaͤndlich da. — 
Doch nicht blos fuͤr die Menschen, auch fuͤr 
das Vieh ist zu sorgen. Sind die Thiere nicht 
auch Gottes Geschoͤpfe, und habt ihr die, welchen 
ihr als Hausthieren ein Anrecht auf milde Be⸗ 
handlung gegeben, und welche ihr unter euern 
besondern Schutz genommen, nicht auch zu beden⸗ 
sen? Der Meunsfch soll kein Thierquaͤler seyn, 
—X 
dern, und wie er zur Veredlung seiner selbst und 
der ihn umgebenden Natur berufen ist, auch die 
Thiere veredeln und jede Gattung derselben so 
sehr zu vervolllommnen suchen, als Land und 
Himmielsstrich es gestatten. Verschoͤnert euer Land 
zuch durch gute Strasen; baut tuͤchtige, warme, 
reinliche Staͤlle; strengt die Zug- und Lastthiere 
nicht zur Ungebuͤhr an, und ihr habt einer Pflicht 
Benuͤge gethan, welche nur der rohe und, gefuͤhl⸗ 
sose Mensch verkennen kann. — Und haͤttet ibr 
denn gar keine Freude, wenn es euch und euern 
Nitmenschen wohlging, und es immer besser und 
esser in der Welt wuͤrde? Wollte der niedrig 
Bestellte aus Neid, Eifer- und Scheelsucht, und 
der Hoͤhere aus Hochmuth und Abgunst seinen 
Beitrag zum Gemeinwohl vorenthalten, und 
nicht vielmehr Gott danken, daß auch er, der 
Einzelne, sein Scherflein steuern und so sich des 
Vorzuges, Mensch geworden zu seyn, wuͤrdi 
deweisen kann? Schon vor Jahrtausenden — 
ein ebler Volkslehrer: „haben wir nicht Alle 
Einen Vater, hat uns nicht Ein Gott geschaffen?“ 
Noch zur heutigen Stunde betrachten aber Viele 
das Menschengeschlecht nicht als eine große Ge⸗ 
ammtfamilie, in welcher Eins das Andere heben, 
ragen, unterstuͤtzen, freundlich und bruͤderlich 
hbehandeln und wechselseitig veredein soll, sondern 
meinen, es moͤchte zwar ganz gut seyn, wenn es 
so waͤre, nie aber werde es dahin kommen und 
ihnen wenigftens moͤge niemand zumuthen, den 
Anfana zus machen. Wer hierzu weder Lust 
noch Willen hat, fuͤr den ist freilich alles bisher 
Zefagte vergeblich. Um kein Haar aber kluͤger
	        
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