Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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Joseph Franke, ein preussischer Husar, 
machte in dem Feidzuge der Preussen wider die 
Destreicher im Jahre 1778 einen Najor der letz⸗ 
teren gefangen. Dieser gab jenem Boͤrse und Ubr 
willig hin; einen Ring aber, den er am Finger 
hatte, suchte er zu verstecken. Endlich gab er 
auch diesen hin; jedoch mit der Bitte, ihm den⸗ 
selsen, weil er ein sehr werthes Andenken fuͤr 
ihn sey, einige Tage aufzubewahren, bis er Geld 
erhalten wuͤrde, da er ibm denn eine nabmhafie 
Summe Dukaten dafuͤr geben wolle. Der Hukar 
rabm den Ring und besah ibn; hierauf ergriff 
er die Hand des Offiziers, steckte ihm den Ring 
an den Finger, und sagte: „Mein Herr, ich 
deiße Joseph Franke und stehe in Friedenszeiten 
zu Sorau in Garnison. Nehmen Sie den Ring 
nun auch von mir zum Andenken, und erinnern 
Sie sich mittelst desselben, daß Großmuth nicht 
an den hohen Stand gebunden ist.“ Der Offi⸗ 
zier nahm denselben. Äls er Geld erhielt woüte 
er den wackern Husaren beschenken; allein dieser 
war so edel, sein gegebenes Wort zu halten, und 
schlug das angebotene Geschenk großmuͤthig aus. 
Als der beruͤbmte englische Feldherr, Herzog 
»on Marlborough, nach dem glorreichen Siege 
dei Hochstaͤdt die Gefangenen vor sich vorbei mar— 
schiren ließ, fiel ihm ein franzoͤsischer Grenadier 
durch sein kriegerisches und munteres Aeusere 
besonders auf. Er redete ihn also an: „Gre⸗ 
nadier! wenn deines Gleichen 50,000 in der fran⸗ 
zoͤsischen Armee gewesen waͤren: sie wuͤrden sich 
wohl besser vertheidigt haben.“ „Wahrhaftig!“ 
verfetzte der Soldat, „wir hatten in der Urmee 
genug solcher Kerls, wie ich bin; es fehlte uns 
blos an einem Cinzigen, wie Sie sind.“ 
Der bekannte daͤnische Gelehrte Hollberg 
ging einst in Gedanken vertieft und ziemlich schlecht 
gekleidet auf der Straße in Kopenhagen, wo er 
auf einige junge rohe Leute stieß welche ihm nicht 
auswichen. Hollberg blieb stehen; aber die Gro⸗ 
biane sagten: „wir gehen keinem schlechten Men— 
schen aus dem Wege.“ — „So wil ich es denn 
thun,“ versetzte Hollberg, und ging kaltbluͤtig 
neben ihnen vorbei. 
In den ersten Revolutionskriegen suchten die 
franzoͤsischen Patrioten dem Geldmnangel, welcher 
oft die Unternehmungen der Regierung hinderte, 
durch freiwillige Geschenke aller Art aͤbzuheifen. 
A — 
bernen Schnallen dem Vaterlande zum Opfer. 
In einer kleinen Landstadt wollte man dies nach⸗ 
ahmen·. Da aber nur wenige Einwobner derfe ben 
silberne Schnallen besaßenso schoß man zusam⸗ 
men, ließ zweihundert Paar neue Schnallen ver— 
fertigen, und uͤberreichte diese dem Convente 
als einen Beweis aufopfernder Vaterlandsliebe 
Ein Spanier, der sich vom Schuhslicken naͤhrte, 
lag auf dem Sterbebette. Sein einziger Sehn, 
welches ihn pflegte, fragte, ob er ihm noch etwas 
vor seinem Tode zu sagen bätte? „denke stets 
an die Hoheit unsers Geschlebts,“ erwiederte 
der Sterbende, „und vergiß nie, dich derselben 
wuͤrdig zu machen.“ 
——m—mm— 
Ein guter ehrlicher Bauer ging in das Schau⸗ 
spiel. „Wie gefaͤllt Euch das?“ fragte ihn einer 
seiner Nachbarn; „spielen die Leute nicht vortreff⸗ 
ich?“ „Vortrefflich?“ erwiederte der Bauer, 
„das ich nicht wuͤßte; muͤssen sie sich doch erst 
alles vorsagen lassen, was sie reden sollen.“ 
Ein Amerikaner wurde auf Pistolen gefordert, 
und antwortete schriftlich: „Ich stelle mich nicht, 
zus zwei Gruͤnden. Ich koͤnnte Sie, Sie koͤnn⸗ 
ten mich erschießen. Aus beidem wuͤrde nichts 
Butes entstehen. Gehen Sie in den Wald, 
uchen Sie einen Baum von meiner Corpulenz. 
Stellen Sie sich in die Duell-Schußweite. Treffen 
Sie den Baum, so will ich zugeben, daß ich 
—An 
pn nicht, so soll das Unrecht auf Ihrer Seite 
eyn.“ 
eeीAut Seze 
— — 
Friedrich der Zweite, unwillig uͤber die Excesse 
einiger jungen Offiziere, ließ einst den als derd 
bekannten General Kamin, damals Gouverneur 
von Berlin, zu sich kommen, und sagte zu ihm: 
Er muß bessere Ordnung halten in der Garni⸗ 
son, er muß den Faͤhnrichs grob kommen!“ — 
„Hm!“ entgegnete Ramin, „noch groͤber? 
Ew. Majestaͤt, das wird nicht angehen, das ist 
anmoͤglich!“ 
Als man berathschlagte, ob die Buchdruckerkunst 
in England Eingang fsinden sollte, bemerkte der 
Bischof von London: „Dulden wir sie, so wird 
sie uns bald nicht mehr dulden.“ 
— 
Wie man an der Hand eines reichen Mannes 
selbst unaͤchte Steine ohne weitere Untersuchung 
fuͤr aͤcht haͤlt, so nimmt man von einem beruͤhmten 
Schriftsteller selbst das Tollste fuͤr eiwas Wan— 
derbares und Erhabenes, und je toller es ist, um 
o reicher, glaubt man, muͤsse der Schatz des 
Inhalts seyn. 
Die Stuͤrme des Lebens uͤbereilen uns und wer⸗ 
fen alles Berechnete zusammen, weil sie, wie die 
X ihre eigene Richtung und Bewegang 
aben. 
Ist der Ausspruch des Ariost: „Lebt Einer 
ohne Weib, der lebt nicht ohne Suͤnde!“ wahr, 
so muͤßten ja die Hagestolzen unter strenge Auf⸗ 
sicht gestellt werden. 
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