Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

lich hatte man deren nur zwanzig, und sie hielten 
nicht auf dea Straßen, sondern in den vornehm⸗ 
slen Gasthoͤfen. Nach etwa zehn Jabren batte 
man schon eine solche Menge derseiben, daß Koͤnig 
Karl J. sich genoͤthigt sah, ihre Bermehrung durch 
einen Befehl einzuschraͤnken. Im Jahr 1637 wur⸗ 
den in und um London nebst Westminster fuͤnfzig 
Miethkutscher angenommen, wovon jeder nicht 
In der Abwesenheit eines deutschen Fuͤrsten 
meldete sich bei dessen Minister eine arme Offziers⸗ 
witwe und bat sehr bewegt um eine Pension. 
„Es soll Ihnen geholfen werden,“ sagte der 
wuͤrdige Mann. Am folgenden Tage ließ er einen 
Hofsaͤnger kommen und fragte denselben, wie viel 
Besoldung er erhalte. Tausend Gulden, war die 
Antwort. „O,“ sagte der Minister, „Ste wuͤr⸗ 
den sich das Bewußtseyn einer schoͤnen Handlung 
dadurch verschaffen, wenn sie sich entschließen 
koͤnnten, mit einem Abzuge von zweihundert Tha⸗ 
ern jaͤhrlich an ihrem Gehalte die arme Witwe 
eines verdienten Offiziers gluͤcklich zu machen.““ 
Der Saͤnger fand diese Zumuthung sehr sonder⸗ 
har und erwiederte trotzig, daß er lieber seine 
Entlassung nehmen, als nur einen Groschen von 
seinem Gehalte einbuͤßen wolle. „Sie sind ein 
edelmuͤthiger Mann,“ entgegnete der Minister. 
„Sie setzen mich durch diese Weigerung in den 
Stand, fuͤnf Nothleidenden auf einmal zu helfen. 
Hier haben Sie Ihren Abschied.“ Der herbeige⸗ 
rufenen Offizierswitwe machte der Minister ein 
Geschenk mit zweihundert Gulden und die schrift⸗ 
liche Zusicherung einer jaͤhrlichen Pension von 
gleichem Betrage. Die Witwe dankte geruͤhrt. 
„Danken Sie nicht mir,“ sagte der Minister, 
„sondern diesem Manne, welcher die Guͤte hatte, 
Ihnen die Pension abzutreten.“ 
Maleck, Vezir des Kalifen Mostadi, besiegke 
in einer Schlacht die Griechen und nahm ihren 
Kaiser gefangen. Er ließ denselben in sein Zelt 
fuͤhren und fragte ihn, welche Behandlung er 
bon seinem Besieger erwarte? worauf jener ant⸗ 
wortete: „Wenn du den Krieg als ein Koͤnig 
fuͤhrst, so schicke mich heim; fuͤhrst du ihn als 
tin Kaufmann, so verhandle mich; fuͤhrst du ihn 
als ein Fleischer, so laß mich ermorden. Der 
tuͤrlische Feldherr schickte den Kaiser ohne Ran⸗ 
ion zuruͤck. 
Als Karl V. eine Reise von Antwerpen nach 
Bruͤssel machte, traten seine Pferde ein Schaf 
rodt. Der Schaͤfer, welcwem sein Schaf nicht 
verguͤret wurde, ließ sich bereden, den Kaiser zu 
berklagen, und der Prozeß wurde wie unter ge⸗ 
woͤhnlichen Privatpersonen gefuͤhrt. Dies Ver⸗ 
fahren mißfiel dem Hofe und man setzte deshalb 
Ver scchi 
aͤber zwoͤlf Pferde halten sollte. Im Jahr 1652 
vard die Zahl auf zweihundert, und zwei Jahre 
paͤter auf dreihundert festgesetzt, wozů sechhun— 
dert Pferde gehalten werden durften. Im Jahr 
1694 wurde die Zahl auf fsiebenhundert, und im 
Jahr 1715 auf achthundert bestimmt. — In 
Warschau sind die Fiacres erst 1778 angenommen 
wvorden. * 
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denes. 
den Richter zur Rede. „Ich bin,“ sprach der 
Richter, „ein Unterthan des Kaisers, aber in 
Hinsicht meines Richteramtes bin ich nur der Ge— 
rechtigkeit Unterthan.“ Diese Antwort machte so 
zroßen Eindruck auf den Kaiser, daß er sich die— 
es Mannes von der Zeit an in den wichtigsten 
Ungelegenheiten bediente und ihm bei jeder Gele— 
genheit seine Achtung bewies. 
Der Kardinal von Retz hatte eine Schrift her⸗ 
zusgegeben, in welcher ziemlich freimuͤthig von 
dem Prinzen Condé geurtheilt wurde. Einer von 
ꝛen Hofleuten des Prinzen fand ihn eines Tages 
nit der Lektuͤre dieser Schrift beschaͤftigt, und 
agte zu ihm: das Buch muß doch gut seyn, 
veil ich Ihre Hoheit so emsig darin lesen sehe. 
„Es ist wahr,““ antwortete der Prinz, „daß 
nir das Buch viel Vergnuͤgen gewaͤhrt; denn es 
nacht mich mit meinen Fehlern bekannt, welche 
nir Jedermann verschweigt.“ 
αàιXααα 
Einst ging der gelehrte Abt Terasson, Mit⸗ 
zlied der koͤniglichen Akademie der Wissenschaften 
zu Paris (starb daselbst 1750 in einem Alter von 
34 Jahren), nach seiner Art etwas sonderbar 
ind nachlaͤssig gekleidet, auf der Straße. Einige 
Kinder und verschiedene Leute vom Poͤbel liefen 
zinter ihm her und riefen ihm mancherlei spoͤt⸗ 
ische Reden nach. Einer seiner Freunde, we cher 
hmugerade begegnete wollte sie entfernen; allein 
er Abt antwortete: „o Freund, lassen Sie doch 
diese Geschoͤpfe ungestoͤrt, es macht ihnen Ver— 
znuͤgen, und ich dann ihnen sonst doch weiter 
nichts zu Gute thun.“ 
Ein Zietenscher Husar nahm im siebenjaͤhrigen 
kriege einen oͤstreichischen Offizier gefangen, der 
dreißig Jahre gedient batte, aber wegen des 
damals uͤblichen Verkaufs der Compagnien nicht 
avancirt war. Der Husar hatte dem Offizier nach 
Kriegsgebrauch die Boͤrse und eine goldye Uhr 
ibgenommen. „„Ach,“ klagte der letztere,, das 
st also der Lohn fuͤr meine dreißigjaͤhrigen Dienste!“ 
ind bat ersteren, ihm etwas von dem Gelde zu⸗ 
ruͤckzugeben „Da hast du Alles,“ sagte diefer, 
„und die Uhr auch. — Nicht pluͤndern, sondern 
siegen hat mich Vater Zieten gelehrt
	        
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