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meister gewann bei seinen haͤufigen Wanderungen uͤber
Feld das Branntweinglas lieb; nun kamen noch die
fFranzosenzeiten hinzu, welche dort im Dorfe und in der
ümgegend viel Uebels stifteten, wenigstens die schon da⸗
selbst herrschende Neigung zur Liederlichkeit und zum
Trunke noch bedeutend vermehrten. Der Mann wurde
ein Trinker, bald ein Saͤufer, und immer aͤrmer und
aͤrmer, so daß er zuletzt statt eines wohlhabenden
—AV ——
Seine wackere Frau, eine Hanauer Buͤrgers Tochter,
die ihm eine schoͤne Ausstattung mitgebracht hatte,
sorgte und arbeitete Tag und Nacht, konnte es aber
nicht zwingen und graͤmte sich nun und jammerte, als
sie nach und nach alles den Krebsgang gehen und ein
Stuͤck Hausgeraͤth nach dem andern und ein Bett
nach dem andern aus dem Hause tragen sah. Das
Haus wurde so leer, daß sie bald an einem einzigen
Kaͤmmerchen in einem verfallenen Hinterhause genug
hatten, und auch das einzige Kaͤmmerlein war so leer,
daß die Frau mit ihren Kindern zuletzt auf einem
Haufen Kartoffeln schlafen mußte, uͤber welchem eine
duͤnne Schicht Stroh gebreitet war. Alles Bitten
und Flehen half nichts bei dem Mannez; der boͤse Geist
des Branntweins hatte ihn so besessen, daß er in dieser
Stunde das Beste versprach und sich auch wirklich
vornahm, in der naͤchsten aber schon wieder im Wirths⸗
hause saß. Nachgerade aber wurde der Saufteufel
so maͤchtig in ihm, daß er die arme, alles im Stillen
duldende und tragende Frau auf das groͤblichste miß⸗
handelte, wiewohl er in nuͤchternen Stunden wohl
einsah, daß er an seiner Frau noch die einzige Stuͤtze
hatte. Endlich zehrten Gram und Kummer und
Juchhe.
Wie ist doch die Welt so schoͤn, so oͤn!
Das wissen die Voͤgelein: shon, so ühen
Sie heben ihr leicht Gefieder,
Und singen so froͤhliche Lieder
In den blauen Himmel hinein.
Wie ist doch die Erde so schoͤn, so schoͤn
Das wissen die Fluͤsse und Seen:
Sie malen im klaren Spiegel
Die Gaͤrten und Staͤdte und Huͤgel,
Und die Wolken, die d'ruͤber geh'n!
Und Saͤnger und Maler wissen es,
Und es wissen's viel' andere Leut'!
Und wer's nicht malt, der singt es,
And wer es nicht singt, dem klingt es
In dem Herzen vor lauter Freud'!
Jammer und die bittere Noth, die zuletzt bis zum
ꝛigentlichen Hungerleiden stieg, die arme Frau auf;
der Tod erloͤsete sie von ihrem Elende, von dem ihr
m ihrer Wiege nichts war gesungen worden. Der
Mann klagte und jammerte uͤber ihrem Leichnam, und
zlieb traurig den ersten Tag und den andern Tag.
AIm dritten wurde sie begraben, und vom Todtenhofe
zing es wieder in das Wirthshaus bis um Mitter⸗
iacht. Jetzt taumelte er nach Hause und fand die
Zausthuͤr, wie fruͤher schon oͤfter, von den Mitbewoh⸗
iern des Hauses verschlossen. Gar viele Male war
er ehedem in gleichem Taumel vor die gleichfalls ver⸗
chlossene Hausthuͤr gekommen, hatte gepocht und hatte
zerufen: Cathrine Margreth, mach' mir auf! Und
zie geduldige ireue Cathrine Margreth, die ihm zwar
vohl gedrohet hatte, ihn nimmer wieder ins Haus zu
assen/ hoͤrte den Ruf wohl einmal und zweimal mit
in; aber beim dritten Male pflegte ihr das Herz, zu
zrechen; „es ist ja dein Mann“ dachte sie, und ging
jin und that ihm die Thuͤr auf ohne ein Wort des
Vorwurfs oder des Haders. So pochte er denn auch
'n dieser Nacht und rief mit beweglicher Stimme ein⸗
nal uͤber das andere: Cathrine Margreth, machꝰ
nir noch einmal auf! Cathrine Margreth, mach' mir
noch einmal auf! Aber es kam keine Cathrine Mar—⸗
zreth mehr, um zu oͤffnen; sie war gestorben und be—
zraben, und das Ungeheuer von einem Ehemann hatte
's schon am Tage des Begraͤbnisses rein vergessen,
daß seine Frau gestorben und begraben war.
Im Jahre 1816 spie die Fulda bei Breitenbach einen
snpn aus; es war der Leichnam des Schusters
olf.
Raͤthsel.
Wir sind's gewiß in vielen Dingen,
Im Tode sind wir's nimmermehr.
Die sind's, die wir zu Grabe bringen,
Und eben diese sind's nicht mehr.
Und weil wir leben, drum sind wir's eben
An Geist und Angesicht;
And weil wir leben, drum sind wir's eben
zur Zeit noch nicht.
1
— —
2
Es kommt vom Leben, hat kein Leben,
Und kann dir schweigend Antwort geben.
3.
Groß oder klein — ich bin nur eines Fußes lang.
Mich haben ist kein Vorzug, oft ein Zwang,
Und doch, wer mein entbehrt,
Ist traun mitleidenswerth.
Aufloͤsung der Raͤthsel im vorjaͤhrigen Kalender.
l. Todtengraͤber. — 2. Hessen. — 8. Eulenspiegel. — 4. Augen. — 6. Schlagfluß. — 6. Raͤthsel.