Vottes Wort entfernt ist?) Das Prahlen und Ver⸗
hun war, wie sich von selbst versteht, die Sache der
Landsknechte so recht eigentlich. Zumal war die Klei⸗
derpracht um die Mitte des 16ten Jahrhunderts auf
unglaubliche Weise in allen Staͤnden, aber doch beson⸗
derßebei ven Landsknechten, die damals noch keine
Uniform trugen, wie in spaͤteren Zeiten, eingerissen.
Man trug wunderlich zerschnittene Hosen und Waͤmser,
boller Spitzen, Lappen, Zipfel und Zotteln, wozu
eine unglaubliche Menge Zeuch, meist Seide, ver⸗
hraucht wurde. So ließ sich denn auch ein Landsknecht
Hose und Wams nach dieser Mode machen, wozu er
9 Ellen Seidenzeuch brauchte. Da fragte ihn einer:
Warum er benn nun eben 99 und nicht hundert Ellen
genommen haͤtte? Und er gab den Bescheid, hundert
vaͤre ein kuͤrzes Wort und klaͤnge gar nicht groß;
do aber waͤre ein langes und praͤchtiges Wort, und
recht landsknechtisch. Äber der Fluch des Landes ruhete
auch auf diesen gottlosen Gesellen. Zu einer Zeit zogen
einige Faͤhnlein dieser Voͤgel durch ein kleines Doͤrf⸗
lein in Hessen. Ein altes Weiblein sah zum Fenster
heraus, als eben der helle Haufen mit Geschrei, Fluchen
und Laͤstern voruͤber kam. „Alte Hex, was macht
der Teufel?“ rief ihr einer zu. „Er macht Schub⸗
karren, antwortete die Alte, um euch ruchlose Bursche
n die Hoͤlle zu fahren.“
Gottes Gericht im Suͤllingswalde.
Zwischen der Fulda und Werra von dem hohen
Bergkopfe, auf welchem einst die alte Burg Landeck
gestaänden hat, bis zu dem Schloß Wildeck erstreckt
sich die große Hessische Waldflaͤche, der Suͤllingswald
geheißen, voll maͤchtiger Buchbaͤume mit lustigem
Bruͤn und im Herbste mit reichlicher Eckermast, wie
sie kaum weiter in Hessen gefunden wird, voll tieser,
einsamer Schluchten und stiller Waldwiesen, in denen
Znan nichts hoͤrt, als das Hacken des Spechts und
das Schreien des Hehers, ehedem auch voll Wildpret,
zumal voller Hirsche und Schweine, welche da von
Niemanden gestoͤrt wurden, als eimal im Jahre von
dem Landgraͤfen selbst, welcher im Spaͤtsommer in
dem alten“Schlosfe Friedewald sein Hoflager zu neh⸗
nen und von da aus eine seiner großen Schweine⸗
hetzen anzustellen pflegte. In ganz alten Zeiten war
uͤber manche Stellen des Süͤllingswaldes der Pflug
zegangen, und hatten in den Sqluchten hin und her
manche schoͤne Doͤrfer gelegen, deren Staͤtten zum
Theil noch heute bekannt sind; andere sind spurlos
oerschwunben, wie alles Menschenwerk, und wie auch
dein Haus, lieber Leser, und dein Dorf oder deine
Stadt dereinst untergehen wird und deine Nachkom⸗
men uͤber deinen Gaͤrten und deinen Hof und dein
Brab daherziehen, und nicht wissen, auch nicht fregen
werden, ob' du da gewesen bist oder nicht, uͤnd was
fuͤr Liebes oder Leides dir dein Leben lang wiederfahren
ist. Ob das nach fuͤnfzig oder hundert oder tausend
Jahren geschehen wird, das ist gleichviel: geschehen
vird es gewiß. Der aber, vor dem tausend Jahre
ind wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre,
er wird deiner Freude und deines Leides gedenken
zuch noch nach tausend Jahren; der wird dein Grab
vieberfinden zuͤ seiner Zeit, so gut, wie er die Graͤber
a den Einoͤden des Suͤllingswaldes kennt und wieder⸗
inden wird am Tage seiner Zukunft.
Aber eben derselbe Herr Gott, welcher die Todten
vieder zu finden weiß zum ewigen Gerichte, der weiß
uuch die Lebenden zu finden zum zeitlichen Gerichte,
ind zu einer solchen Stätte seines Gerichtes hat er
ich einsmals auch eine der einsamen Halden des Suͤl⸗
ingswaldes, und zum Vollstrecker seines gerechten Ur⸗
heils ein Geschoͤpf seiner Hand, ein Thier des Waldes,
usersehen.
In einem Saͤchsischen Dorfe bei Gerstungen waren
in Bauer und der Schaͤfer des Orts in Hader und
Streit gerathen. Klein war die Ursache des Streites,
ber groß war der Grimm und das Gift in den Her—⸗
en der Streitenden, und so blieb es nicht bei boͤsen
Worten und Fluchen und Schimpfreden, sondern es
am bald zu schlimmen und blutigen Haͤndeln, also
»aß die grimmige Blutgier in die Herzen einzog und
iner dem andern laut und oͤffentlich den Tod drohete.
Dbwohl die Nachbarn sich der Sache ernstlich annah⸗
nen und zum Frieden riethen und redeten, so half
das doch nuͤcht nur nichts, sondern diese Ermahnungen
ind Warnungen bewirkten gerade das Gegentheil:
zie feindseligen Gemuͤther wurden noch feindseliger,
oͤser und grimmiger, und verstockten sich recht in
hrem Haß und in ihrer Mordlust. Der Schaͤfer war
in handfester, starker Mann, dem der Bauer nicht
zewachsen war, zumal da jener seinen mit schwerem
kisen beschlagenen Schaͤferstab fuͤhrte, und durch seine
Zunde bei Tag und Nacht geschuͤtzt war, weshalb er
zuch seinen Feind um so mehr hohnneckte, da er nicht
noͤthig zu haben meinte, sich vor ihm zu fuͤrchten.
luch hatte er schon zu verschiedenen Malen den Bauer
einen Schaͤferstab derb genug auf dem Ruͤcken fühlen
assen. Da geschah es, daß der Bauer im Walde
inen verlorenen Jagdspieß fand, und nun wurde aus
ʒer Mordlust die Mordthat. Als in der naͤchsten Nacht
er Schaͤfer in seiner Huͤtte schlief — und die Schaͤfer⸗
uͤtten waren damals noch nicht so gut verwahret, wie
etzt, sondern an den Seiten offen — da schlich der Bauer
zerzu und hatte seine Zeit so wohl wahrgenommen,
»aß er zugleich mit dem ersten Anschlagen des Schaͤfer⸗
sundes den Schaͤfer durch und durch stach. Daß
edermann nur den Bauer in Verdacht dieser heim—
uͤckischen Mordthat haben werde, dachte sich dieser
eicht selbst, aber er dachte auch: „ihr sollt mich wohl
nicht fangen“ und so ging er heruͤber in das Hessische,
vohin er nur ein paar Schritte hatte. Acht Tage
ang hielt er sich in einem Doͤrfchen des Süllings⸗
valdes verborgen, aber die Kainsunruhe ließ ihn nicht
aͤnger rasten. Er mußte hinaus, obwohl er nicht