Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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nun moͤchte ich's doch einmal auch bei den Reitern pro⸗ 
bieren.“ So etwas, meinte doch der Prinz, haͤtte er 
—X— 
Das Christenthum der Landsknechte und 
Spießgesellen. 
Es war einst ein wildes Gesindlein in Deutschland, 
das nannte man Landsknechte, eine große Plage fuͤr 
Dorf und Stadt, welche laͤnger als einhundert und 
fuͤnfzig Jahre, bis nach dem Ende des 80 jaͤhrigen 
Krieges, gedauert hat. In den aͤltesten Zeiten hatten 
die Fuͤrsten und Herren, auch der deutsche Kaiser 
selbst, im Frieden keine stehenden Heere, sondern wenn 
es Krieg gab, wurde die kriegsfaͤhige junge Mannschaft 
vom Pfluge weg zum Heere entboten, und wenn der 
Krieg voruͤber war, gingen sie wieder an ihren Pflug 
und baueten ihre Aecker nach wie vor in aller Stille 
und Ehrbarkeit. Nach der Zeit aber, in dem wilden 
Kriegs⸗ und Fehdeleben, welches etwa vom Jahr 1400 
an immer aͤrger und aͤrger wurde, fanden sich denn 
nachgerade auch nicht Wenige, denen das Kriegfuͤhren, 
das lose, lustige Leben, das Beutemachen uͤnd das 
Bluthandwerk, selbst das Todtstechen und Todtschlagen 
wohlgefiel, und die darum aus dem Kriege ein Hand⸗ 
werk zu machen anfingen. Wo es zu streiten und zu 
stuͤrmen gab, da waren sie vorn an, zogen immer der 
Trommel nach, von einem Hauptmann und kriegfuͤh— 
reͤnden Heere zum andern; wer sie anwarb und wer 
hnen, den meisten Sold geben und die reichste Kriegs⸗ 
beute versprechen konnte, dem dienten sie; ihren Pflug 
und ihr Handwerk begehrten sie nicht wieder zu ergrei⸗ 
fen und hatten es auch meist laͤngst verlernt und ver⸗ 
gessen. Diese Gesellen, die nichts zu verlieren hatten, 
waren eben darum ein tapferes, weder Gtsahr noch 
Tod scheuendes Kriegsvoͤlklein, welches manche wak— 
kere That ausgefuͤhrt, wie z. B. den herrlichen Sieg 
in der Schlacht bei Pavia im Jahre 1625 unter Kaiser 
Karl dem Fuͤnften gegen den Koͤnig von Frankreich 
Franz den Ersten gewonnen hat — ein Sieg, von dem 
hundert Jahre lang in ganz Deutschland, in allen 
Schenken und auf allen Maͤrkten, auf allen Straßen 
und in allen Herbergen die froͤhlichsten, frischesten Lie— 
der mit lautem Schall und Klang gesungen worden 
sind. Ihre blutige Arbeit war ihnen nur ein Spaß, 
eine Schlacht ein lustiges Gelag, in der sie Spieße als 
ein Essen anrichteten und es mit Hellebarden salzten. 
Es waren diese Landsknechte auch ein froͤhliches, lusti⸗ 
ges Voͤlkchen, welches sich selbst seine Lieder machte 
und die Melodie dazu, und sie mit heller Stimme hinter 
der Weinkanne so gut wie in der wilden Schlacht erklin— 
gen ließ, als da sind: „Gott gruͤß dich Bruder Veite, 
hoͤrst du kein neu Geschrei“ (und von diesem Liede 
nannte man scherzweise die Landsknechte: Bruder 
Veit), oder: „Es geht ein frischer Sommer daher, 
da werdet ihr hoͤren neue Maͤhr,“ oder: „Wer da strei⸗ 
ten und stuͤrmen will,“ u s. w., und die schoͤnen Lie⸗ 
der von der Paviaschlacht gehoͤrten auch dazu. Aber 
es war auch ein wildes, wuͤstes Gesindlein, dieses Volk 
der Landsknechte, welches an nichts Gefallen hatte, 
als am Fluchen und Schwoͤren, am Schlagen und 
Stuͤrmen, am Pluͤndern, am Sengen und Brennen, 
an Unzucht und Mord, welches weder von menschlicher 
noch von goͤttlicher Ordnung etwas wußte noch wissen 
wollte, und sich von niemanden baͤndigen ließ. Wehe 
dem Dorfe und der Stadt, in welche eine Horde dieser 
wuͤsten Woͤlfe einbrach! Sie verschonten im eigent⸗ 
lichen Sinne das Kind im Mutterleibe nicht. Ihr 
graͤuliches Fluchen war sprichwoͤrtlich geworden; beim 
dritten Worte hatten sie „Gottes Marter“ im Munde, 
obgleich ihre Herzen von dem gekreuzigten und gemar⸗ 
terten Christus ferne waren, und deshalb nannte man 
sie Marterhansen. Ja eiss die Reformation durch 
Dr. Luther anfing, und die Anrufung der Heiligen 
abgestellt wurde, sagte man den Landsknechten spott⸗ 
weise nach, sie wollten blos darum es nicht mit dem 
Dr. Luther und der Reformation halten, weil sie die 
Heiligen zum Fluchen nicht entbehren koͤnnten, und, 
wenn die Heiligen abgeschafft wuͤrden, nicht wuͤßten, 
bei wem sie schwoͤren sollten. 
Welches Christenthum die Landsknechte bekannten, 
kann man auch etwa aus Folgendem abnehmen. Ums 
Jahr 15383 war ein Trompeter bei den Landsknechten, 
den hessischen und anderen, denn er zog viel aus einem 
Dienst in den andern, war uͤberall am Main und Rhein 
bekannt, und wurde, weil er die schoͤnsten Stuͤckchen 
hlasen konnte, uͤberall gern gesehen und gut bezahlt. 
Es war aber dieser Trompeter aus Marburg gebuͤrtig, 
hieß Anton, und wurde deshalb nur der Marburger 
Trompeter-ODönjes genannt. Seinen großen 
Lohn, der sich oft in einem Monat an die vier Gulden 
belief, welches fuͤr die damaligen Zeiten ganz unge⸗ 
mein viel war, hatte er immer laͤngst zum voraus 
verthan; er aber war dabei immer lustig und guter 
Dinge, aß und trank und ließ sich nichts anfechten. 
Die Leute konnten nicht recht begreifen, wie er das 
anfange. „Aber, Trompeter-Doͤnjes,“ sagte einst 
einer zu ihm, „wo nimmst du nur das Essen her?“ 
Da antwortete der Doͤnjes: „Frage die darum, die 
mir zu essen geben, wo sie es hernehmen; ich lasse Gott 
und sie dafuͤr sorgen.“ J 
Und der gottlose Bruder Veit im 80jaͤhrigen Kriege, 
welcher sich freilich vor keiner Suͤnde und Gotteslaͤste⸗ 
rung scheute, war frech genug, zu sagen: In der Bibel 
der Soldaten und Landsknechte stuͤnde also geschrieben: 
hittet, ihr Soldaten, so wird euch nichts gegeben; 
uchet, so werdet ihr finden, klopfet an mit Spitzhaͤm⸗ 
mern, Aexten, Beilen und Barten, so wird euch auf⸗ 
zethan. (Wenn dich, lieber Leser, bei diesen Dingen 
ein Schauder uͤberlaͤuft, so sollft du wissen, ich habe 
es eben um dieses Schauders willen erzaͤhlt, und auch 
darum, damit du einmal um dich her schauen und dich 
und die Welt fragen sollst, ob denn die Welt in unsern 
Tagen so gar gewaltig weit von solchen Greueln gegen
	        
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