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Seine Gesinnung ward uͤbrigens durch diese Be⸗
kehrung keineswegs friedfertiger. Um's Jahr 600
aberzog er den Koͤnig von Burgund, einen Oheim
ainec Gemahlin, mit Krieg und noͤthigte ihn zur
Abtretung eines Theils seines Reiches. Darauf
uchte er'an den Westgothen Streit. Vergebens be⸗
muͤhete sich deren Konig Alarich, jeden Vorwand
zu Feindseligkeiten zu beseitigen. Ludwig versprach
war Friede und Freundschaft zu halten, griff ihn
Iber dennoch bald darauf an und toͤdtete ihn im
Treffen mit? eigener Hand. Seinen Zweck erreichte
er'aber nur halb; deun Alarich's Schwiegervater,
der ostgothische Koͤnig Dieterich, welcher in Italien
regierte, eilte mit einem Heere herbei, und brachte
den Franken eine so empfindliche Niederlage bei, daß
dieseiben nur einige Provinzen des westgothischen
Reiches zu behaupten vermochten. Ludwig's Reich
war durch alle diese Siege so groß geworden, daß
er seine Residenz nach Paris verlegte, um mehr
'm Mittelpunkte desselben zu seyn, seine Herrsch-
sucht war jedoch noch immer nicht befriedigt; denn
noch regietten drei fraͤnkische Koͤnige neben ihm.
Auch sie mußten seinen Ranken unterliegen. Wir
erzaͤhlen hier nur, wie er durch den— Untergang des
Koͤngs Sigebert zu Koͤln das Hessenland an
sich gebracht hat. Sigebert war durch eine in der
Sclacht bei Zuͤlpich empfangene Wunde lahm ge⸗
worden und mochte deshalb bei seinen kriegslustigen,
oder vielmehr-beuͤtebegierigen Franken keinen großen
Anhang mehr haben. Ludwig gab daher dem Sohne
desfelben an die Hand, sich der Regierung zu be⸗
maͤchtigen, und dieser Unmensch ließ seinen alten
Bater, welcher Ludwig's Raͤnke ahnend sich nach
Hessen fluͤchtete, unterwegs, waͤhrend er in seinem
Zelte einen Mittagsschlaf hielt, durch einige Schurken
ermorden. Nun raͤumte Ludwig aber auch den un⸗
natuͤrlichen Sohn durch Meuchelmoͤrder aus dem
Wege und stellte sich bei dem Allen so unschuldig,
daß ihn das Volk ohne Weiteres als Koͤnig an—
rkannte. Auf aͤhnliche Weise eignete er sich die
daͤnder der beiden anderen Koͤnige zu und hinterließ
dann, bei seinem im Jahre 611 ersolgten Tode, das
blutbefleckte Zepter seinen vier Soͤhnen.
unsere Leser werden dabei gewiß die Frage auf—⸗
wverfen, was denn seine christlichen Lehrer zu solchen
Thaten sagten? O! die waren ganz zufrieden mit
hm, weil er das im Glaubensbekenntniß angedeutete
Berhaͤliniß des Sohnes Gottes zum Vater mit den
Worten der roͤmischen Kirche und nicht, wie
die Westgothen, mit den Worten des Prie—
sters Arius bekannte. Ja, der christliche
Bischof, welcher uns die an Sigebert von ihm
derübte Greuelthat umstaͤndlich uͤberliefert hat, findet
sich dabei zu folgender Bemerkung veranlaßt: „So
zab ihm Gott laͤglich seine Feinde in seine Hand
ind vermehrte sein Reich, weil er mit rechtem
Herzen vor ihm wandelte, und that, was
wohlgefaͤllig war in seinen Augen.“ Sehet,
so weit kann sich der Mensch verirren, wenn ihm
der Buchstabe des Glaubensbekenntnisses mehr gilt
als christliche Gesinnung
Der Herr aber hat des Vaters Missethat um so
trenger heimgesucht an dessen Kindern und Kindes—
zindern; denn diesen, vererbte Ludwig mit dem
zroßen Reiche auch seine Laͤndergier und seine Moid—
ucht, so daß die Geschichte dieser Koͤnigsfamilie,
velche von ihrem Stammvater Meroveus die
nerovingische genannt wird, ein fast ununter—⸗
»rochenes Trauerspiel von Bruder-, Kinder- und
Verwandtenmord darbietet, bis endlich, nach etwa
wei Jahrhunderten, die Familie Karldes Großen
zur Regierung kam und der letzte Sproͤßling Lud⸗
wig's im Kloster endete.
Nach Ludwig's Tode ward nun das Reich unter dessen
ier Soͤhne, und zwar nach den damaligen Ver—
zaͤltnissen ziemlich gleich vertheilt; dem Umfange nach
varen diese vier Theile aber sehr verschieden; denn
das erste Loos umfaßte die saͤmmtlichen deutschen
raͤnder der Franken, nicht nur diesseits des Rheins,
ondern auch den Elsaß, die Moselgegenden und
ie Niederlande, und ward durch den Ramen Austra⸗
ien oder Ostfrankenreich von den drei uͤbrigen
deichen, welche alle zusammen Neustrien oder
Neufrankenreich genannt wurden, unterschieden.
Auf diese Weise ward fuͤr die welschen Laͤnder jenseits
Fes Rheins der Name Frankreich uͤblich statt
Zallien, und statt Austrasien sagte man spaͤte
Deutschiand, waͤhrend der Name Frankenland
ur fuͤr die Maingegenden beibehalten wurde. Freilich
zam Deutschland und Frankreich noch oft unter
Tinen Heirscher, aber im Inneren blieben sie doch
getrennt, und Hessen, welches zum Ostfranken—
reiche gehoͤrte, hatte mit den anderen drei Reichen
wenig oder nichts mehr zu schaffen.
Warum achtete man aber wohl die saͤmmtlichen
deutschen Laͤnder Ludwig's, die doch viel groͤßet
varen als das welsche Gebiet, welches er erobet!
Jatte, fuͤr so gering, daß sie bei der Theilung nur
cuͤr ein Viertel des ganzen Reiches galten? Dafuͤ
assen sich drei Gruͤnde anfuͤhren: Erstens besaß
der Koͤnig in den eroberten Laͤndern mehr Kron—
Juͤter, als in dem urspruͤnglichen Frankenlande, denn
Zei der Eroberung hatte er ja soviel fuͤr sich behalten
zoͤnnen, als er nur wollte; zweilens zahlten die Ein—⸗
vohner in den eroberten Provinzen unstreitig meh
As in Deutschland, wo dem Koͤnige nur gewiss
Beschenke gegeben zu werden pflegten; und dritten⸗
vaten die Lander, welche die Roͤmer vorher inne
zehabt hatten, viel mehr angebaut und bei weiten
zeicher als die Laͤnder diesseits des Rheins, wo wn
uind breit noch keine Stadt zu sehen war, wo m
hon Handwerken und Kuͤnsten noch nichts wußte
iberhaupt in Unwissenheit und Heidenthum versuns⸗
var. Dazu kam, daß die angesehensten und tuch