Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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Ein sechster Vortheill liegt in der durch gute 
Straßen moͤglich gemachten Kostenersparniß zur 
Erhaltung des Schiffs und Geschirrs. Es soll einmal 
eine Zeit gewesen seyn, (und vielleicht ist sie, wenn 
auch nicht so offen ausgesprochen, hier und da noch 
vorhanden) wo die schlechten Wege auf dem 
dande zum Gegenstand einer Speculation 
der Wirthe, der Schmiede u. se w. gemacht 
wurden, aber absichtlich ist diese Zeit gewiß nicht 
mehr da. Sollte sie dagegen zufaͤllig oder in Folge 
von Gleichguͤltigkeit und Nachlaͤssigkeit ihr Daseyn 
noch aͤußern; sollte es von Einzelnen und ganzen 
Gemeinden nicht beachtet werden, welche vermehrte 
Ausgaben und welche wohl zu vermeidende Verluste 
in Vieh, Schiff und Geschirr aus dem Mangel des 
gneten Anbaues der Land⸗ und Feldwege ent— 
dehen; so moͤgen sie sich ihren Schaden selbst bei⸗ 
nmessen und ihn tragen, so lange bis sie klug werden. 
zu dem Letzteren bedarf es oͤft nur ein es voran⸗ 
zehenden Beispiels und wir wuͤnschen es jedem Orte, 
dem es leider Noth thun sollte, zur eifrigen Nach— 
folge, um eines Vortheils, der sich auf der Stelle 
uͤhlbar in der Tasche oder im Geldbeutel zeigt, theil⸗ 
aftig zu werden. 
Vom Gewinn an Zeit und von Ersparung un⸗ 
nuͤtzer Kosten ist bisher geredet worden; aber auf 
inen weiteren, in seinen Folgen vielleicht noch groͤßeren, 
Vortheil muß ich aufmerksam machen, naͤmlich: 
siebentens auf die Erweckung eines gewis— 
sen Schoͤnheitssinnes oder eines Gefuͤhls, das 
dazu beitraͤgt, uns vor uns selbst auszuzeichnen und 
damit auch vor Anderen. 
An dieser Stelle, meine Freunde! kann ich noch 
uicht so leicht und gleich von euch scheiden, indem 
ich einen Gegenstand beruͤhre, fuͤr den ich besonders 
empfaͤnglich machen moͤgte. 
Wenn ein Wanderer, gleichviel ob zu Fuß, zu 
Roß oder zu Wagen, ob 'aus der Ferne oder aus 
der Naͤhe, zu einem Orte gelangt, auf Wegen, die 
ihm jedes Fortkommen erschweren oder wenn er nun 
eintritt in den Ort selbst und sieht, wie es oft kaum 
moͤglich ist, daß dort ein Nachbar zu dem anderen 
Jelangen kann, ohne in Schmutz zu versinken oder 
durch Tuͤmpel von Schlamm und stehendem Wasser 
vaden zu muͤssen; wenn er sieht und fuͤhlt, daß 
Vrcheinander geworfene oder zerstreuete Steine die 
Stelle einer Siraße bezeichnen sollen und er damit 
in so ziemlich gleichem Verhaltniß die naͤchsten Um— 
debungen der einzeinen Haͤuser und Gehoͤfte erblickt, 
schmutzig und modrig, aͤlle Sinne widtig oder un— 
angenehm beruͤhrend, dann faͤllt der Schluß, den er 
von den Eigenschaften der Einwohner zu machen 
gezwungen ist, gewiß nicht zu ihrer Gunst aus. 
„Seht, Freunde! es hat seine ganz eigne Bewand⸗ 
— mit dem Gefuͤhl und mit dem Sinn fuͤr das 
Schoͤne, füͤr das, was dem Auge wohlthut, das 
Herz erfreut und dem Menschen ane gewisse boͤhere 
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Stellung und Selbstachtung verleiht und — diesen 
Sinn zu erwecken und zu naͤhren ist eine Pflicht, 
die unter der Zahl der sittlichen Obliegenheiten sehr 
hoch steht. Der Mensch, der auf sein Aeußeres nichts 
haͤlt oder dem der schlechte und mangelhafte Zustand 
einer naͤchsten Umgebungen, in denen er sich taͤglich 
bewegen muß, gleichguͤltig ist, muß mit Recht 
zedauert werden. Ihm stehen die widrigen Lebens⸗ 
chicksale in gar manchen Beziehungen naͤher als 
dielen Anderen; er versinkt in eine gewisse Gleich⸗ 
zuͤltigkeit, die aus dem Mangel an Achtung fuͤr sich 
selbst entsteht; er versinkt in den sittlichen Schlamm. 
Ordnung und Reinlichkeit koͤnnen in und um jeder 
Huͤtte herrschen; auch der Aermste kann diese Tugenden 
uͤben und ihre uͤberreichen Folgen genießen, waͤhrend 
sie beitragen, ihm seine Armuth weniger fuͤhlbar 
zu machen. 
Und nun denkt euch, meine Freunde! eine ganze 
Gemeinde, gleichviel ob groß oder klein (da hier 
immer mit vereinten Kraͤften gehandelt werden 
kann); denkt sie euch, wie die Wege, die zu ihr hin 
fuͤhren, mit Freude und Leichtigkeit zuruͤckgelegt wer⸗ 
den; denkt sie euch, im Innern mit geeigneter 
Pflasterung oder Chaussirung versehen, wie so viele 
Mißstaͤnde oder widrige Anblicke dadurch entfernt 
verden, wie rein und heiter es da aussieht, wie 
euch das selbst — abgesehen von allen den fruͤher 
angefuͤhrten Vortheilen — mit Lust und mit einem 
zewissen Stolz erfuͤllt, und wahrlich, ihr werdet diesen 
Vortheil, der zugleich euer Gefuͤhl in Anspruch nimmt 
und euch auf eine hoͤhere Stufe fuͤhrt, zu gewinnen 
suchen. 
Glaubt mir dabei, daß, wenn auf solche Weise 
erst ein Anfang gemacht ist — und der Anfang ist 
in der That hier weder schwer noch kostspielig — 
bieles Andere folgt, was zu eurem Heil und Nutzen 
das Reich des Schoͤnen und Gefaͤlligen unter euch 
nehren wird. Dahin rechne ich die innere Einrich⸗ 
ung und aͤußere Ausstattung der Gebaͤude, Alles — 
vie sich von selbst versteht — nach Maasgabe der 
dazu vorhandenen Kraͤfte; eine passende, selbst nach 
Moͤglichkeit verschoͤnernde Gestaltung der naͤchsten 
Amgebung und noch vieles Andere, dessen Ausfuͤhrung 
zierher nicht zun aͤch st gehoͤrt. Nur das zum Schluß; 
hr werdet euch wohl und behaglich fuͤhlen; ihr 
werdet Ersatz finden fuͤr manche andere nothwendige 
Entbehrungen; ihr werdet euch hoͤher achten lernen 
ind dadurch mehr und mehr das Sittengesetz in 
zurer Brust kraͤftigen, wenn ihr euren Wohnplatz 
freundlich und zugaͤnglich macht, wenn ihr eure Um⸗ 
zebung reinlich haltet, wenn euer Auge ringsumher 
aur der Ordnung begegnet — und seht, Freunde! 
dies Alles kostet zum Theil gar kein Geld, nur gewisse 
oereinte persoͤnliche Leistungen und zum Theil sind 
die Ausgaben, allmaͤhlich und verhaͤltnißmaͤßig ver— 
wendet, nicht von namhafter Bedeutung.
	        
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