Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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derrhein richteten, scheinen in dieser Zeit die 
Chatten eins der angesehensten Voͤlker gewesen zu 
sein; wenigstens waren von den drei Heerfuͤhrern, 
Benobaudes, Markomer und Sunno, welche 
ums Jahr 888 als Koͤnige und Herzoge der Fyan⸗ 
ken genannt werden, die beiden letzieren zweisch at⸗ 
tische Fuͤrsten. Zufaͤlligerweise stand zu derselben 
Zeit einer ihrer Anverwandten, Namens Arbogast, 
welcher sich mit ihnen uͤberworfen und roͤmische Dienste 
Fhommen hatte, nicht nur bei dem damaligen Kaiser 
Theodosius in hoher Gunst, sondern war auch 
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Uneigennuͤtzigkeit vor allen andern Feldherrn beliebt. 
Als daher in Gallien eine Empoͤrung ausgebrochen, 
und in deren Folge Gratian, der Mitregent des 
Kaisers Theodostus, ermordet worden war, schickte 
dieser den Franken Arbogast als Oberbefehlshaber 
nach Gallien, um den juͤngeren Bruder des Ermor⸗ 
deten, Valentinian 11. dort als Kaiser einzu⸗ 
fuͤhren und ihn mit seinem Rath und seiner Erfaͤh⸗ 
rung zu unterstuͤtzen. Die Franken, welche diese 
Streitigkeiten der Roͤmer gern benutzten, waren inzwi⸗ 
schen unter den obengenannten drei Heerfuͤhrern bei 
Koͤin uͤber den Rhein gegangen und haͤtten die ganze 
Begend bis nach Belgien gepluͤndert. Eine Abthei⸗ 
ung, wahrscheinlich die des Genobaudes, der 
spaͤter nicht mehr genannt wird, war im Ardenner⸗ 
valde von den Roͤmern fast aufgerieben worden, die 
uͤhrigen aber hatten nicht nur ihre Beute gluͤcklich 
fortgeschafft, sondern auch den roͤmischen Befehls⸗ 
sjaber zu Trier, welcher sie uͤber den Rhein hin zu 
verfolgen gewagt hatte, sammt seinem Heere nieder⸗ 
gemacht. 
Arbogast gedachte nun bei dieser Gelegenheit an 
den beiden ihm verhaßten chattischen Fuͤrsten Rache 
zu nehmen, und schlug dem Kaiser vor, bei den 
Franken auf Herausgabe der geraubten Gegenstaͤnde 
und auf Auslieferung dieser Fuͤrsten zu dringen. 
Letztere scheueten sich indessen nicht, persoͤnlich vor 
Valentinian zu erscheinen, der ihren Gruͤnden, 
daß sie durch einen Kriegszug gegen die Empoͤrer 
keineswegs den Frieden gegen den Kaiser gebrochen 
haͤtten, wohl Gehoͤr geben mochte; es kam wenig⸗ 
tens ein neuer Frieden zu Stande. Dennoch versuchte 
Arbogast nach einigen Jahren, als er durch eine 
Empoͤrung gegen seinen Kaiser zur unbeschraͤnkten 
Bewalt gekommen war, seinen Vorsatz auszufuͤhren. 
Im spaͤten Herbst, wo die entlaubten Waͤlder den 
Feinden nicht mehr zu Schlupfwinkeln dienen konn⸗ 
ten, drang er in der Ruhrgegend vor. Aber Mar⸗ 
komer begnuͤgte sich, ohne eine Schlacht zu wagen, 
die entfernteren Hoͤhen mit seinen Franken besetzt zu 
halten, so daß Arbogast sich unverrichteter Sache 
zuruͤckziehen mußte. Auch schloß er bald darauf Frie⸗ 
den, weil der Kaiser Theodosius ihn wegen seiner 
Empoͤrung mit Krieg uͤberzog, in welchem er den 
oerdienten Untergang fand. 
Nach dem Tode des Kaisers Theodosius, im 
dahr 895, ward das roͤmische Reich unter dessen 
»eide Soͤhne getheilt. Arkadius, welcher 18 Jahre 
ilt war, erhielt das Morgenland mit der Wesidenz 
donstantinopel, und der 1tjaͤhrige Honorius 
ie Abendlaͤnder: Italien, Spansen, Gullien 
ind Brittannien, spaͤterhin England genannt. 
Als Reichsverweser für den unmuͤndigen Honorius 
egierte Stilicho, ein tapferer Feldherr aus deut⸗ 
chem Geschlecht. Dieser bereiste alsbald den Rhein, 
chloß mit den Alemannen und Franken Frieden, 
ind wußte insbesondere auf diese einen bedeutenden 
kLinfluß zu gewinnen. Durch ihn scheint naͤmlich die 
hattische Fürstenfamilie den Oberbefehl verloren 
u haben, und dagegen ein sigambrischer Fuͤrsten⸗ 
amm emporgekommen zu sein; denn Markomer 
erieth in die Gewalt der Roͤmer, und lebte als Ver⸗ 
annter in Italien, waͤhrend sein Bruder Sunno, 
ner ihn zu raͤchen gedroht hatte, durch fraͤnkische, ge⸗ 
viß von den Roͤmern bezahlte, Meuchelmoͤrder starb. 
Dagegen traten die Sigambern mit den Roͤmern 
n nahere Verbindung, nahmen roͤmische Kriegsdienste 
ind selbst ihre Fuürsten, die ebenfalls Koͤnige genannt 
vurden, ließen sich ein abhaͤngiges Verhaͤltniß zu 
den Kaisern gefallen. 
So ward denn nochmals, und zwar zum letzten 
Male, die roͤmische Macht am Rhein wieder herge⸗ 
dellt, und der dem Waffendienste entfremdete Gal— 
ier, seit vier Jahrhunderten an die Nachtarschaft 
»er kriegerischen Oeutschen gewoͤhnt, vergaß d.e nahe 
rohende Gefahr im Genusse des uͤppigsten Lebens 
ind in einer sorgenlosen Ruͤhe, aus der er nur zu 
ald aufgeschreckt werden sollte. Denn kaum waren 
Jahre in Frieden verflossen, als ploͤtzlich aus dem 
Isten von Deutschland, wo die afiatischen Voͤlker, 
amentlich die Slaven und die Hunnen, die Vor⸗ 
ahren der heutigen Boͤhmen, Polen, Russen 
ind Ungarn immer heftiger vordrangen, ein aus 
ielerlei Rationen zusammengesetzter Heerhaufen von 
nindestens zweimalhunderttausend Mann unter einem 
emeinschaftlichen Anfuͤhrer Radag ais in Italien 
inbrach und alles greulich verheerte. Da sah sid 
Stilicho genoͤthigt, im Jahr 406 alle an der Rhein⸗ 
zrenze lagernden Truppen zum Schutze von Italien 
uruͤckzuziehen; auch gelang es ihm, mit deren Huͤlfe 
ene Voͤlkeyfchaaren zu bewaͤltigen und ihren Anfuͤhret 
u toͤdten. Äber Gallien ward nunmehr der Tum⸗ 
nelplatz einer Menge beutegieriger Voͤlker. Der gueic 
eitige Kirchenvater Hieronymus schreibt in diese 
Beziehung: „unzaͤhůge wilde Nationen haben ga 
ien in Besitz genommen. Das ganze Land zwisch — 
den Alpen und Pyrenaͤen, dem Ocean und den 
Rhein ist von dem Quaden, dem Vandale 
»em Sarmaten, von den Alanen, den Dern 
den, den Herulern, den Sachsen, den 8* 
zjundern, den Alemannen und, o ungluͤckli 
and! von den feindseligen Pannoniecrn 
Dei
	        
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