Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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1836 aber sechszig Millionen Maas Branntwein 
berbraucht waren und daß in 1807 — viettausend 
ierhundert Verbrechen, dagegen zwanzig Jahre 
paͤter zwanzigtausend Verbrechen begangen 
vurden, waͤhrend schon fruͤher (in 1831) ermittelt war, 
zaß (eben so wie in Amerika) vier Fuͤnftel der 
berbrechen dem Trunke zugeschrieben werden 
nußten. 
Es mangelt an amtlichen oder wenigstens an ver⸗ 
Affentlichten Nachweisen, wie es in dieser Beziehung 
njenen deutfschen Staaten, wo der Bra.intwein 
nehr heimisch als das Bier und der Wein ist, aussieht. 
hern will man annehmen, und hat, bei Vergleichung 
inderer Zustaͤnde auch allen Grund zu glauben und 
zu behaupten, daß es da nicht so arg besteilt war oder 
ist, wie in den zuerst genannten Laͤndern, indessen 
gestaltet sich die Gruͤndung und die Befoͤr—⸗ 
derung von Maͤßigkeits-Vereinen in manchem 
eutschen Lande, und auch bei uUuns — Freunde! 
zu einer wohl zu beachtenden oder zu beruͤcksichtigenden 
Aagelegenheit. ... 
Denn seht, die Noth oder Krankheit nimmt zu; 
s wird von dem „boͤsen Wasser“ jetzt vier bis 
fünfmal mehr verbraucht als dies noch vor 80 bis 
0 Jahren der Fall war. Man hat, so ziemlich an⸗ 
jaͤhernd, berechnet, daß doch auch in den nor d⸗ 
deutschen Laͤndern etwa 9 bis 10 Maas jaͤhrlich 
zuf jede Seele (jung und alt) kommen — und das 
st — wie ihr ohne weiteres Wort wohl erkennen 
verdet, eine arge Erscheinung mit noch viel aͤrgeren 
Folgen. Was die letzteren betrifft, naͤmlich die truͤb— 
eligen und die gefaͤhrlichen und die bis zum Tod 
gereichenden Folgen; so bieibe, wie schon angefuͤhrt, 
deren Schilderung und Ausfuͤhrung einem weiteren 
Worte vorbehallen, zu dem ihr das Gegenwaͤrtige als 
em Vorwort annehmen moͤget. — Da soll dann 
jesprochen, aber auch Bewers gefuͤhrt werden von 
)en zerstoͤrenden Einwirkungen des Todwassers auf 
die Sittlichkeit und auf den-frommen Glauben, auf 
ie gesetzliche Ordnung, auf die innere Ruhe und den 
ußeren Frieden, auf die Gesundheit eures Koͤrpers 
ind eurer Seele, und auf die eurer ganzen Nach— 
mmenfchaft, füͤr die ihr hier und jenseits ver— 
Nchtet feyd. Da kann auch die Rede seyn von den 
ilmitieln fuür jeden Einzelnen, waͤhrend ich hier 
noch zie wenigen Worten den kaum zu berechnen— 
9 Einflu auf die V ermoͤgens— Verhaͤltnisse an⸗ 
saten will, den der Verbrauch jenes Getraͤnks zur 
ge hat. — Wenn in einem Lande von 700,000 See— 
eetwa nur sechs Millionen Maas davon ver— 
aucht werden und das Maas durchschnittlich nur zu 
Sgr. gerechnet wird, so kommt eine Verbrauchs— 
Funede eine Ausgabe von anderthalb Mil— 
Sinen Thaler fuͤr die Trinker heraus, d. h. eine 
rme welche mehr betraͤgt, als alle direkte 
sandirekte Steuern, Contribution, Klas— 
euer, Stempel, Zoͤlle, Verbrauchs— 
2 
teuer u. s. w. zusammengenommen, (vdiese 
sind nur zu 1,484,070 Thaler veranschlagkdie wir 
n Kurhessen jaͤhrlich zu entrichten haben. — 
So, liebe Freunde, ist die Lage der Sache beschaffen 
und gewiß werdet ihr mir Recht geben, wenn die 
groͤßte und ausgedehnteste Aufmerksamkeit auf den 
Begenstand, der eine Angelegenheit jedes 
Standes und jedes Alters, jedes Familien⸗ 
haupts und jedes Einzelnen geworden ist, 
gelenkt und befoͤrdert wird. 
Staat und Kirche haben in dieser Beziehung — 
gleich große Verpflichtung und Verantwortlichkeit auf 
ich rusen. Der Staat — um dem Elend und der 
Armuth, um der Neigung zur Halt- und Gesetzlosig⸗ 
keit und einer der Hauptquellen zur Ungebundenheit 
»orzukommen; die Kirche — um, so viel sie ver⸗ 
nag, die Leidenschaften zu zugeln, das Gebiet des 
Blaͤubens zu befestigen und das der Sittlichkeit zu 
erweitern. 
Wenn und wo sich dabei nun noch besondere 
Vereine bilden, die denselben Zweck verfolgen, so 
zehoͤren diese gewiß zu den achtbarsten; sie erscheinen 
ils ein Mittel, das von hoͤherer Vorsicht in die Zeit 
gelegt wurde, um zur Heilung eines großen und taͤg⸗ 
sich mehr gefahrdrohenden Uebels beizutragen. 
Einerunserer Landesfuͤrsten — des ruͤhm⸗ 
ichsten Andenkens — Landgraf. Moriz hatte in 
einer Zeit, wo die Maͤßigkeit auch gerade nicht an 
der Tagesordnung, die Unmaͤßigkeit jedoch wenigstens 
beschraͤnkter war, schon den Gedanken von Vereinen, 
die gegen die Letztere stritten, gefaßt und man kann 
ihn fuͤglich als den Stifter des ersten deutschen 
Naͤßigkeits-Vereins betrachten. Dieser Verein 
war zunaͤchst fuͤr die bestimmt und gebildet, welche 
das große Verdienst und den hohen Standpunkt haben, 
um Allen mit dem besten Beispiel vorangehen 
zu koͤnnen und so stiftete er — am 14. December 
1601 — den Orden der Maͤßigkeit. 
Es ist schon erwaͤhnt, daß die Zahl der Maͤßig⸗ 
keits- oder wohl richtiger de Entsagungs⸗ 
Besellschaften groß ist und daß sie taͤglich mehr zu⸗ 
nimmt. Außer den angegebenen in den vereinten 
Staaten von Nordamerika bestehen dort solche 
seit 10 bis 12 Jahren in Canada und Neufund—⸗ 
sand *). Sie finden sich in dem brittischen Theil 
»on Westindien, da wo der eigentliche Sitz der 
Erzeugung des verderblichen Rum's ist. — In Asien 
zaͤhlt man deren auch, in Ostin dien (in den Staͤdten 
Madras, Bombai u. s. w.) und auf Sumatra. In 
Afrika bestehen sie auf dem „Vorgebirg der 
guten Hoffnung“ und bei denjenigen Hotten— 
fotten, die einen Grad von Bildung angenommen 
haben. Und auch der juͤngste Welttheil Australien 
hat deren aufzuweisen in Neu-Holland und in der 
) Auch bei den Cherokeesen, einem der edelsten und bil—⸗ 
dungsfaͤhigsten (ehemals wilden) Indianerstaͤmme.
	        
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