Erprobtes Mittel, die Kinder zu Luͤgnern zu erziehen.
(nach Salzmann.)
Meister Stephan verstand dieses Mittel aus dem
Grunde, Er ließ nie einen Tag vergehen, ohne seinen
leinen Christian mindestens zu Einer Luͤge anzuhalten.
Hatte Christiaͤnchen etwas zerbrochen und fuͤrchtete
sich vor der strengen Mutter, so belehtte ihn der Papa:
sag' nur, die Katze habe es gethan; und Christiaͤnchen
freuete sich dann nicht wenig, wenn statt seiner die
unschuldige Katze mit dem Besenstiel bewillkommt
vurde. —
Ein andermal wollte das Soͤhnchen gern mit den
Nachbarskindern auf der Straße spielen, aber die
Mutter war ausgegangen und haͤtte gesagt: wenn ich
nach Hause komme, dann muͤssen die Kartoffeln ge⸗
schaͤlt sein, sonst setzt's was. D, meinte dann der
alte Stephan, geh' nur erst ein Stuͤndchen 'naus und
wenn du etwa, nicht ganz fertig wirsi, so sag' der
Mutter, du haͤttest erst noch fuͤr die Schule lernen
muͤssen.
Frau Stephan war auch etwas genau. Bat der
Kleine sie um einen Dreier zu Kirschen oder Erdbeeren,
so hieß es: Pepperlepep, wozu Kirschen fuͤr so 'nen
Jungen. Darum aß er aber doch alle Tage Kirschen
oder Erdbeeren oder andere Naͤschereien; denn der
Vater steckte ihm einen Dreier nach dem andern zu.
Doch sagte er stets dabei: Geh hin und kauf dir etwaͤs!
Laß es aber deine Mutter nicht sehen! Und wenn sie
es etwa doch sehen sollte, so sprich, dein Pathe haͤtte
dir das Geld gegeben.
Christiaͤnchen ging auch nicht gern in die Schule.
Wenn er fort sollte, so klagte er bald uͤber Bauchweh,
hald uͤber Kopfschmerzen, und der Vater ließ ihm das
Alles durchgehen. Kam nun der andere Tag, dann
fuͤrchtete er sich gar; dann hieß es: Ach ich geh' nicht
in die Schule, ich kriege Schlaͤge, weil ich gestern
aicht darin gewesen bin. Naͤrrchen, sagte dann Meister
Stephan, sprich doch nur, du haͤttest gestern muͤssen
Glaubersalz einnehmen. Der Herr Schulmeister muß
das wohl glauben, oder er mag bei mir nachfragen.
Der junge Stephan machte auf diese Weise in kur⸗
zer Zeit die besten Fortschritte im Luͤgen. Er wußte
oft ganze Geschichten, an denen kein wahres Wort
war, zu erzaͤhlen, ohne roth zu werden. Da—
*
aun der Alte und sagte, das ist ein durch
Vogel, der hat den Kopf auf dem rechten
Aber freilich machte er, da er groͤßer wurde, au⸗
nanches Stuͤckchen, das seinem Vater nicht gefiel.
Sonntags fruͤh ging er gemeiniglich in eine Schent
ind sagte bei seiner Zuruͤckkunft, er sei in der Kirch
zewesen. Die Woche hindurch lief er halbe Tage
ang von der Arbeit, unter dem Vorwaud, er so
zu seinem Pathen, zur Base oder zur Großmutte
vommen. Statt dessen saß er in aͤllerlei schlechten
Haͤusern, wo ein Thaler nach dem andern drauf ging
Der Vater vermißte nach und nach Geld, Waͤsche
und Handwerkszeug. Er gab genau Acht, konnte
ber nichts entdecken. Ich muß, sagte er einmal be
Tische, einen Spitzbuben im Hause haben, das kam
aicht anders sein. Den muß ich herauskriegen, es
nag kosten was es wolle. Der junge Stephan ward
veder blaß noch roth. Er nahm den Vatel zur Seite
und zischte ihm ins Ohr: wollt ihr wissen, wer euet
Dieb ist? das ist der Gefelle. Dea laͤßt in allen
Wirthshaͤusern soviel aufgehen, daß die ganze Stadt
davon spricht. Am Sonntag hat er in der Herberge
unter anderen einen Sternthaler gezeigt. Ist Euch
gielleicht ein solcher weggekommen?
Das war genug, uͤm Meister Stephan zu uͤber
zeugen; er griff den Gesellen auf den Diebstahl an
and nannte ihn einen Spitzbuben. Gut, sagte de'
Geselle, der Spitzbube soll Euch theuer zu stehen kom⸗
men, lief auf's Rathhaus und verklagte den Meister
velcher ihm eine Ehrenerklaͤrung thut und m
Strafe dazu erlegen mußte.
Wie es nun zu gehen pflegt. Der Krug geht
ange zu Wasser, bis er zerbricht. Meister Stephan
am nach und nach hinter alle Schelmereien seines
Sohnes. Er schmaͤite, er pruͤgelte, er drohte mit dem
zuchthause; aber es war zů spaͤt! Der ganze Haus⸗
halt kam durch den ungerathenen Sohn in Unordnung
ind Stephan verlor endlich alle seine Kunden. Da
oll er dann in seinem Elend oft geklagt haben: Ich
armer Mann! In alle das Ungluͤck hat mich mein
Junge, der Galgenstrick, gestuͤrzt. Kein wahr Wori
geht ihm aus dem Maui. “Wenn ich nur wuͤßte, wo
er das verdammte Luͤgen gelernt hat?
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Wer fragt, wird beschieden.
Es ritt einmal an einem Wirthshause ein Mann vor⸗
ei, der einen stattlichen Schmerbauch hatte, also,
ã er auf beiden Seiten fast uͤber den Sattel her⸗
exr hing. Der Wirth stand auf der Treppe und
hm nach: „Nachbar, warum habt Ihr dann den
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Zwergsack vor Euch auf das Roß gebunden und nich
zinten?“ „Darum,“ rief der Reiter zuruͤck, „daß ich
hn unter den Augen habe; denn hinten giebt es Spitz
uben.“ Der Wirth sagte nichts mehr.
(Hebel.“