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Toͤchter, deren eine er dem Bruder des Arminius,
die andere, Namens Rhamis, dem Sesithacus,
einem Sohne des Segim ers, zur Ehe gab; ohne Zwei⸗
fel um dadurch —* fernere Freundschaft zwischen
den beiden Voͤlkern zu befestigen. Anfangs waren
aatuͤrlich alle Parteien nur von Haß gegen die Roͤmer
beseelt, und zunaͤchst wurden alle roͤmischen Festungen
auf dem rechten Rheinufer, auch die auf dem Taunus,
dem Erdboden gleich gemacht. Aliso hielt sich am
laͤngsten, da aber die Roͤmer der Besatzung nicht zu
Huͤlfe kamen, so rettete sich diese endlich durch naͤchtliche
Flucht. Ueber den Rhein gingen die Deutschen jedoch
nicht, und deshalb wuchs den Roͤmern, die schon geglaubt
hatten, die Deutschen wuͤrden naͤchstens mit den Gal⸗
liern vereint an den Thoren von Rom stehen, gar
»ald wieder der Muth. Tiberius war auf die erste
Kunde von der erlittenen Niederlage herbeigeeilt, hatte
die Festungen am Rheine besetzt, und wagte schon im
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rechten Ufer des Niederrheins zu unternehmen, indem
er zugleich einen Grenzwall dort anlegte, um die
Deuͤtschen in jener ebenen Gegend wo moͤglich ganz
vom Flusse zu entfernen. Der junge Germanicus,
ein Sohn des Drusus, hatte ihn auf diesem seinem
neunten und letzten Zuge in Deutschland begleitet.
Ihm uͤberließ er nun, als er im Jahre 12 nach Italien
zuruͤckkehrte, den Oberbefehl.
Germanicus hoffte nichts Geringeres, als die
Eroberunngen seines Vaters zu erneuern. Der bejahrte
Augustus schien aber wenig geneigt, waͤhrend seinen
Lebzeiten einen solchen Versuch nochmals machen zu
lassen; doch kaum war derselbe im Jahr 14 gestorben,
als der Krieg auch schon wieder begann, und der neue
Kaiser Tiberius ließ es geschehen, weil er das zu
Unruhen geneigte Heer nicht besser zu beschaͤftigen
wußte. Noch in demselben Jahre uͤberfiel Germanicus
die Marsen, ein Volk am noͤrdlichen Ufer der Lippe,
das an keinen Krieg mit den Roͤmern dachte, und
berheerte ihr Land auf das grausamste. Auch fuͤr
das folgende Jahr sollte der Hauptschlag gegen Nord⸗
deutschland gerichtet werden; zuvor aber wollte er den
Oberrhein vor den Chatten sicher stellen. Er ging
deßhalb im ersten Fruͤhjahr mit 80,000 Mann bei
Mainz uͤber den Rhein, bauete die von seinem Vater
auf dem Taunus errichteten Befestigungswerke wieder
auf, und machte mit den leichten Truppen seines Heeres
einen Streifzug ins Innere des Landes, wo man
zbenfalls auf nichts weniger, als auf einen Ueberfall der
Roͤmer vorbereitet war. Deßhalb drang Germanicus,
ohne Widerstand raubend und pluͤndernd bis zur Edder
oor. Dort suchten ihm die chattischen Krieger den
Uebergang streitig zu machen; jedoch vergeblich! Unter
dem Schuͤtze ihrer Wurfmaschinen und ihrer vorzuͤg⸗
ichen Bogenschuͤtzen schlugen die Roͤmer eine Bruͤcke,
und nun Lrettete sich die ganze Bevoͤlkerung in die
benachbarten Berge. Die Roͤmer aber verbrannten
alle Doͤrfer und Hoͤfe, namentlich Mattium, was
sie als den Hauptort der Chatten bezeichnen, und
vorunter man entweder Maden oder Meetze bei
Budensberg zu verstehen hat. Aus Vorsicht hatte er
einen Theil des Heeres zur Deckung des Ruͤckzuges
zuruͤckgelassen, indessen blieb das Wetter ungewoͤhnlich
zuͤnstig, die Wege waren trocken, und die Feinde so
hbestuͤrzt, daß er ganz unangefochten wieder am Rhein
anlangte.
Waͤhrend der Zeit hatte sein Unterfeldherr Caͤcina
nit 26,000 Mann die Cherus ker beschaͤftigen muͤssen,
damit diese nicht etwa den Chatten zu Huͤlfe kommen
noͤchten, was ihm auch gelang. Weit wichtiger aber
var fuͤr Germanicus, daß die dem Arminius feind—
iche Partei der Cherusker in Folge dieses Zuges wie—
der voͤlliges Vertrauen zu der Macht der Roͤmer faßte,
ind sich ihm ganz in die Arme warf. Die schon
oben erwaͤhnte Eifersucht des Segestes gegen Ar—
minius hatte naͤmlich dadurch neue Nahrung bekom—⸗
nen, daß dieser des Segestes Tochter, Thu snelda,
entfuͤhrt und gegen den Willen des Vaters geheu—
rathet hatte. Wegen dieses Gewaltschrittes war es bereits
ur offenen Fehde zwischen den beiden Fuͤrsten gekom⸗
nen, und eben jetzt hatte Segestes zwar seine Tochter
hrem Manne wieder entrissen, ward aber von dessen
Anhang in seiner Burg *) belagert und so bedraͤngt,
»aß er den Germanicus durch eine Gesandtschaft um
Huͤlfe bitten ließ. Gern erfuͤllte dieser seine Bitte; er
jog selbst mit dem Heere nach dem bezeichneten Orte,
ind fand bei dem Segestes nicht nur dessen Tochter
Thusnelda ' (die es uͤbrigens mehr mit ihrem Manne
zielt, als mit ihrem Vater), sondern auch die chat—⸗
iische Fuͤrstentochter Rhamis, deren Gemahl Sesi⸗
hacus sich mit seinem Vater Segimer nach einiger
zeit den Roͤmern nun auch wieder ergab. Selbst Fla⸗
dius, des Arminius eigener Bruder, trat zu Ger⸗
nanicus uͤber, und dadurch scheint dann auch dessen
Schwiegervater, der chattische Fuͤrst Akrumer, gegen
Hermann eingenommen worden zu seyn, wenigstens
var es ein Chattenfuͤrst, Namens Gandestrius—
zielleicht ein Sohn des Akrumers, welcher vier Jahre
paͤter von dem Kaiser Tiberius Gift verlangte, um
amit Hermann, den die Roͤmer selbst den Befreiet
Deutschlands nannten, heimlich aus dem Weget
zu raͤumen.
Germanicus zog noch in demselben Jahre mit ser
nem ganzen Heere gegen Hermann, dem nicht nur die
Nasse des cherukischen Volkes treu geblieben, sondern
zuch von allen Nachbarvoͤlkern Huͤlfe zugeschickt war.
Die Roͤmer konnten auch keinen Vortheil uͤber ihn
erlangen. Nicht weit von dem Schlachtfelde des Varus.
wo Germanicus erst den noch unbegrabenen Gebeinen
Da außerdem nie von einer Burg bei den alten Deut
schen die Rede ist, so waͤre es auch moͤglich; daß er sich
mit den Seinen in das von den Roͤmern verlassene Kastel
Aliso haͤtte gefluͤchtet gehabt. Wir finden wenigstens die
Roͤmer nachher wieder im Besitz dieser Festung, ohne das
sie etwas von der Wiedereroberung derselben erzaͤhlen.