28
sich in dem offenen Lande, und gewissermaßen unter
den, Thoren von Mainz mit den Roͤmern zu messen,
so brachen sie mit Weibern und Kindern auf und
zogen sich mehr nordwaͤrts, wo das von ihnen ein—
genommene Land der Ubier an ihre neuen Bundes—
zenossen die Sigambern, grenzte. Drusus griff nun
eide Voͤlkerschaften an und trug auch den Sieg
davon, wenigstens mußte sich ein Theil derselben den
Roͤmern unterwerfen *).
Im Jahr 9 v. Chr. trat er dann seinen Haupt⸗
zug in das mittlere Deutschland an, wo außer
den Chatten und den Cheruskern noch die suevi—⸗
schen Voͤlkerschaften unbesiegt waren. Unter diesen
letzteren waren die Markomannen am oberen
Main die maͤchtigsten, die uͤbrigen Volksstaͤmme,
welche im gegenwaͤrtigen Sachsen bis an die Elbe
wohnten, standen theils mit den Markomannen
theils mit den Cherus kern im Bunde. Ob Drusus
im Lahn⸗ und Fuldathal Hessen durchzogen hat, oder
ob er nur durch das —— gegangen ist, das
laͤßt sich aus dem kurzen Bericht der Roͤmer nicht
mit Gewißheit entnehmen, nur so viel wissen wir,
daß ihnen die Chatten jeden Fußbreit Landes streitig
gemacht haben, und erst nach vielen blutigen Gefechten
der Uebermacht gewichen sind. Aus dem Chattenlande
zog er weiter gegen die Markomannen, errichtete,
nachdem er auch diese geschlagen hatte, ein großes
Siegesdenkmal auf einem Huͤgel, wie es scheint nicht
weit von der fraͤnkischen Saale, und wendete sich nun
wieder noͤrdlich nach den Cheruskern, indem er
durch das Werrathal herabzog, diesen Fluß, der
damals noch bis zu seiner Quelle Weser genannt
wurde, uͤberschritt und, uͤberall siegreich, bis zur Elbe
vordrang. Hier, so erzaͤhlen die Roͤmer, trat ihm
ploͤtzlih eine weibliche Gestalt entgegen, warnte ihn
in lateinischer Sprache vor weiterem Vordringen und
verkuͤndete ihm seinen nahen Untergang. Drusus war
nun zwar nicht aberglaͤubisch, aber dieser blutige Feld⸗
zug hatte schon lange genug gedauert, um wieder an
den Ruͤckweg zu denken, auch hatte er ja die Elbe, bis
zu welchem Fluß noch kein Roͤmer gedrungen war, gluͤck—
lich erreicht. Er begnuͤgte sich daher, diefe Stelle durch
ein Denkmal zu bezeichnen und brach mit dem Heet
wieder nach dem Rheine auf. Bis uͤber die Saͤale
hin ging alles gluͤcklich, dann aber brach er durch
einen ungluͤcklichen Sturz mit dem Pferde das Bein,
dergestalt, daß an ein Weiterreisen nicht zu denken
war. Das Heer verschanzte sich in einem Lager, man
schickte Eilboten nach Italien, und schon am dreißigsten
Tage erschien Tiberius, nachdem er Tag und Nacht
theils gefahren und theils geritten war, am Schmer⸗
zenslager seines Bruders, doch nur noch zeitig genug,
um ihn sterben zu sehen. In tiefer Trauer zog nun
— —
N Spaͤter erscheint auch wieder ein chattischer Volksstamm,
die Mattiaker, zwischen dem Rhein und der roͤmi⸗
schen Landwehr, als Bundsgenosse der Roͤmer.
das Heer die Soldaten trugen seine Leicht
erst nach Mainz, wo ein Ueberrest des zu seinem
Andenken errichteten Denkmals, naͤmüch der sogenannte
Lichelstein, noch jetzt zu sehen ist, und dann nach Rom.
Wie sehr diese kuͤhnen Zuͤge des Drusus die deut⸗
chen Voͤlker entmuthigt haben muͤssen, das geht daraus
deutlich hervor, daß nicht nur das Lager des kranken
Drusus unangefochten blieb, sondern daß auch Tiberius,
fast ohne Gefolge und nur von Einem deutschen
Fuͤrsten begleitet, vierzig Meilen weit durch das eben
eroberte Land ohne Gefahr reisen konnte. Als ei
daher im folgenden Jahre abermals mit einem —R
uͤber den Rhein zog, schickten alle benachbarten Voͤl⸗
kerschaften Gesandte und baten um Frieden; die der
—A—
Willen sein mochten, wurden in Gallien festgehalten
und nahmen sich aus Verzweiflung selbst das Leben.
Darauf ward dann auch ein großer Theil dieses Vol⸗
kes uͤber den Rhein geführt und neben den schon
ruͤher dahin verpflanzten Ubiern angesiedelt. So be—
»aupteten die Roͤmer durch Verrath, List und Gewal
eitdem ein entschiedenes Uebergewicht uͤber alle die
zenannten deutschen Volksstaͤmme, und diese schienen
endlich sogar an der bequemeren und gebildeteren
Lebensart der Roͤmer Geschmack zu finden; wenigstens
raten selbst die jungen Fuͤrsten der Markoimannen und
Cherusker in roͤmische Kriegsdienste, nahmen roͤmische
Namen und Wuͤrden an und erwarben sich zum Theil
eine voͤllig roͤmische Bildung. So viel wir aus ven
Berichten der Roͤmer wissen, hielten sich die Chatten
in dieser Beziehung unabhaͤngiger, und es findet sich
zuch keine Spur, daß die Roͤmer uͤber den Taunui
hinaus ein Castell oder ein befestigtes Lager im Hessen⸗
lande gehabt haͤtten.
Die deutschen Fuͤrsten, welche auf diese Weise be—
den Roͤmern in die Lehre gingen, versaͤumten indessen
nicht, das Erlernte zu ihrem eignen Nutzen und
zegen die Roͤmer in Anwendung zu bringen. Den
Anfang machte Marbod, ein junger Fuͤrst der Mar⸗
komannen, dessen koͤrperliche und geistige Vorzuͤgt
die Roͤmer nicht genug zu ruͤhmen wissen. Sobal'
er die roͤmische Macht genauer hatte kennen lernen,
uͤberzeugte er sich leicht, daß sein Volk, welches haupt—
saͤchlich zwischen der Donau und dem Maine wohnte-
in dieser Gegend, wo es den Angriffen der Roͤmen
von drei Seiten ausgesetzt war, nicht laͤnger bleiben
onnte, ohne sich denselben ganz zu unterwerfen. Ei
aßte daher den kuͤhnen Entschluß, mit dem ganzen
Volk nach Boͤ hmen auszuwandern, welches rings von
yohen Bergen umgeben ist und deßhalb auch leicht
zegen die Roͤmer vertheidigt werden konnte. Sein
Vorschlag fand Beifall, die bisherigen Bewohner von
Boͤhmen wurden vertrieben, uͤnd' Marbod gruͤndete
daselbst ein maͤchtiges Reich und erbaute sich eine
Residenz nach roͤmischem Muster. Es war dies die
erste deuische Stadt zwischen dem Rhein, der Donau und
er Ostsee. Durch diese Auswanderung bekamen dann