Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

Dec. 
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Hessen in den ältesten Zeiten— 
Wie sah es wohl in den aͤltesten Zeiten in unserem 
Hessenlande aus? Wenn du, lieber Leser, dir wohl 
nanchmal diese Frage aufgeworfen und dir eine moͤg⸗ 
ichst kurze und buͤndige Antwort darauf gewuͤnscht 
ust, so soll dir dieser sehr billige Wunsch zuům neuen 
Jahre in Erfuͤllung gehen; denn was man mit einiger 
Sicherheit davon weiß, das steht in den nachfolgenden 
Zeilen zu lesen. 
Das Land an sich hat seit Menschengedenken 
vohl keine sehr merkliche Veraͤnderung erlitten. Zwar 
ehen wir aus den versteinerten Ueberresten von Fischen 
ind andern Seethieren, welche sich noch jetzt auf unsern 
hoͤchsten Bergen finden, daß auch diefes Land einst 
janz unter Wasser gestanden hat, und untetirdisches 
jeuer kann auch nicht gefehlt haben, denn woher kaͤmen 
onst die vielen Kohlenlager, welche wir uͤberall unter 
der Erde finden, und die vielen Basaltkuppen, die, 
ius der Erde emporgetrieben, noch heutiges Tags wie 
erkaltete Schluͤcken aussehen? Aber als die ersten 
Nenschen ihren Fuß in diefe Gegenden setzten, da 
varen jene hohen Gewaͤsser gewiß laͤngst verlaufen, 
und das unterirdische Feuer wohl auch schon ganz er⸗ 
oschen, und was sich feitdem in dem Lande veraͤndert 
hat, das ruͤhrt unstreitig groͤßtentheils von Menschen⸗ 
jaͤnden her. 
Haͤtte nun einer unserer Vorfahren, gleichwie Moses 
und Josua bei dem Einzug der Israeliten in das ge⸗ 
obte Land, Alles genau aufgeschrieben, was * 
egeben haben mag, als das uͤrspruͤngliche Volk der 
dessen fich an der Fulda, Edder und Lahn 
uerst niedergelassen hat, dann wuͤrde diese Erzaͤhlung 
ijel genauer und umstaͤndlicher ausfallen koͤnnen. 
Schreiben konnten aber unsere Vorfahren damals wohl 
och gar nicht, wenigstens haben sie die eigentliche 
Schreibkunst erst viel spaͤter, bei der Bekehrung zum 
hristenthum erlernt, und wenn sie auch, wie andere 
iten Voiker, die Thaten ihrer Vorfahren in Liedern 
esungen und so Jahrhunderte lang von Geschlecht zu 
weschlecht aufbewahrt haben moͤgen, so sind doch auch 
ie nicht bis zu uns geiangt, und deshalb wissen wir 
n diesen alleraͤltesten Zeiten durchaus nichts 
Zewif ses. Spaͤtere Schreiber haben zwar allerlei 
Lermuthungen aufgestellt, auf welche Weise die Deut⸗ 
chen und namentlich die Hessen von Noah abstam⸗ 
nen, und wie sie nach vielen Wanderungen in ihre 
egenwaͤrtigen Wohnsitze gelangt sein sollen. Wir 
vollen uns indesfen mit bloßen Erdichtungen hier nicht 
aeben; wer daran Vergnuͤgen findet, der mag diese 
hrchen im sechsten Theil von Johann Just. 
inkelmanns Hessifcher Chronik nachlesen, 
vo ie ausfuͤhrlich erzaͤhlt sind. 
„ie ersten und einigermaßen zuverlaͤssigen Nach⸗ 
ichten uͤber die Bewohner des gegenwaͤrtigen Hessen⸗ 
andes haben wir durch ihre Hauptfeinde, durch die 
Roͤmer, erhalten, welche Deutschland gern erobern 
vollten, und zur Zeit wo Christus geboren ward, 
also vor 1842 Jahren, auch schon ziemlich festen Fuß 
in dem Lande zwischen dem Rhein und der Elbe gefaßt 
)atten. Etwa 58 Jahre vorher war der roͤmische 
Feldherr Julius Caͤsar mit einem maͤchtigen Kriegs⸗ 
jeer uͤber die Alpen nach Frankreich gekommen, welches 
»amals Gallien hieß, und hatte nach achtjaͤhrigen 
daͤmpfen dieses Land voͤllig unterworfen. Dabei 
and er dann auch Gelegenheit, den Rhein zu uͤber⸗ 
chreiten. Die eigentliche Veranlassung dazuͤ gaben 
hm die damaligen Bewohner des Hessenlandes, von 
den Roͤmern Chatten genannt, ein streitbares Volk, 
velches zu der Zeit seine westlichen Nachbarn gar hart 
yedraͤngte. Zwischen den Chatten und dem Rhein 
aßen naͤmlich noch vier Voͤlkerschaften: die Ubier 
»om Main bis zu der Muͤndung der Lahn und noch 
aruͤber hinaus; von da die Sigambern bis zur 
Sieg und zur Ruhr, und wahrscheinlich mehr land⸗ 
einwaͤrts, in der Naͤhe von beiden, die Usipier und 
Tenkterer. Mit allen diesen standen die Chatten 
n keinem guten Vernehmen, vielmehr hatten sie mit 
andern Voͤlkerschaften, welche jenseits des Thuͤringer⸗ 
valds und um die Rhoͤn wohnten, einen Bund ge⸗ 
schlossen und fuͤhrten deshalb auch einen allgemeinen 
Bundesnamen Sueven, unter welchem sie dem 
Taͤsar als eine große Nation geschildert wurden, die 
alljaͤhrlich mit 100,000 Mann in den Krieg ziehe. 
Hestuͤtzt auf diese Macht breiteten sich die Chatten nun 
mmer mehr nach dem Rhein hin aus. Fruͤher hatten 
ie schon, in Folge von innern Streitigkeiten, einen 
thattischen Volksstamm aus dem Lande getrieben, 
der sich laͤngs dem Rheine hin durchschlug und in dem 
damals noch unbewohnten Holland niederließ, wo 
diese Chatten unter dem Namen Bataver ein be— 
uͤhmtes Volk geworden sind. Dann hatten sie die 
Usipier und Tenkterer sich erst zinsbar gemacht, 
ind zuletzt ganz aus ihren Wohnsitzen verjagt, so daß 
die ebenfalls mit Weibern und Kindern nach der 
Niederrhein ziehen mußten. Diesen ging es aber nicht 
o — wie den Batavern, denn als sie auf dem 
inken Rheinufer angelangt waren, wurden sie von 
Julius Caͤsar verraͤtherisch uͤberfallen und groͤßten⸗ 
heils niedergemacht. Nun schienen die Ubier an der 
Reihe zu sein, wenigstens mußten sie dem suevischen 
Bunde auch bereits einen jaͤhrlichen Zins zahlen, und 
ielten sich selbst nicht mehr sicher in ihrem Lande. 
Sie machten deshalb mit den Roͤmern ein Buͤndniß, 
kellten diesen Geiseln als Unterpfand ihrer Treue, und 
zaten den Caͤsar, er moͤge nur einmal mit seinem Heer 
iber den Rhein kommen, damit die Sueven saͤhen, 
»aß es den Roͤmern Ernst sei, ihre neuen Bundes⸗ 
enossen zu schuͤtzen. Sie boten ihm zu diesem Zwecke 
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