Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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recht aberlegt und reiflich erwogen werden, wie man 
das Uebel abstellen kann, ohne dem Andern sowohl 
als sich selbst auch nur Einen unangenehmen Augen⸗ 
blick zu bereiten. Wer diese Kunst am besten ver— 
steht, der ist im Ehestand Meister, und dem wird 
derselbe auch nie zum Wehestand werden. 
) Sofern nun beide Gatten die vorstehenden Re⸗ 
geln gewissenhaft beobachten, so geht unser Neujahrs⸗ 
vunsch unfehlbar in Erfuͤllung, und es wird auch 
heiden die Befolgung dieser Vorschriften so leicht 
werden, daß sie sich gar nicht versucht fuͤhlen, die— 
selben zu uͤbertreten; denn wer waͤre nicht von selbst 
eneigt demjenigen mit Freundlichkeit und Zuvor⸗ 
kommenheit zu begegnen, welcher nur darauf bedacht 
ist, uns Freude zu machen; und wie koͤnnte man 
bersucht werden, durch Widerspruch Jemanden zu 
reitzen, der uns bei jeder Veranlassung um unsere 
Meinung fragt und unsern Rath gern und dankbar 
benutzt? Schwieriger aber wird die Aufgabe, wenn 
einer der beiden Gatten sich nicht so benimmt, wie 
er sollte, sondern durch Haͤrte, Eigenwillen und Bit⸗ 
lerkeit den andern unausgesetzt verletzt oder durch 
Nachlaͤssigkeit, Unordnung und Verschwendung sich 
und die Seinigen zu Grund richtet und dabei allen 
Bitten und Voͤrstellungen unzugaͤnglich bleibt. Zwar 
versteht es sich von selbst, daß auch da Haͤrte nicht 
mit Heftigkeit, Eigenwille und Rechthaberei nicht mit 
starrem Widerfpruch, und Unfreundlichkeit und Launen⸗ 
haftigkeit nicht mit Murren und Schmollen bekaͤmpft 
werden darf, sondern daß auch da Liebe, Sanftmuth 
und Geduld vorwalten muß; dieses liebevolle Beneh⸗ 
men muß jedoch mit Umsicht verbunden seyn, und 
mit Festigkeit in solchen Dingen, von denen man 
nicht abstehen kann, ohne hoͤhere Pflichten gegen sich 
und die Seinigen zu verletzen, und mit einer edlen 
Selbstachtung, die selbst dem leidenschaftlichen Gatten 
Anerkennung abnoͤthigt und jede unwuͤrdige Behand⸗ 
lung fern haͤlt. Gewiß laͤßt sich auf diese Weise viel 
erlangen, und es wird nicht selten gelingen, dem 
Verblendeten die Augen zu oͤffnen und ihn auf bessere 
Wege zu leiten; indessen ist ein solches Verhaͤltniß 
jedenfalls eine der schwersten Pruͤfungen des Lebens, 
und wem der Himmel eine solche auferlegt hat, der 
uuche sie wuͤrdig zu bestehen und strebe dem Vorbilde 
dessen nach, der da sagte: Herr, vergieb ihnen, denn 
sie wissen nicht, was sie thun! 
Gleichwie aber Krankheiten durch gehoͤrige Vorsicht 
und Sorgfalt leichter und sicherer verhuͤtet, als spaͤter, 
wenn sie erst wirklich eingetreten sind, durch Heil—⸗ 
mittel gehoben werden, so ist es auch mit den Stoͤ⸗ 
eungen des haͤuslichen Gluͤcks. Auch da giebt es 
Vorsichtsmaaßregeln, damit die gegenseitige Liebe und 
Achtung nicht durch Vernachlaͤssigung geschwaͤcht werde 
oder gar schwinde. Das eheliche Gluͤck ist ein Gut, 
welches ebenso sorgfaͤltig gehegt und gepflegt seyn 
will, wie jedes andere, wenn es frisch und unversehrt 
Aeihen solle an deiner Wohnung besserst du ungus— 
zesetzt, damit sie nicht verfalle, fuͤr deine Kleidung 
hbist du besorgt, um sie unverletzt und fleckenlos zu 
erhalten, von deinem Garten erlangst du keine Fruͤchte 
ohne Wartung und Pflege, und deine Blumen be— 
gießest du mit Sorgfalt, schirmst sie vor Unwetter 
ind laͤssest das wohlthaͤtige Sonnenlicht auf sie ein⸗ 
virken, um sie moͤglichst schoͤn und vollkommen zu 
entwickeln; aber das eheliche Gluͤck, die wahre 
Bluͤthe des Lebens, die, waͤhnst du, muͤsse wild 
vachsen; im haͤuslichen Leben koͤnne man ernten ohne 
zu saͤen, genießen ohne zu arbeiten. Das ist einet 
der unseligsten Irrthͤmer! Man glaubt, nur der 
Braut muͤsse man den Hof machen, nur dem Braͤu— 
igam zu gefallen suchen, nach der Verheirathung aber 
yabe man dergleichen unnoͤthige Ruͤcksichten gar nich! 
mehr zu nehmen, oder, wie man zu sagen pflegt, 
unter Eheleuten muͤsse sich keins um des andern willen 
„scheniren.“ Die Erfahrung lehrt gerade das 
Gegentheil! Betrachtet einmal mit Aufmerksamkei 
die wenn auch seltenen, doch gluͤcklicherweise noch 
uͤberall in unserem Vaterlande vorkommenden Ehen, 
vo die Liebe, die Herzlichkeit und das Vertrauen der 
ersten Zeiten nicht nur unveraͤndert geblieben ist, son— 
dern mit den Jahren sich noch mehr und mehr be— 
estigt und zugenommen hat, und ihr werdet finden 
vorin das Geheimniß dieser Kunst besteht, naͤmlich 
darin, daß beide Gatten noch immer dieselben zarten 
Ruͤcksichten fuͤr einander haben und sich noch immer 
die kleinen Aufmerksamkeiten beweisen, die bei den 
meisten leider schon mit den Flitterwochen Abschied 
zu nehmen pflegen. Darum suchet die Flitterwochen 
zu Flittermonden, und diese Monden wieder zu Flit— 
kberjahren auszudehnen! Gelingt Euch das, dann 
wird auch Eure Ehe demnaͤchst wieder als ein nach 
ahmungswuͤrdiges Vorbild gelten. Will es abe 
nicht gleich gelingen, und scheitert der erste Versuch 
an dieser oder jener Klippe, dann darfst du die Hoff 
nung nicht alsbald aufgeben, sondern mußt sorgfaͤb 
tig nach der Ursache des Mislingens forfchen und 
vor Allem zu ermitteln suchen, worin du felbß 
gefehlt hast; deine Fehler kannst du am leichtester 
abstellen, und die Erkenntniß derselben wird dich 
zuch zur noͤthigen Nachsicht stimmen, um die deines 
Gatten mit Geduld zu ertragen, bis du durch der 
allmaͤhlig wieder zu gewinnenden Einfluß das fruͤhert 
schoͤne Verhaͤltniß herzustellen vermagst. Aufrichtig 
Bemuͤhungen dieser Art werden nie ganz fehl schlagen 
doch duͤrfen wir auch, selbst in der Ehe, unsere Hoff 
nungen und unsere Wuͤnsche nicht allzu hoch spannen 
oder gar romanhaften Trugbildern nachjagen, sondern 
wir muͤssen stets bedenken, daß es auf Erden 
nichts Vollkommenes giebt. 
Ueberhaupt — und das fuͤhrt mich zu meinem 
sechsten Wunsche — die wichtigste aller Wahrheiten 
ist und bleibt die, daß alles menschliche Trachten ver 
zebens ist wenn der Segen von'Dben fehlt 
zaß keine Kluoheit de 8217 uUns vor den mancher—
	        
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