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recht aberlegt und reiflich erwogen werden, wie man
das Uebel abstellen kann, ohne dem Andern sowohl
als sich selbst auch nur Einen unangenehmen Augen⸗
blick zu bereiten. Wer diese Kunst am besten ver—
steht, der ist im Ehestand Meister, und dem wird
derselbe auch nie zum Wehestand werden.
) Sofern nun beide Gatten die vorstehenden Re⸗
geln gewissenhaft beobachten, so geht unser Neujahrs⸗
vunsch unfehlbar in Erfuͤllung, und es wird auch
heiden die Befolgung dieser Vorschriften so leicht
werden, daß sie sich gar nicht versucht fuͤhlen, die—
selben zu uͤbertreten; denn wer waͤre nicht von selbst
eneigt demjenigen mit Freundlichkeit und Zuvor⸗
kommenheit zu begegnen, welcher nur darauf bedacht
ist, uns Freude zu machen; und wie koͤnnte man
bersucht werden, durch Widerspruch Jemanden zu
reitzen, der uns bei jeder Veranlassung um unsere
Meinung fragt und unsern Rath gern und dankbar
benutzt? Schwieriger aber wird die Aufgabe, wenn
einer der beiden Gatten sich nicht so benimmt, wie
er sollte, sondern durch Haͤrte, Eigenwillen und Bit⸗
lerkeit den andern unausgesetzt verletzt oder durch
Nachlaͤssigkeit, Unordnung und Verschwendung sich
und die Seinigen zu Grund richtet und dabei allen
Bitten und Voͤrstellungen unzugaͤnglich bleibt. Zwar
versteht es sich von selbst, daß auch da Haͤrte nicht
mit Heftigkeit, Eigenwille und Rechthaberei nicht mit
starrem Widerfpruch, und Unfreundlichkeit und Launen⸗
haftigkeit nicht mit Murren und Schmollen bekaͤmpft
werden darf, sondern daß auch da Liebe, Sanftmuth
und Geduld vorwalten muß; dieses liebevolle Beneh⸗
men muß jedoch mit Umsicht verbunden seyn, und
mit Festigkeit in solchen Dingen, von denen man
nicht abstehen kann, ohne hoͤhere Pflichten gegen sich
und die Seinigen zu verletzen, und mit einer edlen
Selbstachtung, die selbst dem leidenschaftlichen Gatten
Anerkennung abnoͤthigt und jede unwuͤrdige Behand⸗
lung fern haͤlt. Gewiß laͤßt sich auf diese Weise viel
erlangen, und es wird nicht selten gelingen, dem
Verblendeten die Augen zu oͤffnen und ihn auf bessere
Wege zu leiten; indessen ist ein solches Verhaͤltniß
jedenfalls eine der schwersten Pruͤfungen des Lebens,
und wem der Himmel eine solche auferlegt hat, der
uuche sie wuͤrdig zu bestehen und strebe dem Vorbilde
dessen nach, der da sagte: Herr, vergieb ihnen, denn
sie wissen nicht, was sie thun!
Gleichwie aber Krankheiten durch gehoͤrige Vorsicht
und Sorgfalt leichter und sicherer verhuͤtet, als spaͤter,
wenn sie erst wirklich eingetreten sind, durch Heil—⸗
mittel gehoben werden, so ist es auch mit den Stoͤ⸗
eungen des haͤuslichen Gluͤcks. Auch da giebt es
Vorsichtsmaaßregeln, damit die gegenseitige Liebe und
Achtung nicht durch Vernachlaͤssigung geschwaͤcht werde
oder gar schwinde. Das eheliche Gluͤck ist ein Gut,
welches ebenso sorgfaͤltig gehegt und gepflegt seyn
will, wie jedes andere, wenn es frisch und unversehrt
Aeihen solle an deiner Wohnung besserst du ungus—
zesetzt, damit sie nicht verfalle, fuͤr deine Kleidung
hbist du besorgt, um sie unverletzt und fleckenlos zu
erhalten, von deinem Garten erlangst du keine Fruͤchte
ohne Wartung und Pflege, und deine Blumen be—
gießest du mit Sorgfalt, schirmst sie vor Unwetter
ind laͤssest das wohlthaͤtige Sonnenlicht auf sie ein⸗
virken, um sie moͤglichst schoͤn und vollkommen zu
entwickeln; aber das eheliche Gluͤck, die wahre
Bluͤthe des Lebens, die, waͤhnst du, muͤsse wild
vachsen; im haͤuslichen Leben koͤnne man ernten ohne
zu saͤen, genießen ohne zu arbeiten. Das ist einet
der unseligsten Irrthͤmer! Man glaubt, nur der
Braut muͤsse man den Hof machen, nur dem Braͤu—
igam zu gefallen suchen, nach der Verheirathung aber
yabe man dergleichen unnoͤthige Ruͤcksichten gar nich!
mehr zu nehmen, oder, wie man zu sagen pflegt,
unter Eheleuten muͤsse sich keins um des andern willen
„scheniren.“ Die Erfahrung lehrt gerade das
Gegentheil! Betrachtet einmal mit Aufmerksamkei
die wenn auch seltenen, doch gluͤcklicherweise noch
uͤberall in unserem Vaterlande vorkommenden Ehen,
vo die Liebe, die Herzlichkeit und das Vertrauen der
ersten Zeiten nicht nur unveraͤndert geblieben ist, son—
dern mit den Jahren sich noch mehr und mehr be—
estigt und zugenommen hat, und ihr werdet finden
vorin das Geheimniß dieser Kunst besteht, naͤmlich
darin, daß beide Gatten noch immer dieselben zarten
Ruͤcksichten fuͤr einander haben und sich noch immer
die kleinen Aufmerksamkeiten beweisen, die bei den
meisten leider schon mit den Flitterwochen Abschied
zu nehmen pflegen. Darum suchet die Flitterwochen
zu Flittermonden, und diese Monden wieder zu Flit—
kberjahren auszudehnen! Gelingt Euch das, dann
wird auch Eure Ehe demnaͤchst wieder als ein nach
ahmungswuͤrdiges Vorbild gelten. Will es abe
nicht gleich gelingen, und scheitert der erste Versuch
an dieser oder jener Klippe, dann darfst du die Hoff
nung nicht alsbald aufgeben, sondern mußt sorgfaͤb
tig nach der Ursache des Mislingens forfchen und
vor Allem zu ermitteln suchen, worin du felbß
gefehlt hast; deine Fehler kannst du am leichtester
abstellen, und die Erkenntniß derselben wird dich
zuch zur noͤthigen Nachsicht stimmen, um die deines
Gatten mit Geduld zu ertragen, bis du durch der
allmaͤhlig wieder zu gewinnenden Einfluß das fruͤhert
schoͤne Verhaͤltniß herzustellen vermagst. Aufrichtig
Bemuͤhungen dieser Art werden nie ganz fehl schlagen
doch duͤrfen wir auch, selbst in der Ehe, unsere Hoff
nungen und unsere Wuͤnsche nicht allzu hoch spannen
oder gar romanhaften Trugbildern nachjagen, sondern
wir muͤssen stets bedenken, daß es auf Erden
nichts Vollkommenes giebt.
Ueberhaupt — und das fuͤhrt mich zu meinem
sechsten Wunsche — die wichtigste aller Wahrheiten
ist und bleibt die, daß alles menschliche Trachten ver
zebens ist wenn der Segen von'Dben fehlt
zaß keine Kluoheit de 8217 uUns vor den mancher—