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1) Das Spruͤchwort sagt zwar: Ein jeder ist fich
selbst am naͤchsten, und das ist auch in sofern richtig,
daß man damit anfangen soll, selbst etwas zu seyn
und zu leisten, bevor man fuͤr Andere zu wirken und
zu sorgen unternimmt, und daß man zunaͤchst sein
rignes Haus bestellen und nur die Zeit, welche man
noch außerdem eruͤbrigen kann, denen widmen soll,
die unserer dann am meisten beduͤrfen; aber der—
jenige wuͤrde sich sehr irren, der da glaͤubte, es sey
der sicherste Weg zum Gluͤck, wenn man immer nur
an sich selbst, oder bei Allem doch zu erst nur an
sich denke. Fuͤr sich allein. kann Niemand die Guͤter
dieser Welt genießen. Seht jenen eigensuͤchtigen Filz
an! Er ist reich; da er aber Niemanden den Mit—
genuß goͤnnt, so kann auch er zu keinem rechten
Genuß kommen: sein schoͤnes Haus steht leer; denn
Andern Freude darin zu bereiten, ist nicht seine Sache.
Er muß deshalb entweder allein darin sitzen, oder, da
ihm dieß doch auf die Laͤnge nicht behagt, seine Unter⸗
haltung auswaͤrts suchen. Zu wem will der aber
gehen, der Andere bei sich nicht sehen mag? Und an
welchem oͤffentlichen Unterhaltungsorte ist fuͤr den
gesorgt, welcher immer nur allein genießen will?
Mischt er sich in eine frohe Tischgesellschaft, so greift
er stets voreilig nach dem Besten und erntet Spott
und Hohn; nimmt er an der Unterhaltung Theil, so
redet er am liebsten von sich selbst und macht sich
dadurch laͤcherlich; und kommt es ja zu einem gemein⸗
schaftlichen Unternehmen, dann zieht er sich Zuruͤck,
um nichts fuͤr andere zu thun, und die wohlverdiente
Verachtung folgt ihm nach, waͤhrend der, welcher
auch Andern gern Genuß bereitet und Freude und
Frohsinn um sich her zu verbreiten weiß, von jeder—⸗
mann geliebt, geschaͤtzt und gern gesehen wird und
so sich selbst den schoͤnsten Lohn bereitet. Daraus
kann man recht ersehen, daß der Mensch zu einem
uneigennuͤtzigen, wahrhaft geselligen Verkehr geschaf—
fen ist, daß gerade diejenigen, welche ohne Selbst—
sucht handeln und auch den Vortheil ihres Naͤchsten
im Auge haben, dadurch am sichersten ihre eigene
Wohlfahrt begruͤnden: der treue, geschickte und flei⸗
sige Arbeiter findet natuͤrlich am leichtesten Beschaͤf⸗
tigung und wird am besten gelohnt; der Kaufmann,
welcher nur gute und preiswuͤrdige Waaren liefert,
bleibt seiner Kunden am meisten versichert; und der
Mann, der sein Wort immer redlich gehalten hat,
findet uͤberall Vertrauen und kann im Nothfalle auf
thaͤtige Unterstuͤtzung rechnen, waͤhrend Niemand mit
einem solchen zu schaffen haben mag, von dem man
weiß, daß er stets Ausfluͤchte sucht, sobald ein gelei—
stetes Versprechen ihm den Vortheil nicht bringt, den
er sich davon versprochen hat. — Wenn aber so die
Uneigennuͤtzigkeit schon als Regel gilt fuͤr unser Be—
nehmen mit allen Menschen, mit denen wir in Ver⸗
kehr treten, so gilt dieselbe noch viel mehr von dem
Verhaͤltniß zwischen Mann und Frau, die ja nicht
mehr zwei seyn sollen, sondern eins an Leib und
Seele. Unter Eheleuten ist deßhalb vor Allem noͤthig
daß jedes vorzugsweise fuͤr das andere sorge.
)enn der angeborene Trieb, sich selbst nicht zu ver
zessen, ist doch meist so stark, daß eben daun das
echte Maaß herauskommt, wenn wir dem Andern
twas mehr zugestehen, als ihm unserer Meinung
nach eigentlich zukaͤme. Darum mußt Du, jungẽet
Lhemann, es von nun an als eine Hauptaufgabe
Deines Lebens betrachten, Deine Frau, soviel von
Dir abhaͤngt, gluͤcklich zu machen. Das soll nun
war nicht heißen, daß Du alle ihre Wuͤnsche, wenn
ie auch noch so thoͤricht waͤren, blindlings erfuͤllen
noͤgest, denn das wuͤrde sie zuletzt doch nicht gluͤcklic
nachen; wenn sie aber z. B. lieber hat, daß Du Sonn⸗
ags huͤbsch zu Hause bleibest, oder mit ihr spazieren
zehest, anstatt wie fruͤher mit Deinen Kamexaden
den halben Tag auf der Kegelbahn zuzubringen,
dann sollst Du ihr zu gefallen dieser Gewohnheit
jern entsagen, und Dich durch den gelegentlichen
ZSpott Deiner fruͤheren Gesellen nicht verleiten lassen,
Dein haͤusliches Gluͤck gleich von Anfang an in Ge⸗
'ahr zu setzen. Wenn Du naͤmlich Deinem Vergnuoͤ—
zen all ein nachgehst, so veranlassest Du Deine Frau—
ich auch auf ihre eigne Hand Unterhaltung zu ver⸗
chaffen, und das ist der erste Schritt, um dem ehe⸗
ichen Gluͤck den Abschied zu ertheilen. Die junge
Frau wird sich dagegen nicht minder angelegen seyn
assen, auch von ihren Gewohnheiten gern alles
zufzugeben, was dem Manne nicht behagt, und zwar
noch ehe er sich ausdruͤcklich oder gar mißfaͤllig dar—
iber aͤußert: die erste leise Andeutung darf ihr nicht
ntgehen, wenn sie ihren wahren Vortheil verstehl⸗
Eheleute, welche sich ernstlich vornehmen, Alles zu
intfernen, was dem andern mißfaͤllig ist, und bereit⸗
villig zu thun, was dem andern gefaͤlit, die werden
uͤr die vermeintlichen Opfer, welche sie sich bringen,
einen so reichen Ersatz an haͤuslichem Gluͤcke finden,
»aß, wenn sie Les nur waͤhrend des ersten
Fahres probiren, sie gewiß ihr ganzes Leben
ang nicht wieder davon lassen werden.
M., Wenn zwei junge Leute sich heirathen, so mei⸗
nen sie oft, ein Haushalt muͤsse gedeihen, weun man
nur vom Morgen bis zum Abend tuͤchtig darauf los
arbeite. Tuͤchtige Arbeit ist nun freilich eine Haupt⸗
ache, aber es giebt noch etwas, was nicht weniger
vichtig ist, naͤmlich die Eintheilung der AÄrbeit und
aie Anordnung derselben nach Tagen und Stunden.
Wie viele Haͤuser giebt es nicht, wo Alles durch
ꝛinander rennt, der Mann dieß befiehlt, und die Frau
enes, so daß zuletzt Niemand weiß, wer Koch doder
sellner ist, und keine Arbeit zur rechten Zeit gefoͤr⸗
dert wird. Wollt Ihr nun bei Euch nicht auch eine
olche Unordnung einreißen lassen, dann muͤßt Ihr
zleich von Anfang an eine zweckmaͤßige Einrichtung
reffen und Euch eine feste Hausordnung machen.
Die Zeiten des Wachens und des Shlafens, der
Mahlzeiten, der Arbeit und der Ruhe muͤssen gemein⸗