Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

zu werden, ehe es zu spaͤt ist, und dir die Schulden 
uͤber dem Kopfe zusammenwachsen. In dieser Hoff⸗ 
nung will ich dir nun noch einige Mittel an die 
Hand geben, die dir die Sache erleichtern; sollte dir 
aber das, was ich hier sage, nicht ganz deutlich seyn, 
so wende dich nur an den Herrn Schulmeister, der 
wird dir die beiden Haushaltsducher, die du dazu 
noͤthig hast, gern einrichten, und dir auch wohl bei 
dem ersten Jahresabschluß behuͤlflich seyn. Vielleicht 
sieht sich der dann auch veranlaßt, alle die aͤltern 
Schuͤler vor dem Schlusse des Rechenunterrichts in 
dieser einfächen Buchfuͤhrung zu uͤben, damit sie dem— 
naͤchst als tuͤchtige Hausvaͤter sich bei Zeiten vor 
Verarmung schuͤtzen koͤnnen. 
Niemand kann wissen, wie es eigentlich mit sei— 
nem Haushalt steht, und ob er nicht mehr ausgiebt, 
als er einnimmt, mithin unfehlbar zu Grunde gehen 
muß, wenn er nicht wenigstens einmal im Jahre ein 
kurzes Inventar von Allem aufstellt, was er besitzt, 
und davon dasjenige abzieht, was er schuldig ist. 
Wenn du daher bis jetzt ein solches Inventar nicht 
aufgestellt hast, so muß das deine erste Arbeit seyn, die 
du in den langen Winterabenden zwischen Christtag 
und Neujahr vornehmen kannst. Du verfaͤhrst dabei 
nach dem anliegenden FormularI, laͤssest dir von 
deinem Sohn, der noch in die Schule geht, die Linien 
ziehen, und schreibst dann auf die linke Seite, wo 
die Ueberschrift „Vermoͤgen“ steht, alle deine Grund— 
stuͤcke ein, und wirfst bei einem jeden den Preis aus, 
zu dem du es angenommen oder gekauft hast; dann 
mußt du aufschreiben, was du an vorraͤthigen Fruͤch— 
ten oder an Waaren hast und davon den Markt— 
preis bemerken; dann kommen die Ackergeraͤthschaften, 
oder was sonst zu dem Betrieb des Gewerbes gehoͤrt; 
dann dein Hausgeraͤthe mit Inbegriff des Leinens 
und der Kleider; ferner die Ausstaͤnde, die du zu 
fordern hast und zuletzt das baare Geld, was du 
im Hause hast. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht 
unbemerkt lassen, daß jeder ordentliche Hausvater 
stets etwas,baares Geld im Haufe haben 
muß, und waͤre es auch nur soviel, wie er durch— 
schnittlich in einem Monat zu verdienen pflegt. Das 
Geld, welches man auf diese Weise anscheinend muͤßig 
liegen hat, traͤgt dir mehr Zinse, als wenn du 
es zu fuͤnf Prozent ausgeliehen haͤttest; denn wer 
stets bei Kasse ist, der kann jede Gelegenheit, vor— 
theilhafte Einkaͤufe zu machen, benutzen, ohne je 
einem Wucherer in die Haͤnde zu fallen, waͤhrend 
der welcher auf Borg kauft, uͤberall mehr zahlen und 
sich doch mit dem Schlechtesten begnuͤgen muß. — 
Hast du nun so auf der linken Seite dein Vermoͤgen 
oder wie die Kaufleute sagen, deine Activa zusammen 
gerechnet, dann mußt du auf der rechten Seite unter 
der Ueberschrift „Schulden“ oder Passiva, das 
was du Andern schuldig bist, zusammentragen, und 
zwar erstens die Kapitalschulden, zweitens die etwa 
faͤlligen und noch nicht gezahlten Zinfen, und dann alle 
sonstigen, noch zu leistenden Zahlungen. Die Summe 
dieser Schulden ziehst du darauf von der Summe des 
Permoͤgens ab, und was uͤbrig bleibt, ist der Be— 
tand deines wirklichen reinen Vermoͤgens. Fin— 
dest du nun, daß sich dieser Betrag im naͤchsten 
Jahre vermindert hat, dann ist dir das ein Zeichen. 
daß du mehr ausgegeben hast, als du eingenommen 
ind eine dringende Mahnung, daß du dich einschraͤn⸗ 
ken und weniger ausgeben mußt, wenn bu nicht in 
venig Jahren Alles verlieren willst. Gewerbtreibende 
waͤhlen am besten den Jahresschluß, um eine solche 
Uebersicht ihres Vermoͤgens aufzustellen; fuͤr Land⸗ 
virthe ist aber wohl die Zeit zwischen Pfingsten und 
Johannis, kurz vor der Heuernte, die passendste, weil 
dann die Scheunen fast deer sind, und alfo die Auf— 
nahme der Vorraͤthe ihnen weniger Muͤhe macht, als 
am Christtag. Nur muß die Berechnung jedes 
Jahr zu derselben Zeit geschehen,“ weil sich 
onst aus der Vergleichung kein richtiger Schuuf 
vuͤrde ziehen lassen. * 
Der gewissenhafte Hausvater kann sich aber daber 
noch nicht beruhigen, daß er am Eude bes Jahres 
erfahre, ob und wie viel er mehr ausgegeben hat 
als er eingenommen, sondern er muß auch wissen, 
auf wie viel Einnahme er im Jahr zu rechnen hal 
und ‚wie viel ihm fein Geschaͤft und sein Haushalt 
im Einzelnen kostet, damit er die noͤthigen Erspar⸗ 
nisse zur rechten Zeit und am gehoͤrigen Orte machen 
roͤnne. Zu diesem Zweck ist die Fuͤhrung von zwei 
Buͤchern noͤthig, die in keinem ordentlichen Haus⸗ 
Jalt fehlen sollten. Da hoͤre ich freilich maͤnchen 
Kalenderleser und manche Kalenderleserin ausrufen: 
Wir geben ja nichts Unnoͤthiges aus, und haben 
zine so geringe Einnahme, daß es sich gar nicht der 
Nuͤhe verlohnt, diese wenigen Thaler grofschenweise zu 
Papier zu bringen!“ Doch das sind schwache Ent—⸗ 
chuldigungen, mit denen man nur seine eigene Traͤg⸗ 
)eit bemaͤntelt; denn wer du auch seyn magst, wenn 
ↄu bisher noch keine Buͤcher gefuͤhrst haͤst so würst 
du dich am Ende des Jahres hoͤchlich verwundern, wie 
piel Geld du eingenommen und ausgegeben hast, 
und wenn du noch hinzurechnest, wie viel du von 
xinen Laͤndern und aus deinen Gaͤrten, ohne baares 
Beld auszugeben, in deinen Haushalt verwendest, 
d wirst du dich uͤberzeugen, daß du eben so viel, wenn 
nicht noch mehr ausgiebst, als mancher, der ein be⸗ 
timmtes baares Einkommen hat, und von dem du 
zlaubst, daß er sich weit besfer stehe als du. Haß 
zu aber, wirklich so wenig, wie du sagst, dann ist 
es um so noͤthiger, daß du jeden Groschen beachtest, 
ind die kleine Muͤhe nicht scheuest, alles aufzuschrei⸗ 
ben, was du einnimmst und ausgiebst. Also lege 
dir folgende zwei Buͤcher an, und fuͤhre sie vom 
sten Januar an so gewissenhaft, als waͤre es eine 
Zormundschaftsrechnung, oder glaubst du, daß du 
uͤr deine eigenen Kinder weniger sorgen muͤßtest als 
uͤr fremde? Das eine Buch, welches ich Sgulbbuch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.