und den Frieden mit Gott und den Menschen, son—
dern weil es der erste Schritt zur Selbststaͤndigkeit
ist, daß der Mensch sich einen anstaͤndigen Lebens—
unterhalt schaffe, und weil der, welcher das nicht
will oder nicht kann, gar nicht wuͤrdig ist, in die
Reihe der Familienvaͤter zu treten; denn „wer nicht
arbeiten will, der soll auch nicht essen,“ und noch
viel weniger kann er Andern zu essen geben. Worin
besteht aber nun ein anstaͤndiger Lebensunterhalt, und
nach wieviel Einkommen soll der Mann trachten,
bevor er verstaͤndigerweise dazu schreiten darf, eine
Familie zu gruͤnden? — Jeder Buͤrgermeister beant—⸗
wortet diese Frage mehr als einmal im Jahr, denn
er muß denen, welche sich verheirathen wollen, eine
Erwerbsbescheinigung geben, und daß ist doch
nichts anderes als das Zeugniß, daß der Braͤutigam
ein anstaͤndiges Auskommen habe. Ich weiß nicht,
ob dieselben dabei nach einem bestimmten Grundsatze
oder nur so nach Gutduͤnken verfahren. Jedenfalls
ist die Beantwortung nicht leicht, und darum will
ich dann auch eine solche versuchen, die jedoch mehr
fuͤr den Braͤutigam berechnet ist, als fuͤr den Herrn
Buͤrgermeister: „Zu einem anstaͤndigen Aus—
kommen gehoͤrt, daß man etwas mehr ein—
nehme, als eine Familie von durchschnitt—
lich funf Personen zu ihrem behaͤglichen
Unterhalt braucht.“ — Dieß ist die allgemeine
Antwort, welche auf reich und arm paßt, wobei
uͤbrigens noch zu erlaͤutern bleibt, wie viel zu einem
behaglichen Unterhalt erforderlich ist, und da
sage ich: „gerade so viel, als man zur Befrie—
digung der Beduͤrfnisse braucht, an die man
sich gewoͤhnt hat.“
„Wie du dich gewoͤhnst, so hast du dich,“
sagt das Spruͤchwort, und das findet hier seine volle
Anwendung, denn groͤßtentheils haͤngt es von deiner
Gewoͤhnung und von der Zahl, nicht etwa deiner
wirklichen, sondern deiner angewoͤhnten Beduͤrfnisse
ab, ob du bei deiner Einnahme ein behagliches Leben
fuͤhren kannst, oder darben muͤssest. An und fuͤr
sich ist kine Summe hinreichend, um Jemanden ein
reichliches Auskommen zu sichern. Ich habe Maͤnner
gekannt, die bei einigen tausend Thalern jaͤhrlicher
Einkuͤnfte stets in Geldverlegenheit waren und Maͤn—
gel zu leiden glaubten, waͤhrend andere mit einigen
Hunderten nicht nur im Wohlstand lebten, sondern
auch ihre Kinder sorgfaͤltig erzogen und neben einem
Nothpfennig selbst fuͤr Nothleidende noch immer etwas
uͤbrig hatten. Die Einnahme allein ist es daher kei—
nesweges, die den Wohlstand begruͤndet, sondern das
Verhaͤltniß der Ausgabe zu der Einnahme, und das
kann ein jeder nach Belieben feststellen, wenn er sich
und den Seinen nur nicht zu viel eingebildete
Beduͤrfnisse angewoͤhnt hat. Ich will' mich deut—
licher erklaͤren: von dem Tageloͤhner an, der laͤglich
nur vier bis sechs Groschen verdient, mithin nach
Abzug der Sonn- und Festtage und der verdienst
losen Zeit etwa 50 bis 60 Thaler einzunehmen hat
und davon auf seine Weise ein ordentliches Auskom⸗
men findet, bis zu dem Kapitalisten oder sonstigen
Beschaͤftsmann, welcher seine 2000 Thaler jaͤhrlich
einnimmt, wollen wir einmal alle Familien nach
hrem Einkommen abtheilen und annehmen, daß
mmer eine 100 Thaler mehr zu verzehren habe,
als die andere. Zur ersten Klasse wuͤrden dann die
Familien gerechnet, welche von wenigerals 100 Tha—
iern leben; zur zweiten die von 100 Thalern; zur
dritten die von 200 Thalern u. s. w., im Ganzen
21 Klassen. Diejenigen, welche mehr als 2000 Tha—⸗
ler Einkuͤnfte haben, wollen wir als die bei uns am
venigst zahlreichen in die 2ste Klasse setzen, umge—
kehrt wie in der Klassensteuer, wo sie die erste
Klasse bilden.
Hoͤrt man nun diese Leutchen von Nr. 22, mit
2⸗ bis 3000 Thalern jaͤhrlicher Einnahme reden, so
ist da dennoch des Klagens kein Ende. Nach ihrer
Meinung ist es kaum moͤglich, den fuͤr ihren Rang
nothwendigen Aufwand damit zu bestreiten, die Kinder
tandesmaͤßig zu erziehen, denselben eine Zukunft zu
sichern und dergleichen mehr. Auch sind das keines—
vegs nur so Redensarten, sondern viele machen wirk⸗
ich Schulden, sie plagen sich und andere, um bei
allen Ausgaben etwas abzudingen und zu jeder Ein⸗
aahme etwas hinzuzurechnen, und wenn eine wahr—⸗
daft nothwendige Ausgabe kommt, dann fehlt es doch
an Geld. Jad gerade bei den Reichsten muß der
Arbeiter von seinem sauer verdienten Lohn am haͤufig⸗
sten noch schwinden lassen. Und woher kommt das?
Aus der sehr einfachen Ursache, weil sie so leben
wollen, als haͤtten sie das Doͤppelte von dem auf⸗
zuwenden, was sie wirklich besihen; da muͤffen sie
denn natuͤrlich auf der einen Seite kargen, um auf
der andern in Kleidern, Moͤbeln, Gesellschaften, Spiel
und Theater es allen Uebrigen zuvorzuthun, und auf
die Laͤnge laͤßt es sich doch felten ausfuͤhren, vielmehr
ist schon gar manche reiche Familie auf diese Weise
in den Bettelstab gekommen. — Macht es aber die
Klasse Nr. 22 allein so? Keineswegs! Gar viele
Familien von Nr. 21, welche 2000 Thaler einzu⸗
nehmen haben, ruiniren sich, weil sie mit Nr. 2
zleichen Schritt halten wollen und nicht bedenken,
daß 2nie so viel seyn kann als 3, und so geht es
fort bis zu denen von Nr. 1, welche bei 50 Thaler
darben muͤssen, wenn sie ihren Haushalt dem gleich
stellen wollen, welcher durch gluͤcklichere Verhaͤltnisse
deguͤnstigt, 100 Thaler einzunehmen hat.
Diese Sucht, im Aufwand es immer denen gleich
thun zu wollen, die mehr haben als wir, ist die
eigentliche Quelle der boͤsen Zeiten, uͤber die man so
haͤufig klagen hoͤrt; denn im Allgemeinen wohnen
und leben wir Alle besser und bequemer als unsere
Paͤter und Großvaͤter, und die meisten Erwerbsquellen
sind ergiebiger geworden; wenn aber die eingebildetn
Beduͤrfnisse in noch groͤßerem Maaße gestiegen sind,