Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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zekommen. Da fragte der Fuͤnfte: „In wel⸗ 
chem Monat essen die Ingelheimer am wenig⸗ 
sten?“ Der Jud sagte: „Im Februar, denn 
der bat nur 2W Tage. 
Der Sechste sagt: „Wer hat es vesser, der 
Kaffee oder der Thee.“ Der Jud sagt: „der 
Kaffee, denn der setzt sich, aber der Thee muß 
ziehen.“ 
Ein Fisch sprang in die Hoͤhe, „nun!“ fragte 
der Siebente, „welche Fische haben die Augen 
am raͤchsten beisammen? Der Jud sagte: „die 
kleinsten.“ 
Der Achte fragt: „Wie kann einer zur Som⸗ 
mers zeit in Shatten von Mainz nach Wiesbaden 
reiten, wenn auch die Sonne noch so heiz scheint?“ 
Der Jud sagt: „Wo kein Schatten ist, muß er 
absteigen und zu Fuße gehn“ 
Fragt der Neunte: „Wenn einer im Win— 
ter reitet und hat die Handschuhe vergessen, wie 
muß er's angreifen, daß es sihn nicht an die 
Hand friert?“ Der Jud sagt: „Er muß aus 
der Hand eine Faust machen.“ — 
Fragt der Zehnte: „Welches sind die nuͤtz⸗ 
lichsten Ringe?“ Der Jud sagt: „Das sind die 
Haͤringe.“ 
*Nun war noch der Elfte uͤbrig. Dieser 
fragte: „Wie koͤnnen fuͤnf Personen fuͤnf Eier 
iheilen, also daß jeder eins bekomme, und doch 
eins in der Schuͤssel bleibe?“ Der Jud sagte: 
„Der Letzte muß die Schuͤssel sammt dem Ei 
nehmen, dann kann er es drin liegen lassen, so 
lange er will“ 
Jetzt war die Reihe an ihm selber, und nun 
dachte er erst einen guten Fang zu machen. 
Mit viel Komplimenten und Buͤcklingen fragte 
er: „Wie kann man zwei Forellen in drei Pfan⸗ 
nen backen, also daß in ieder Pfanne eine Fo— 
relle liege?“ Das brachte aber keiner heraus 
ind einer nach dem andern gab dem Hebraͤer 
seinen Zwoͤlfer. 
Der Kalendermacher haͤtte Lust allen seinen 
desern im ganzen Hessenlande die namliche Frage 
rufzugeben, und wollte ein huͤbsches Stuͤck Geld 
daran verdienen, mehr als am Kalender selber. 
Denn als die Elfe verlangten, der Jude solle 
ihnen fuͤr das Geld das Raͤthsel auch aufloͤsen, 
vand er sich lange bedenklich hin und her, zuckte 
die Achseln, verdrehte die Augen und sagte end⸗ 
lich: „Ich bin en armer Juͤd.“ Die Andern 
sagten: „Was sollen diese Praͤambeln? Heraus 
mit dem Raͤthsel!“ — „HNichts fuͤr ungut!“ 
var die Antwort, „aß ich gar ein armer Juͤd 
bin.“ — Endlich nach vielem Zureden, daß er 
die Aufloͤsung nur heraussagen sollte; sie wollten 
hm nichts davon uͤbel nehmen, griff er in die 
Tasche, nahm einen von seinen gewonnenen Zwoͤl⸗ 
sern heraus, legte ihn auf das Tischchen, das 
im Schiffe war, und sagte: „daß ich's auch nicht 
weiß. Hier ist mein Zwoͤlfer!“ 
Als das die Andern hoͤrten, machten sie zwar 
große Augen, und meinten, so sers nicht gewet⸗ 
tet. Weil sie aber doch das Lachen nicht verbeißen 
konnten, und waren reiche und gute Leute, und 
der hebraͤische Reisegefaͤhrte hatte ihnen unter⸗ 
wegs die Zeit verkuͤrzt, so ließen sie es gelten 
und der Jud hat aus dem Schiff getragen — 
das soll mir ein fleißiger Schuͤler im Kopf aus⸗ 
rechnen: Wieviel Gulden und Kreutzer hat der 
Jude aus dem Schiff getragen? Einen Zwoͤlfer 
und einen messingenen Knopf hatte er schon. 
Elf Zwoͤlfer hat er mit Errathen gewonnen, elf 
mit seinem eignen Raͤtbsel, einen hat er zurüͤck⸗ 
dezablt, und dem Schiffer 18 Kreutzer Trinkgeld 
entrichtet. 
Noch einige Raͤthsel,— 
deren Aufloͤsung im nachsten Kalender folgen soll. 
2. 
Es steht ein Erker an einem Haus, 
Aus des Hauses Fenstern schaut heraus 
Ein Geist, wenn die Laden geoͤffnet sind, 
Der Erker selber jedoch ist blind. 
Weiß ist er den Fremden und Freunden zur Last, 
Roth aber dem Hausherrn selbst verhaßt. 
Gruͤn hab' ich den Erker noch nie gesehny, 
Doch roͤthlich weiß, o so steht er schoͤn. 
Die Thoren lassen mich selten ruhn, 
Der Weise giebt mir wenig zu thun. 
Nur einfach hat mich der Biedermamn 
Doch doppelt wer auf Falschheit und Arglist sann 
Mich faßt die Gerechtigkeit scharf ins Gesicht, 
Wenn sie waͤget auf ihrer Waage, 
Und dennoch mißbrauchen mich alle Tage 
Viel Rechtsverdreher in offnem Gericht.
	        
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