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Seite des Papiers gegen die Hand hineinlag,
die aͤußere Seite aber war mit Teich bestrichen,
daß er im Vorbeigehen die Schrift nur an die
Thuͤre haͤtte druͤcken duͤrfen. Als sie aber den
Bedienten des Amtsschreibers vor der Thuͤre
sitzen sahen, und alle Leute kannten den Stoffel,
aber nicht alle Leute kannte der Stoffel. „Ei
guten Abend“ sagte der eine, „was schafft Er
guts hier Herr Hanstoffel, was gilts, Er kann
nicht hinein,“ da erzaͤhlte er ihnen, warum er
da sitzen muͤsse, und bis wann, und wie ihm
bereits die Zeit so lang sei, und es komme doch
niemand. Ei“ sagte der eine, „die Lichter im
Staͤdtlein sind ausgeloͤscht, und die Wirthshaͤuser
sind leer, und wir zwei sind die letzten, die
heimgehen. Also gehe er in Gottes Namen ins
Beit.“ Der andere aber, der das Papier in der
flachen Hand hatte, schlag ihm im Fortgehen sanft
und freundlich die Hand auf den Ruͤcken, daß das
Papier am Rocke haͤngen blieb, und sagte: „Gute
Nacht Herr Hanstoffel, schlaf Er wohl uEbenfalls,
fagte der Stoͤffel, und als sie um die Ecke herum
vwaren, kraͤhte einer von ihnen zweimal, wie ein
Hahn. Also brachte der Stoffel dem Amtsschrei⸗
her die Pasquille selber auf dem Ruͤcken in die
Stube, und der Herr Amtsschreiber pruͤgelte zwar
den Stoffel im Zimmer herum, und schlug bei
dem Ausholen ein Paar Spiegel entzwei, aber
den Schimpf, den Schaden und Zorn mußte
er an sich selber haben, und brachte nichts her⸗
aus. Denn die zwei Spaßvoͤgel sagten: „der
Kluͤgste giebt nach. Jetzt wollen wirs aufgeben,
sonst moͤchten wer doch noch am Eade ins Kuͤhle
gebracht werden,“ und jedermann, der davon
erfuhr, lachte den Amtsschreiber aus.
Merke: Der Köoͤnig von Preußen hat sich in
diesem Stuͤcke kluͤger betragen, als der Herr
Amtsschreiber von Brassenheim.
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Eintraͤglicher Raͤthselhandel.
(Ebenfalls nach Hebel.)
Von Mainz fuhren elf Personen in einem Schiffe,
das mit allen Bequemlichkeiten versehen war, den
Rhein hinab. Ein Jude, der nach Bingen wollte,
bekam die Erlaubniß, sich in einen Winkel zu
setzen und auch mitzufahren, wenn er sich ruhig
berbalten und dem Schiffer achtzehn Kreutzer
Trinkgeld geben wolle. Nun klingelte es zwar,
wenn der Jude an die Tasche schlug, allein es
war nur noch ein Dreibatzenstuͤck darin; denn
das andere war ein messingener Knopf. Dessen
ungeachtet nahm er die Erlaubniß dankbar anu.
Dehn er dachte: „Auf dem Wasser wird sich
auch noch etwas erwerben lassen. Es ist ja schon
maucher auf dem Rhein reich geworden.““ Im
Anfaug war man sehr gespraͤchig und lustig;
denn jeder hatte einen tuͤchtigen Abschied getrun—
ken, und der Jude in seinem Winkel und mit
seinem Zwergsack, den er ja nicht ablegte, auf
der Schulter mußte viel leiden, wie mans manch⸗
mal diesen keaten macht, und versuͤndiget sich
daran. Als sie aber schon weit an Biberich und
an Schierstein vorbei waren, und an Walluf,
und in die Gegend von Erbach kamen, da wurde
einer nach dem andern stille, und alle gaͤhnten
und schauten den langen Rhein hinunter, bis
wieder einer aufing: „Mauschel, weißt Du nichts,
daß uns die Zeit vergeht? Deine Vaͤter muͤsfen
doch auf allerlei gedacht haben in der langen
Wuͤste!“ — Jetzt, dachte der Jude, ist es Zeit,
das Schaͤflein zu scheeren, und schlug vor, man
solle in der Reihe herum allerlei kuriose Fragen
vorlegen, und er wolle mit Erlaubniß auch mit
halten. Wer sie nicht beantworten kann, soll
dem Aufgeber ein Zwoͤlf⸗-Kreutzerstuͤck bezahlen,
wer sie gut beantwortet, soll einen Zwoͤlfer bekom⸗
men. Das war der ganzen Gesellschaft recht,
und weil sie sich aa der Dummheit oder an dem
Witz des Juden zu belustigen hofften, fragte
jeder in den Tag hinein. So fragte z. B. der
Erste: Wie viel weichgesottene Eier konnte der
Riese Goliath nuͤchtern essen? Alle sagten, das
sei nicht zu errathen und bezahlten ihre Zwoͤlfer.
Ader der Jude sagte: „Eins, denn wer ein Ei
zegessen hat, ißt das zweite nicht mehr nuͤchtern.“
Der Zwoͤlfer war gewonnen.
Der Andere dachte: Wart Jude, ich will
dich aus dem Neuen Testament fragen, so soll
mir dein Dreibaͤtzner nicht entgehen. „Marum
hat der Apostel Paulus den zweiten Brief an
bie Corinther geschrieben?“ Der Jud sagte:
„Er wird nicht bei ihnen gewesen sein, sonst haͤtt'
z228 ihnen muͤndlich sagen koͤnnen.“ Wieder ein
Zwoͤlfer.
Als der Deritte sah', daß der Jud in der
Bibel so gut beschlagen sei, fing er's auf eine
andere Art an. „Wer muß sein Geschaͤft recht
in die Laäͤnge ziehn, wenn er bei Zeiten fertig
sein wil?“ Der Jud sagte: „Der Seiler.“
Der Vierte: „Wen bezahlt man noch da⸗
fuͤr, daß er einem was weiß macht?“ Der
Jud sagte: „Den Bleicher.“
Unterdessen waren sie an Ingelheim vorbei—