Erstlich trinken sie morgens, wenn
sie ufstehen, ein Glas kaltes Brunnen,
wasser; das giebt gesundes Blut und vertreibt
die boͤsen Folgen fruͤherer Unmaͤßigkeit.
Zweitens trinken sie keinen Brann—
tewein mehr, sondern legen täglich das
Geld, welches sie sonst ins Wirthshaus
schickten, in ein Schaͤchtelchen.
Wenn sie nun taͤglich nur 8 Heller da hinein⸗
legen, so haben sie am Ende des Jahrs sieben
Thaler 14 Ggr. 8 Hlr. Dafaͤr kodnnen sie
sich dann eine Kaͤrolin einwechseln und behalten
noch so viel uͤbrig, daß sie ihrer Frau und ihren
Kindern ein schoͤnes Nemjahr kanfen koͤnnen.
Wer ihrem Beispiel folgt, den wird es nicht
gereuen!“
— — — —
Dise Schmaͤhschrift.
(Von Hebel.)
Als bekanntlich eine Pas quille oder Schmaͤh⸗
schrift auf den Koͤnig Friedrich in Berlin an
einem oͤffentlichen Platz angeheftet wurde und
sein Kammerdiener ihm davon Anzeige machte:
„Ihro Majestaͤt, es ist Ihnen heute Nacht eine
Ehre widerfahren, das und das. Alles habe
ich nicht lesen koͤnnen; denn die Schrift haͤng
zu hoch. Aber was ich gelesen habe, ist nichto
Gutes;“ da sagte der Koͤnig: „Ich befehle, daß
man die Schrift tiefer hinabhaͤnge und eine Schild—
wache dazu stelle, auf daß jedermann lesen kann,
was es fuͤr ungezogene Leute gibt.“ Nach dei
Hand geschah nichts mehr dergleichen.
Nicht ebenso dachte der Amtsschreiber von
Brafseaheim. Denn Brassenbeim ist ein Amts—
staͤdtlein. Als ihm eines Morgens eine Pas—
quille ins Haus gebracht wurde, die jemand mit
Teig in der Nacht an die Hausthure gekleb
hatte, wurde er ganz erbost und ungeberdig
fluchte wie ein Tuͤrk im Haus berum und schlug
der unschuldigen Katze ein Vein entzwei, daß
die Frau Amteschreiberin ganz entruͤstet wurde
und fragte: Bist du verruͤckt oder was fehlt dir?
Der Amtsschreiber sagte: „da lies! du hast dein
Theil auch darin.“ Als die losen Voͤgel, welche
die Schandschrift angeklebt hatten, erfahres,
daß der Herr Amtsschreiber also in Harnisch
gerathen sei, hatten sie ihre große Freude daran
und sagten: „Heutnacht thun wirs wieder.“
Den zweiten Morgen, als ihm die neue Schand—
schrift gebracht wurde, und ein Rezept fuͤr lahm—⸗
geschlagene Katzen darin, ward er noch viel waͤ—
thender, er entwarf einen zornigen Bericht dar—
uͤber an den regierenden Grafen, ob er gleich
niemand neunen konnte, und als er ihn miß eig—
ner Hand ins Reine geschrieben hatte und den
Sand darauf streuen«wollte, ergriff er in dem
Eifer statt der Sandbuͤchse das Dinsenfaß und
goß die Dinte uͤber den Bericht und uͤber die
weißtuchenen Amtshosen. J
Am Abend aber sagte er zu seinem Bedienten;
Hanstoffel, vigilire heutnacht um das Haus berum
bis der Hahn kraͤht, und wenn du den Schut
ken erwischest, so bekommst du einen großen Tha⸗
ler Fanggeld. Ich will sehen, sagte er, ob ich
mir soll auf der Nase herumtanzen lassen.
Etwas nach elf Uhr kam der Stoffel von sei⸗
nem Posten herauf, und der Herr Amtsschreiber
war auch noch auf, auf daß, wenn der Stoffel
den Pasquillenmacher braͤchte, er ihn gleich auf
frischer That mit der Hetzpeitsche bekomplimen⸗
tiren koͤnne „Herr Amtsschreiber “, sagte der
Stoffel, „ich will nur melben, daß heute Nacht
nichts passirt ist, wenn sie mir erlauben jetzt
ins Bett zu gehen. Alle vichter im Stoͤstlein
sind ausgeloͤscht, die Wirthshaͤuser sind leer, die
zwei letzten sind nach Haus gegangen, und des
Wagner Mattheisen Haͤhn haͤt zweimal hinter—
einander gekraͤht, es wird wohl morgen auch
wieder regnen.“ Da fuhr ihn der Amtsschreiber
wie ein betrunkener Heide an: „dummes Vieh,
auf der Stelle begieb dich auf deinen Posten,
bis der Tag aufgeht, oder ich schlage dir das
Gebirn im Leibe entzwei,“ sagte er im unver⸗
nuͤnftigen Zorn. Der geneigte Leser denkt „Was
gilts, waͤhrend der Stoffel bei dem Amtsschrei⸗
ber war, ist die dritte Pasquille auch angepappt
worden und wenn er herabkommt finder er sie
jetzt.“ Nichts weniger. Sondern als der Stoffel
im Fortgehen bereits an der Stubenthuͤr war,
und der Amtsschreiber ihm noch einmal nachsah,
„Hans Stoffel, rief er ibm, komm noch ein
wenig daher!“ — Der Stoffel kam, „dreh dich
um! Was hast du auf dem Ruͤcken?“Wills
Gott keinen Galgen, sagte der Stoffel. „Nein,
vermaledriter Dummkopf, aber wahrsmeinlich ein
Pasquill.“— Wie gesagt, so errathen, der Sloffel
trug das dritte Paequill bereits auf dem Ruͤden
geklebt, und stanben darin noch viel muthwilligere
Dinge, als in dem ersten und zweiten, und unler
andern ein Recept, fuͤr Dinteflecke aus den Amts⸗
hosen zu bringen. Dies war so zuaegangen:
Als der Stoffel noch vor dem Haus gesessen
war, kamen zwei lose Gesellen heran, und einer
von ihnen hatte schon die dritte Pasquille auf
der flachen Hand liegen, also daß die beschriebene