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vir nicht einmal ganz fertig zu bauen vermoͤgen,
sind errichtet worden obne Branuntewein;
ind selbst unser hessisches Vaterland, das vor
etwa zwoͤlfhuudert Jahren durch viele zerstoͤrende
Voͤlkerzuͤge fafst zur Einoͤde geworden war ist
durch fleißige Haͤnde wieder urbar gemacht wor⸗
den ohne“ Branntewein! Wie. kann man
da behaͤupten, daß wir das angebaute Land
ohne Brauntewein nicht einmal zu bearbeiten
im Stande seien? Seht das ist schon der leidige
Beist des Brannteweins, der aus den Trinkern
rcht und der sie naͤchstens zu Saͤufern machen
wird.
Aber ich will mich nicht bloß auf die Zeiten
berufen, wo die Leute den Branntewein noch
gar nicht kannten; auch zu unsern Zeiten sind
wackere Maͤnner zusammen getreten, die keinen
Braͤnntewein mehr trinken wollen, um durch ihr
gutes Beispiel die Brannteweinspest zu bekaͤm⸗
pfen. Ich habe oben erzaͤhlt, wie die indianische
Bevoͤlkerung von Nordamerika durch den Branu⸗
sewein so gut wie ausgerottet ist. Bald ging es
aber den euͤropaͤischen Einwanderern daselbst nicht
besser; denn da dort jeder brennen kann, ohne
Abgaben zu geben, und ausschenken, wer Lust
hat, so griff die Trinkwuth dergestalt um sich,
daß man bald einsah, die neue Bevoͤlkerung werde
benso im Branntewein untergehen wie die alte.
Da Uraten im Jahre 188 die Verstaͤndigsten
unter den Brannteweintrinkern zusammen, und
schlossen einen Bund gegen den boͤsen —X
indem sie sich verpflichteten, nicht nur selbst
reinen Branntewein mehr zu trinken,
sondern auch ihren Arbeitern statt des Brann⸗
eweins das Geld dafuür zu geben, und
vorzugsweise nur solche Arbeiter zu nehmen,
welche keinen Branntewein dafuͤr kaufen, sondern
das Geld in eine Sparkafse legen wuͤrden. Diese
Maͤßigkeitsgesellschaft hat sich seitdem so
ausgebreitet. daß 4000 Brennereien ihr Geschaͤft,
and Aber 8000 Kaufleute ihren Handel mit Brann⸗
rewein ganz aufgegeben haben. Sogar die Schiffe
gehen schon zum Theil ohne Branntewein zur
See, weil auch viele Matrosen dem Verein bei⸗
getreten sind, wie man das in dem schoͤnen Buͤch⸗
lein: die Braͤnnteweinspest von Zschokke
(fuͤr 5 gGr. in allen Buchladen zu haben) aus⸗
fuͤhrlich lesen kann.
Uebrigens brauchen wir nicht einmal nach
Amerika zu gehen, um uns von dem guten Er⸗
folge der Maͤßigkeit zu uͤberzeugen. Giebt es
doch ein Voͤlkchen unter uns, welches durch Th aͤ⸗
tigkeit and Maͤßigkeit loͤblich ausgezeichnet,
der Verfuͤhrung des Brannteweins bis jetzt so
ziemlich widerstanden hat, und dabei im Ver⸗
zleich zu den uͤbrigen Bewohnern des Landes an
Zahl 'und an Woblstand taͤglich zunimmt.
Ich meine bdie Juden. „Ja!“ wird mir man⸗
her Kalenderleser entgegnen, „die werden
haupfaͤchlich reich von dem Betrug, den
fie an den Christen veruͤben“, und auch
ich will die Art und Weise, wie manche unter
hnen vorzugsweise mit bedraͤngten Schul d⸗
nern zu verfahren pflegen, keineswegs in Schutz
rehmen; aber der Spruch: „ungerechtes
Gut gedeiht nicht“ wuͤrde sich bei den Juden
vwie bei den Christen bewaͤhren, wenn sie ihren
Wohlstand lediglich dem Wucher zu verdanken
haͤtten. Diesen Wohlstand verdanken sie vielmehr
groͤßtentheils drei Loͤblichen Eigenschaften,
sa welchen sie die meisten Christen uͤbertreffen;
sie sind naͤmlich maͤßig, sie sind thaͤtig und
sie koͤnnen gut rechnen. Diese drei Dinge
sind so wichtig, daß jedes derselben eigentlich ein
eigenes Kapitel verdiente; jetzt geht uns aber
aur die Maßigkeit an. Wie selten sieht man
inen Juden beirunken? und gewiß niemals bei
einer Versteigerung oder wenn ein Han⸗
deigeschlosfen wird. Darin muͤssen wir uns
die Juden zum Muster nehmen, statt ihrer zu
spotten und uͤber sie zu schimpfen; sonst sind wir
toͤrperlich und geistig gegen sie verloren, und ihre
Enkel werden das Land unserer Vaͤter besitzen.
Denn nicht den Trunkenbolden gebhoͤrt die
Welt, sondern den Fleißigen und Nuͤchter⸗
nen, und diesen wird sie auch zufallen.
Du aber, lieber Leser, der Du den Kalender
in diesem Augenblick in der Hand haͤltst, was
sagst Du zu diesem Allem? Lege die Hand aufs
Herz und frage Dich: ist es wahr, daß der
Branntewein so viel Unheil in der Welt
anrichtet, als der Kalendermann da
behauptern? und ferner: bin ich auch etwa
iner von denen, die der Branntewein
täglich um ihre Groschen und von Zeit
zu Zeit um ihren Verstand bringt? Hoffent⸗
ich beantwortest Du die erste Frage mit ja! und
die zweite mit nein! Solltest Du jedoch so
angluͤcklich sein, auch die zweite mit ja beant⸗
vorten zu muͤssen, dann bitte ich Dich, sofern
Dir Deine Gesundheit, Deive Familie,
Dein zeithliches und Dein ewiges Heil lieb
st, es zu machen wie die braven Amerikner,
und Dir fest vorzunebmen, das Jahr 1839 ein⸗
mal zur Probe ganz ohne Branntewein
hinzubringen. Dann wirst Du sehen, daß
Du am 1. Januar 1840 ein neuer Mensch sein
wirst, und zur Belohnung Deiner Ausdauer sollst
Du am selbigen Tage zum mindesten eine Ka⸗
rolin in Golde finden. I
Zu dem Ende bast Du nur zweierlei zu thun,
was von vielen verstaͤndigen Leuten in Hessen
bereits erprobt worden ist, und regelmaͤßig sort⸗
gesetzt wird.