Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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immer einen Vorwand zu finden, um sich mit 
Kurt von der Arbeit weg zu machen. Bald war 
es ein Geschaͤft bei Amt, bald eine nothwendige 
Verabredung mit einem Nachbarn, die den Haus⸗ 
berrn abrief; und trafen sie den nicht zu Hause, 
so suchten sie ihn auch wohl im Wirthshause auf, 
wo er sich in der Regel aufhielt, und wo sie 
jedeufalls eine Anzahl von Hans Schnapsens 
Freunden und Verehrern fanden, mit denen sie 
dann die Sache vorlaͤufig besprachen, und sich 
meist bis tief in die Nacht unterhielten. Selten 
verging eine Woche, in dernicht Kurts Krech!t 
drei bis vier halbe Tage allein an die Arbeit 
gehen mußte, und war der Herr bis Abends 
spaͤt im Dorfe gewesen, so mußte der Knecht 
auch manchmal des Morgens vorausgehen. Die 
arme Frau that dann was in ihren Kraͤften stand, 
aber bei der Arbeit konnte sie den Mann doch 
nicht ersetzen, und was half ihr Fleiß und ihre 
Sparsamkeit im Hause, wenn der Mann in einem 
Tage mit seinem verrnchten Freunde mehr ver— 
praßte, als sie in einer ganzen Woche erübrigen 
konnte. Sie stellte ihm dies oft mit Thraͤnen 
vor, und beschwor ihn, um ihrer Kinder willen, 
er solle den schlechten Menschen doch verabschie— 
den, und sich und seine Familie nicht so muth— 
willig zu Grunde richten. Dann fuͤhlte Kurt auch 
meist aufrichtige Reue, und gelobte, er werde 
sich gewiß nicht wieder verleiten lassen. Zeigte 
sich aber Hans auch nur von weitem, so waren 
alle guten Vorsaͤtze dahin, und das alte Luder— 
leben begann schlimmer als zuvor. — Fast taͤg 
lich ging es ins Wirthöhaus und als endlich 
Hans Schnaps nichts Neues mehr zu erzaͤhlen 
wußte, wurden die Karten zur Hand genommen, 
um die Zeit zu vertreiben. Hatte es bisher Gro—⸗ 
schen gekostet, so kostete es von nun an Thaler, 
und weil es bet Kurts schlechter Wirthschaft an 
baarem Gelde fast immer fehlte, so ward auch 
fleißig geborgt. Ueberhaupt ward das Wirths— 
haus mehr und mehr die allgemeine Geschaͤfts⸗ 
stube, da ward gekauft und verkauft. Wer 
schlechtes Vieh, steinige Aecker oder sumpfige 
Wiesen recht theuer verkaufen oder verpachten 
wollte, der nabm Hans Schnaps zum Aus— 
rufer an. Dann kaufte jeder zum Tag hinein 
und der Verkaͤufer lachte ins Faͤustchen. Wollte 
aber jemand recht wohlfeil kaufen, dann nahm 
er Hans Schnaps zum Maͤkelsmann und 
suchte den Besitzer im Wirthshause auf. Ehe 
man es sich dann versah, hatte der betruͤgerische 
Hans demselben mitten im Spiele das Pserd, 
die Kuh, oder um was es sich sonst handelte, 
fuͤr ein Butterbrod abgeschwaͤtzt. Selbst seinen 
Freund Kurt betrog er se. Als einst gegen Abend 
die Frau in den Stall kam, um zu melken, traf 
sie einen Juden darin, der eben die beste Kuh 
losband, und keck behauptete, er habe dieselbe 
so eben im Wirthshause von ihrem Manne gekauft 
und auch schon bezahlt. Sie ließ Kurt geschwind 
rufen, denn sie konnte unmoͤglich glauben, daß 
er bei gesunden Sinnen einen so tollen Streich 
habe machen koͤnnen. Recht bei Sinnen war er 
nun freilich nicht webr, aber die Kuh war dar— 
um doch nicht mehr zu retten, denn der Jude 
hatte Zeugen genug, und das Geld war nicht 
nur bezahlt, sondern auch schon von dem Wirthe 
in Beschlag genommen. — Ein andermal ging Kurt 
mit seinem unzertrennlichen Begleiter auf eine 
offentliche Zwangs-Versteigerung. Da fand er Joͤr⸗ 
zen, einen armen aber fleißigen Schneider, der 
sich soviel mit der Nadel verdient hatte, daß er 
sich ein Stuͤckchen Land kaufen konnte. Aus 
bloßen Muthwillen bot ihn Kurt ab, denn der 
ließ ja seine eignen Laͤnder unbestellt, und hatte 
weder Geld noch Credit um neues Land zu kau— 
fen. Joͤrgen hot weiter. Da raunte ihm Hans 
Schnaps ins Ohr: „ich glaube gar, du, der 
reichste Bauer im Dorfe willst dich da von dem 
Nadeloͤhr lumpen lassen!“ Alsbald gluͤhete Kurts 
Gesicht vor Aerger und Hochmuth, und mit einem 
veraͤchtlichen Blicke rief er dem Schneider zu! 
„Hast du etwa Lust, dich mit mir zu messen? 
Nimm dich in Acht, Joͤrgen, sonst verschlingt dich 
mein magerster Gaul sammt Nadel uand Finger⸗ 
hut, und wird doch nicht fett davon.“ Ein 
schallendes Gelaͤchter ertoͤnte von allen Seiten; 
Joͤrgen aber schwieg und ließ sich nicht irre machen, 
sondern trieb dem prahlenden Kurt jeden Acker 
fast auf das Doppelte des eigentlichen Werthes. 
Kürt kaufte Alles; aber was machte er am an⸗ 
dern Tage fuͤr Augen, als er die große Kauf— 
summe baar bezahlen sollte. Nach einigen Wochen 
wurden die Aecker auf seine Gefahr nochmals 
verstelgert, und Joͤrgen kaufte nun um so billi⸗ 
zger, waͤhrend Kurt das Uebrige zuschießen und 
auch die Kosten tragen mußte. Aber auch dazu 
fehlten die Mittel; denn die Glaͤubiger hatten 
schon laͤngst gedroht, weil die Zinsen feit mehre— 
ten Jahren nicht mehr bezahlt waren, und nun 
amen noch Forderungen von allen Seiten, da 
jeder wohl einsah, daß ein selcher Haushalt nicht 
pestehen koͤnne. Die arme Frau war der Ver⸗ 
zweiflung nahe, als eines Tags die Gerichtsdie⸗ 
ner kamen, um die ganzen Habseligkeiten zur 
Pfaͤndung aufzuschreiben. Sie fiel ihnen zu Fuͤ⸗ 
ßen und bat um Schonung. Kurt dagegen, von 
dem teufelischen Hans Schnaps aufgebetzt, gerieth 
in eine furchtbare Wuth. Mit riesiger Kraft 
faßte er den ihm zunaͤchst stehenden Gerichtsbo⸗ 
den, und warf ihn zur Treppe hinab, daß er 
Arm und Bein brach. In demselben Augenblichk 
fielen indeß die andern uüͤber Kurt her und schlepp⸗ 
len ihn ins Gefängniß, von wo er ins Zuchthaus
	        
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