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immer einen Vorwand zu finden, um sich mit
Kurt von der Arbeit weg zu machen. Bald war
es ein Geschaͤft bei Amt, bald eine nothwendige
Verabredung mit einem Nachbarn, die den Haus⸗
berrn abrief; und trafen sie den nicht zu Hause,
so suchten sie ihn auch wohl im Wirthshause auf,
wo er sich in der Regel aufhielt, und wo sie
jedeufalls eine Anzahl von Hans Schnapsens
Freunden und Verehrern fanden, mit denen sie
dann die Sache vorlaͤufig besprachen, und sich
meist bis tief in die Nacht unterhielten. Selten
verging eine Woche, in dernicht Kurts Krech!t
drei bis vier halbe Tage allein an die Arbeit
gehen mußte, und war der Herr bis Abends
spaͤt im Dorfe gewesen, so mußte der Knecht
auch manchmal des Morgens vorausgehen. Die
arme Frau that dann was in ihren Kraͤften stand,
aber bei der Arbeit konnte sie den Mann doch
nicht ersetzen, und was half ihr Fleiß und ihre
Sparsamkeit im Hause, wenn der Mann in einem
Tage mit seinem verrnchten Freunde mehr ver—
praßte, als sie in einer ganzen Woche erübrigen
konnte. Sie stellte ihm dies oft mit Thraͤnen
vor, und beschwor ihn, um ihrer Kinder willen,
er solle den schlechten Menschen doch verabschie—
den, und sich und seine Familie nicht so muth—
willig zu Grunde richten. Dann fuͤhlte Kurt auch
meist aufrichtige Reue, und gelobte, er werde
sich gewiß nicht wieder verleiten lassen. Zeigte
sich aber Hans auch nur von weitem, so waren
alle guten Vorsaͤtze dahin, und das alte Luder—
leben begann schlimmer als zuvor. — Fast taͤg
lich ging es ins Wirthöhaus und als endlich
Hans Schnaps nichts Neues mehr zu erzaͤhlen
wußte, wurden die Karten zur Hand genommen,
um die Zeit zu vertreiben. Hatte es bisher Gro—⸗
schen gekostet, so kostete es von nun an Thaler,
und weil es bet Kurts schlechter Wirthschaft an
baarem Gelde fast immer fehlte, so ward auch
fleißig geborgt. Ueberhaupt ward das Wirths—
haus mehr und mehr die allgemeine Geschaͤfts⸗
stube, da ward gekauft und verkauft. Wer
schlechtes Vieh, steinige Aecker oder sumpfige
Wiesen recht theuer verkaufen oder verpachten
wollte, der nabm Hans Schnaps zum Aus—
rufer an. Dann kaufte jeder zum Tag hinein
und der Verkaͤufer lachte ins Faͤustchen. Wollte
aber jemand recht wohlfeil kaufen, dann nahm
er Hans Schnaps zum Maͤkelsmann und
suchte den Besitzer im Wirthshause auf. Ehe
man es sich dann versah, hatte der betruͤgerische
Hans demselben mitten im Spiele das Pserd,
die Kuh, oder um was es sich sonst handelte,
fuͤr ein Butterbrod abgeschwaͤtzt. Selbst seinen
Freund Kurt betrog er se. Als einst gegen Abend
die Frau in den Stall kam, um zu melken, traf
sie einen Juden darin, der eben die beste Kuh
losband, und keck behauptete, er habe dieselbe
so eben im Wirthshause von ihrem Manne gekauft
und auch schon bezahlt. Sie ließ Kurt geschwind
rufen, denn sie konnte unmoͤglich glauben, daß
er bei gesunden Sinnen einen so tollen Streich
habe machen koͤnnen. Recht bei Sinnen war er
nun freilich nicht webr, aber die Kuh war dar—
um doch nicht mehr zu retten, denn der Jude
hatte Zeugen genug, und das Geld war nicht
nur bezahlt, sondern auch schon von dem Wirthe
in Beschlag genommen. — Ein andermal ging Kurt
mit seinem unzertrennlichen Begleiter auf eine
offentliche Zwangs-Versteigerung. Da fand er Joͤr⸗
zen, einen armen aber fleißigen Schneider, der
sich soviel mit der Nadel verdient hatte, daß er
sich ein Stuͤckchen Land kaufen konnte. Aus
bloßen Muthwillen bot ihn Kurt ab, denn der
ließ ja seine eignen Laͤnder unbestellt, und hatte
weder Geld noch Credit um neues Land zu kau—
fen. Joͤrgen hot weiter. Da raunte ihm Hans
Schnaps ins Ohr: „ich glaube gar, du, der
reichste Bauer im Dorfe willst dich da von dem
Nadeloͤhr lumpen lassen!“ Alsbald gluͤhete Kurts
Gesicht vor Aerger und Hochmuth, und mit einem
veraͤchtlichen Blicke rief er dem Schneider zu!
„Hast du etwa Lust, dich mit mir zu messen?
Nimm dich in Acht, Joͤrgen, sonst verschlingt dich
mein magerster Gaul sammt Nadel uand Finger⸗
hut, und wird doch nicht fett davon.“ Ein
schallendes Gelaͤchter ertoͤnte von allen Seiten;
Joͤrgen aber schwieg und ließ sich nicht irre machen,
sondern trieb dem prahlenden Kurt jeden Acker
fast auf das Doppelte des eigentlichen Werthes.
Kürt kaufte Alles; aber was machte er am an⸗
dern Tage fuͤr Augen, als er die große Kauf—
summe baar bezahlen sollte. Nach einigen Wochen
wurden die Aecker auf seine Gefahr nochmals
verstelgert, und Joͤrgen kaufte nun um so billi⸗
zger, waͤhrend Kurt das Uebrige zuschießen und
auch die Kosten tragen mußte. Aber auch dazu
fehlten die Mittel; denn die Glaͤubiger hatten
schon laͤngst gedroht, weil die Zinsen feit mehre—
ten Jahren nicht mehr bezahlt waren, und nun
amen noch Forderungen von allen Seiten, da
jeder wohl einsah, daß ein selcher Haushalt nicht
pestehen koͤnne. Die arme Frau war der Ver⸗
zweiflung nahe, als eines Tags die Gerichtsdie⸗
ner kamen, um die ganzen Habseligkeiten zur
Pfaͤndung aufzuschreiben. Sie fiel ihnen zu Fuͤ⸗
ßen und bat um Schonung. Kurt dagegen, von
dem teufelischen Hans Schnaps aufgebetzt, gerieth
in eine furchtbare Wuth. Mit riesiger Kraft
faßte er den ihm zunaͤchst stehenden Gerichtsbo⸗
den, und warf ihn zur Treppe hinab, daß er
Arm und Bein brach. In demselben Augenblichk
fielen indeß die andern uüͤber Kurt her und schlepp⸗
len ihn ins Gefängniß, von wo er ins Zuchthaus