Hans Schnaps.
In Kurhessen lebt ein armer Mann, Namens Kurt,
der vor nicht gar langer Zeit noch in bluͤhendem
Wohlstande war. Er besaß einen schoͤnen Bauern⸗
hof, den er mit vier Pferden bestellte, und eine
junge muntere Frau, die ihm bereits drei gesunde
Kinder geboren hatte, machte ihn zu einem der
gluͤcklichsten Maͤnner im Dorfe. Der Anfang war
zwar auch ihm, wie gewoͤhnlich, etwas schwer
rarden, denn er hatte jedem seiner beiden
zeschwister ein nicht unbedeutendes Erbtheil her⸗
auszahlen muͤssen, aber seine Frau war nicht ganz
ohne Vermoͤgen gewesen, und, was noch weit
mehr werth ist, sie war eine tuͤchtige Hausfrau.
Einen Theil seiner Schuld hatte er daher alsbald
lilgen köͤnnen, und von der uͤbrigen wurde jedes
Jahr etwas abgetragen, so daß sich die beiden
jungen Leute schon darauf freueten, in Kurzem
zanz schuldenfrei zu seyn. — Da ward er einst
bon seinem Gevatter im naͤchsten Dorfe zur Kir⸗
mes geladen. Bei dem gings hoch her, denn er
hatte viele Gaͤste, und Kurt fand auch manchen
zuten Bekannten darunter. Nur eins war ihm
unangenehm, er traf naͤmlich auch einen Gast,
der in keinem guten Rufe stand, von dessen schlech⸗
ten und boshaften Streichen man sich uͤberall
diel zu erzaͤhlen wußte, und dem Kurt's ver⸗
storbener Vater den Eintritt in sein Haus ganz
untersagt hatte, weil er schon damals einen bra⸗
ben Mann durch seine Verfuͤhrungskuͤnste an den
Bettelstab gebracht hatte. Und dieser Gast,
Namens Hans Schnaps, schien bei dem
Herrn Gevatter fast ganz wie zu Hause zu seyn.
Haͤtte Kurt das vorher gewußt, so waͤre er viel⸗
leicht gar nicht hingegangen, doch nun konnte
er ihm nicht mehr ausweichen; inzwischen nahm
er sich vor, recht auf seiner Hut zu seyn, um
ja nicht etwa mit dem rohen zaͤnkischen Manne
Haͤndel zu bekommen. — Zu seinem nicht gerin⸗
gen Erstauen fand er jedoch, daß dieser gefuͤrch⸗
tete Gast hier weder so heftig noch so zanksuͤch⸗
tig war, wie man ihm denselben immer geschil—
dert hatte, sondern daß er sich vielmehr so freund⸗
lich, scherzhaft und gespraͤchig benahm, daß Alle
gestehen mußten, die drei Kirmestage haͤtten ihnen
gewiß Langeweile gemacht, wenn Hans nicht dabei
gewesen waͤre. — Kurt hatte lange so keine ver⸗
gnuͤgten Tage gehabt, und als er die Gesellschaft
nun auch auf die Kirmes in seinem Dorfe lud,
durfte natuͤrlich Hans Schnaps nicht vergessen
werden. Bei diesem ersten Besuche benahm sich
derselbe ebenfalls ganz manierlich; ja, als die
andern Gaͤste abzogen, hatte er sich bei Kurt
schon so einzuschmeicheln gewußt, daß dieser
ihn noch laͤnger zu bleiben bat, wenn er den
laͤndlichen Arbeiten ebensoviel Geschuack abzu⸗
gewinnen wisse,“ als den Kirmestagen. Das
war Alles, was Hans Schnaps verlangte. Er
ließ sich alle Bedingungen gefallen, und war
gegen Jedermann so freundlich und so gefaͤllig—
daß er bald der Liebling des ganzen Hauses
wurde. Die Arbeit ging flinker, wenn Hans
Schnaps dabei war, und kam ein Feiertag,
so konnte man kaum noch die Zeit herumbringen,
wenn er nicht die Grillen vertreiben balf, sogar
behauptete Kurt, viel besser zu schlafen, wenn
ihm Hans gehoͤrig gute Nacht gesagt hatte.
Freilich merkte Kurt bald, daß sein neuer Gast
keineswegs so wohlfeil sei, als er anfangs geglaubt
hatte, denn hatte derseibe auch gerade nicht viele
Beduͤrfnisse, so wußte er doch fuͤr jeden baaren
Groschen, der eingenommen wurde, irgend ein
Vergnugen in Vorschlag zu bringen. Die Gro⸗
schen⸗Esunahmen aus dem Haushbhalt fuͤr Milch,
Butter und Kaͤse pflegten daher nicht mehr zu
Thalern anzuwachsen, sondern es wurde sogar bei
zroͤßern Einnahmen von verkauften Fruͤchten u. dgl.
aoch mancher Thaler auf Hans Schnapsens
Rath zu Groschen gemacht, und als das erste
Jahr verflossen war, mußte ein fettes Schwein
verkauft werden, das sonst in den Haushalt
geschlachtet wurde, um nur die schuldigen Zinsen
ju bezahlen. Vom Abtragen eines Tbeils des
Kapitals war diesmal keine Rede. Fuͤr Kurts
Frau war das ein rechter Kummer, er aber troͤ⸗
sete sie mit der Hoffnung, daß die Ernte im
naͤchsten Jahr guͤnstiger sein werde, und was
Haus Schnaps betreffe, dessen gaͤnzliche Ent⸗
fernung die Frau gern gesehen hätte, so meinte
er, sie seien ja beide jung und wohlhabend, sie
muͤßten ihr Leben noch ein Paar Jahre genießen,
die Arbeit werde ihnen dann doch nicht geschenkt
werden.
Diese neue Lehre: daß man vor allen
Dingen das Leben genießen und die
Arbeit so lange als moͤglich aufschie⸗
ben muͤsse, hatte ihm der boshafte Hans bloß
in der Absicht beigebracht, damit er ihn desto
sicherer zu Grunde richten koͤnne; denn sobald
Kurt statt des biblischen Ausspruches: „Im
Schweißße deines Angesichts sollst du
dein Brod essen“ diese Suͤndenlehre ange⸗
nommen hatte, so war auch seine Herrschaft im
Hause verloren, und Hans Schnaps begann
den Meister zu spielen. Bisher hatte derselbe
wenigstens die ganze Woche fleißig mitgearbeitet
aund nur Abends etwas fruͤher Feierabend gemacht,
oder Sonntags irgend eine Tanzpartie veran⸗
staltet. Jetzt aber wußte er auch in der Woche