Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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man sie gar nicht zu toͤdten, denn wenn man 
fie an eivem kuͤhlen Orte aufbewaͤhrt, so kann 
man sie 20 Tage lang halten, ehe sie ausgehen. 
Aus den zur Zucht bestimmten Seidenpuppen 
brechen die Schmetterlinge, je nachdem sie der 
Waͤrme ausgesetzt werden, vom 12ten bis zum 
Wsten Tage hervor, und zwar in der Regel in 
den ersten Stunden nach Sonnenaufgang. Man 
verfaͤhrt dann auf folgende Weise: Das Zimmer, 
in welchem man sie aufbewahrt, wird dunkel 
gehalten, und ehe sie ausgehen, trennt man, so 
piel als thunlich, die weiblichen Puppen von 
den maͤnnlichen. Sind nun die Schmetterlinge 
herausgekrochen, so wartet man bis die Weibchen 
eine fluͤssige Feuchtigkeit von sich gegeben haben, 
alsdann setzt man sie mit den Maͤnnchen paarweise 
auf ein anderes Papier, wo sie sich alsbald ver⸗ 
einigen, nach 6 bis 8 Stunden trennt man die 
Paare, laͤßt die Weibchen sich noch einmal reinigen 
und bringt sie auf einen anderen Bogen Papier 
oder auf ein Stuͤck Leinwand, wo sie binnen 
zwei bis drei Tagen ihre Eier legen und spaͤter⸗ 
hin, ohne etwas zu sich zu nehmen, sterben. Das 
Papier, auf welchem die Eier ganz fest haͤngen, 
rollt man alsdann zusammen und hebt es an 
einem trockenen kuͤblen Orte, wo weder Ratten 
noch Maͤuse hinzukommen koͤnnen, etwa in 
einem Weißzeugschranke, sorgfaͤltig auf. Sollte 
die Waͤrme an diesem Orte bis zu 14 Grad 
Nuͤtzliche 
„Rom ist nicht in einem Tage erbaut 
vworden.“ Damit entschuldigen sich viele fahr⸗ 
laͤssige und traͤge Menschen, welche ihr Geschaͤft 
nicht treiben und vollenden moͤgen, und schon muͤde 
sind, ehe sie recht anfangen. Mit dem Rom ist es 
aber eigentlich so zugegangen. Es haben viele 
fleißige Haͤnde viele Tage lang vom fruͤhen Morgen 
bis zum spaͤten Abend unverdrossen daran gearbeitet 
und nicht abgelassen, bis es fertig war und der Hahn 
auf dem Kirchthurm stand. So ist Rom entstan⸗ 
den. Was du zu thun hast, mach's auch so! 
„Frisch gewagt ist halb gewonnen.“ 
Daͤraus folgt: „Frisch gewagt, ist auch halb 
verloren.“ Das kann nicht fehlen. Deßwegen 
sagt man auch: „Wagen gewinnt, Wagen 
berliert.“ Was muß also den Ausschlag ge⸗ 
ben? Pruͤfung, ob man die Kraͤfte habe zu dem, 
was man wagen will, Ueberlegung, wie es 
anzufangen sey, Benutzung der guͤnstigen Zeit 
and Umstaͤnde, und hintennach, wenn man sein 
muthiges A. gesagt hat, ein besonnenes B., 
and sein bescheidenes C. Aber so viel muß wahr 
bleiben: Wenn etwas Gewagtes soll unternommen 
werden, und kann nicht anders seyn, so ist ein 
frischer Muth zur Sache der Meister, und der 
muß dich durchreißen. Aber wenn du immer willst, 
deigen, so muß man die Eier lieber auf einige 
Zeit in einen trockenen Keller bringen. 
Zum Abhaspeln der Kokons gehoͤrt eine be 
ondere Vorrichtung, und es muß dies eigends 
zelernt werden, der hessische Landmann“ thut 
daher am Besten, wenn er die Kokons alsbald 
aach Cassel schickt, wo der Kurf. Gewerbsverein 
das Pfund fuͤr 12 gGr. kauft, und wenn die 
Seide theurer verkauft wird, sogar den Ueber— 
Vuß nachzahlt. Etwa 300 Kokons wiegen ein 
pfund, und es gehoͤren 8 bis 10 Pfund Kokons 
dazu, um ein Pfund reine Seide zu gewinnen. 
JFe laͤnger man die Kokons aufhebt, desto mehr 
»erlieren sie am Gewicht und am Werth, audh 
nuß man sie an einen luftigen Ort legen, und 
venn man sie verschickt, nicht lange in der Kiste 
assen, sonst schimmeln sie. In hoͤchstens acht 
Wochen ist die ganze Arbeit voruͤber und das 
»aare Geld geloͤst, denn das ist eine Hauptsache 
ei der Seide, daß sie immer Kaufmannsgut ist 
ind nie liegen bleibt. 
Sollte einer der Leser die Sache erst ansehen 
vollen, ehe er einen Versuch macht, oder uͤber 
das eine und andere noch muͤndlich belehrt sein, 
kann er sich in Cassel an den Bibliothekar 
Bernhardi und in Allendorf an den Kantor 
kandgrebe wenden, welche ihm ihre Vorrich— 
rungen zeigen und ihm gern uͤber alles Auskunft 
ertheilen werden. 
Lehren. 
und faͤngst nie an, oder du hast schon angefangen, 
and es reut dich wieder, und willst, wie man fagt, 
auf dem trockenen Lande ertrinken, guter Freund, 
dann ist „schlecht gewagt ganz verloren.“⸗ 
„Es ist nicht alles Gold, was glaͤnzt.“ 
Mancher, der nicht an dieses Sprichwoͤrt denkt, 
vird betrogen. Aber eine andere Erfahrung 
vird noch oͤfter vergessen; „Manches glaͤnzt 
nicht und ist doch Gold,“ und wer das 
nicht glaubt, und nicht daran denkt, der ist noch 
chlimmer daran. In einem wohlbesteilten Acker, in 
einem gut eingerichteten Gewerbe ist viel Gold ver⸗ 
»orgen, und eine fleißige Hand weiß es zu finden, 
uind ein ruhiges Herz dazu und ein gutes Gewissen 
zlaͤnzt auch nicht, und ist noch mehr als Goldes 
verth. Oft ist gerade da am wenigsten Gold, 
vo der Glanz und die Prahlerei am groͤßten ist. 
Wer viel Laͤrm macht, hat wenig Muth. Wer viel 
»on seinen Thalern redet, hat nicht viel. Einer 
zrahlte, er habe ein ganzes Simri (Scheffel) 
dukaten daheim. Als er sie zeigen sollte, wollte er 
ange nicht daran. Endlich brachte er ein kleines 
zundes Schaͤchtlein zum Vorschein, das man mit 
der Hand decken konnte. Doch half er sich mit 
einer guten Ausrede. Das Dukaten⸗Maß, sagte 
er, sey kleiner als das Frucht-⸗ Maß. (Hebel).
	        
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