Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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zu pflanzen pflegt, oder man rodet in dem Rasen 
rin etwa zwei Fuß breites Beet, pflanzt darauf 
drei- bis vierjaͤhrige Staͤmmchen in einer Ent⸗ 
fernung von ungefaͤhr drei Fuß von tinander, 
ind haͤlt sie fuͤns Fuß hoch. Uebrigens laͤßt man 
sie frei wuchern, befreiet sie von allem Unkraut, 
begießt sie bei zu trocknem Wetter und schneidet 
in Fruͤhjahr die erfrorenen Spitzen mit einer 
Heckenscheere bis aufs gruͤne Holz zuruͤck. Dann 
Inn man schon im dritten Jahre auf reichliches 
Futter rechnen, und durch das jaͤhrliche Beschnei⸗ 
den wird sie nach und nach ganz wie eine Hecke. 
Dill man alle 20 Fuß ein hochstaͤmmiges Baͤumchen 
die Hecke pflanzen, so kann man auf einem 
Beele von WO Fuß Laͤnge ein Kapital anlegen, 
velches sich, wenn man die Muͤhe des Futters 
zicht rechnet, nach wenig Jahren mit 10 bis 
15Thalern verzinfet. Hat man kein solches 
Freumdstuͤck, so muß man hochstaͤmmige Baͤume 
oflanzen und zwar entweder auf Gemeindehuten, 
zoer sauf Raine zwischen den Aeckern. Dazu 
waͤhlt man dann vorzugsweise solche Stellen, 
wo sie eine sonnige Lage haben, und gegen die 
Norbwinde einigermaßen geschuͤtzt sind; frischer 
Sandboden ist ihnen am guͤnstigsten, doch 
Kimmen sie auch im Kalk und selbst im Thon⸗ 
hoden fort, nur in nassen und moorigten Ge⸗ 
genden gedeihen sie nicht. Die Hochstaͤmme 
Derden in der Pflege wie Obstbaͤume behandelt, 
and muͤssen ebenso sowohl gegen das zahme Vieh, 
is gegen das Wild mit Voͤrnern sorgfaͤltig ge⸗ 
schuͤtzt werden. 
Der Kurfuͤrstliche Landwirthschafts-Verein in 
Cassel pflegt die Maulbeerstaͤmmchen unentgeldlich 
zu verabfolgen, wenn man sich bei Zeiten darum 
ewirbt, doch kann man sie auch in Allendorf 
bei Herrn Kantor Landgrebe haben, und bei 
den Gaͤrtnern in Cassel, welche das Stuͤck, je 
nach dem Alter, zu 18Gr. bis 4g6Gr. verkaufen. 
Uebrigens ist zu bemerken, daß sich die Maunl⸗ 
beerbͤume, fast wie die Weiden, auch durch 
Sltegklinge fortpflanzen lassen. 
2 Der zür Seidenzucht erforderliche Raum. 
Um 40,000 Seidenraupen zu erziehen, welche 
bei sorgfaͤltiger Pflege immerhin 50 Thlr. 
einbringen werden, bedarf es nur eines mittel⸗ 
maͤßigen Zimmers; dasselbe darf jedoch weder 
feucht, noch dumpfig seyn, und muß einen 
dfen haben, damit man bei kaltem Wetter immer 
die gehoͤrige Waͤrme erhalten koͤnne · Hat man 
die Wahl so nimmt man am liebsten ein auf 
der Morgenseite gelegenes Zimmer, weil die 
Kaͤupen die Helligkeit lieben und weder Feuch⸗ 
tigkeit noch die unmittelbaren Sonnenstraͤhlen 
edragen koͤnnen; auch hat es kein Bedenken, 
Fent man ein kates Zimmer auf vier Wocheu 
u diesem Zwecke bestimmen will, denn die Raupen 
riechen nicht umher und verderben nichts. Wer 
rur etwa 4000 Seidenraupen ziehen will, der 
'ann sie sogar in der Wohnstube oder in der 
Schlafkammer unterbringen, wenn nur die Luft 
gsehoͤrig erneuert wird. Viertausend Seidenraupen 
jaben in den ersten acht Tagen auf einer Horde 
»on 3 Fuß Laͤnge und 15 Zuß Breite hinlaͤnglichen 
saum; in der zweiten Woche werden deren zwei, 
n der dritten vier, in der vierten acht und in 
zer fuͤnften zwoͤlf Horden ausreichen. Diese 
dorden werden ganz leicht geflochten und mit 
papier belegt. Damit sie nicht zu viel Raum 
innehmen, macht man einfache Lattengeruͤste, 
uuf welche vier bis sechs Horden nebeneinander 
ind vier uͤbereinander gestellt werden koͤnnen. 
Wo Mäuse sind (denn diese fressen sowohl die 
Raupen als auch die Puppen sehr gern), da muß 
das Geruͤste in der Mitte des Zimmers ange⸗ 
racht und das Fußgestell mit losem Papier 
»erwahrt werden. Auch vor den Spinnen muß 
man sie bewahren. 
8) Die Pflege. 
In unseren Gegenden kann der Seidenbau ge⸗ 
vdhnlich schon in der ersten Haͤlfte des Juni 
»eginnen, wenn naͤmlich die Maunlbeerblaͤtter 
twa die Groͤße von Rosenblaͤttern erreicht haben, 
ind die Waͤrme der freien Luft der gewoͤhnlichen 
Stubenwaͤrme so ziemlich gleich kommt. Befuͤrchtet 
nan Mangel an Blaͤttern, so wartet nman lieber 
noch einige Wochen, weil dann die Baͤume weit 
mehr Laub liefern. Sollen nun die Eier, welche 
nan bis dahin an einem trockenen und kuͤh⸗ 
en Orte aufbewahrt hat, ausgehen, so legt 
nan sie in einen inwendig mit Papier uͤberzoge⸗ 
Schachteldeckel, bedeckt sie mit einem anderen 
Papier, welches man mit einer dicken Steck—⸗ 
zadel oder mit einem Nagel ganz durchloͤchert 
jat, und setzt sie einer Waͤrme von etwa 14 Grad 
zus, die man dann von Tag zu Tag bis auf 
22 Grad steigert. Man muß sich daher fuͤr den 
Anfang einen Thermometer; mit der Eintheilung 
nach Reaumur zu verschaffen suchen; bei einiger 
debung fuͤhlt man auch ohne denselben, ob die 
Waͤrme angemessen ist oder nicht. Nach 8 bis 
O Tagen gehen die Eier aus, und die Raͤupchen 
ommen durch die Loͤcher des Papiers, womit 
ie bedeckt sind, hervor, um Futter zu suchen; 
»ann legt man immer einige Blaͤtter auf das 
urchloͤcherte Papier, und bringt dieselben, fobald 
de voll Raͤupchen sind, auf eine Horde. Die 
daͤlfte der Eier pflegt man aus Vorsicht zuruͤck 
u behalten, um, fuͤr den Fall, daß die erste 
Brut mißgluͤckt, nicht den ganzen Jahresertrag 
zu verlieren. * 
Da sich die Seidenraupen viermal haͤuten, ehe 
sie sich einspinnen, und bei jeder Haͤutung in 
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