Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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Und um diese trefflichen Arbeiter hast du dich 
noch nicht bekuͤmmert, hast noch keine in deine 
Dienste genommen, und hast noch nicht versucht, 
dir damit etwas zu verdienen! Gestehe daß du 
Unrecht hast, daß du zwar immer uͤber schlechte 
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wenn es gilt, ein paar Thaler zu verdienen, 
und wenn die Frucht nichts gilt und der Flachs 
nicht geraͤth, so darbst du lieber und legst die 
Hand in den Schooß, als daß du dir irgend 
einen anderen Verdienst auszumachen suchest. 
Darum habe ich dir nun diesen neuen Verdiensi 
ausgemittelt, und nun wollen wir sehen, ob du 
wenigstens so klug bist, dir denselben zu Nutze 
zu machen. 
Freilich laͤßt sich diese Spinnerei nicht das 
ganze Jahr hindurch treiben, denn sonst wuͤrden 
wir wohl Alie nichts besseres thun koͤnnen, als 
nur immer tuͤchtig spinnen lassen, sondern man 
kann im Jahre nur sechs Wochen lang spinnen; 
wer es daher im Großen treiben will, der muß 
auch große Anstalten treffen, und wenigstens ein 
kleines Kapital hineinstecken, aber wenn man 
auch gar kein baares Geld anwenden will, so 
kann man doch einige Pfunde zusammenbringen, 
und ein Nebenverdienstchen von etwa 10 Thalern 
ist nicht zu verachten, besonders da die Spinnzeit 
meist noch vor die Heuernte faͤllt, mithin der 
kandmann seine Spinner beauffichtigen kann, 
ohne etwas zu versaͤumen. 
Wer sind aber nun diese wunderbaren Spinner? 
Es sind die Seidenraupen, eigentlich 
Chinesen von Geburt, die nun endlich uͤber 
Griechenland, Italien und Frankreich auch zu 
uns nach Deutschland gelangt sind. Die Chinesen 
hatten Todesstrafe darauf gesetzt, wenn Jemand 
Eier, aus denen die Seidenraupen kommen, ins 
Ausland bringen wuͤrde, und dadurch war es 
ihnen gelungen, die Seidenzucht uͤber tausend 
Jahre lang geheim zu halten, bis endlich vor 
etwa 1300 Jahren ein griechischer Kaiser das 
Geheimniß durch zwei Moͤnche erfuhr, welche 
die Eier in ihren hohlen Wanderstaͤben heimlich 
aus CThina holten. Doch auch in Griechenland 
betrieb man nun die Sache moͤglichst geheim, so 
daß erst nach 600 Jahren die Seidenzucht in 
Italien und zwar ganz zufaͤllig durch Kriegs— 
zgefangene bekannt wurde. Die Italiener 
machten es wieder ebenso, und wußten sich auch 
uͤber 400 Jahre lang wat den Griechen im alleini— 
gen Besitze des Seidenbaues zu behaupten. Erst 
ums Jahr 1600 versuchte der um das Wohl 
seiner Unterthanen so sehr besorgte Koͤnig Hein— 
rich IV von Frankreich die Seidenzucht in seinem 
Vaterlande einzufuͤhren. Aber da schuͤttelten im 
Anfang die meisten Leute den Kopf, und meinten, 
was in dem heißen Italien gedeihe, das koͤnne 
n dem gemaͤßigten Frankreich nicht fortkommen, 
a sogar seine eigenen Minifter hatten keinen 
Glauben daran. Doch der Koͤnig ließ sich nicht 
irre machen, und heut zu Tage verdienen 
die Fraͤnzosen jaͤhrlich zwanzig Mil⸗ 
lionen Thaler an der Seide. — Auch in 
Deutschland hat man vor ungefaͤhr 50 Jahren 
schon einen Versuch mit dem Seidenbau gemacht, 
aber man griff die Sache nicht gehoͤrig an; in 
einigen Gegenden wollte man es mit Zwang 
und Privilegien foͤrdern, in anderen bauete man 
theuere Haͤuser und stellte viele Leute an, so daß 
die Unkoͤsten allen Gewinn aufzehrten. Dazu 
kamen die Kriegszeiten, wo man froh war, wenn 
man die Aecker gluͤcklich ausgestellt hatte, und 
wo bei den vielen Einquartirungen weder an Raum 
noch an Ruhe fuͤr die Seidenraupen zu denken 
war. So wurden sie ganz und gar vergessen, 
und wir haben von den fruͤheren Versuchen nur 
noch den Vortheil, daß in Staͤdten und Doͤrfern 
noch einzelne Maulbeerbaͤume stehen, welche 
man alsbald zur Seidenzucht benutzen kann, 
waͤhrend man sonst erst Maulbeerbaͤume pflanzen 
muß; denn diese Raupen naͤhren sich eigentlich 
nur von Maulbeerlaub. Wenn sie gar nichts 
anderes kriegen, so fressen sie wohl auch ganz 
jungen Lattig und Scorzonerblaͤtter, aber sie 
werden leicht krank davon und sterben dann in 
Menge. 
Was ist nun aber zur Seidenzucht 
all' erforderlich, und wie muß ich es 
anfangen, um die ersten fünf Thaler 
zu verdienen? 
Dazu gehoͤrt dreierlei: 
1) Maulbeerbaͤume, 
— gehoͤrig eingerichteter Raum, 
un 
3) sorgfaͤltige Pflege. 
Ich will von jedem dieser drei Erfordernisse 
desonders sprechen 
1) Maulbeerbaͤume. 
Da 1000 Seidenraupen fast das ganze Laub 
hon einem ausgewachsenen Baume verzehren und 
beinahe 4000 Raupen dazu gehoͤren, um, selbst 
bei den niedrigsten Preisen, fuͤnf Thaler aus 
den Seidenpuppen oder Kokons zu loͤsen, so 
muß man alsbald recht viele Baͤume und Hecken 
pflanzen, wenn man in den naͤchsten Jahren 
etwas Betraͤchtliches damit verdienen will. Zu 
diesem Zwecke sind besonders die Hecken zu 
empfehlen, weil man die schon im zweiten oder 
dritten Jahre schneiden kann, nur muͤssen sie 
gegen das Vieh, besonders gegen die Ziegen 
geschuͤtzt seyn, weil diese das Maulbeerlaub gar 
gern fressen. Besitzt man ein eingefriedigtes 
Grundstuͤck, so kann man entweder das Grabland 
damit einfassen, gleichwie man Stacheldeerduͤsch⸗
	        
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