Full text: Kurhessischer Kalender // Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen (1836-1845)

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Baͤrten, Felder und Fluren. Es giebt auch in 
der Baukunst ewige und allgemein guͤltige Gesetze, 
an welchen sich kein Mensch ungestraft versuͤndi⸗ 
gen kann. Das Beduͤrfniß fordert Zweckmaͤsig⸗ 
keit, der Zweck Dauerhaftigkeit, der Verstand 
Einheit, das Auge und das Schoͤnheitsgefuͤhl 
Ebenmaas, Ordnung und Wohlgefaͤlligkeit. Wer⸗ 
den die hierauf gegruͤndeten Regeln verletzt, so 
wird der Bau fehlerhaft: ihr habt dann kein in 
allen seinen Theilen vollkommenes Ganzes. Im 
menschlichen Geiste liegen urspruͤnglich sowohl die 
Gesetze des Wahren und Rechten, als auch die 
Regein, nach welchen du messen und eine gege⸗ 
bene Flaͤche behandeln, oder ein Haus auffuͤhren 
sollst um Festigkeit mit Zweckmaͤsigkeit und Ein⸗ 
heit zu verbinden. 
Schlußwort. 
Das Verbessern und Verschoͤnern kostet euch 
haͤufig keinen Heller, und bringt doch gewoͤhnlich 
zute Zinsen. Wenn ihr z. B. bauen muͤßt, so 
kostet's euch schwerlich einen Kreuzer mehr, wenn 
ihr ein zweckmaͤsig und verstaͤndig augelegtes Haus 
auffuͤhrt, als wenn ihr unzweckmaͤsig, finster, 
ungesund und feuergefaͤhrlich bauet, und wenn 
ihr in den schlechten Dorfwegen das Vieh zu 
Grunde richtet, fso kann in einem Jahre mehr 
derloren werden, als euch die Herstellung eines 
fchtigen Weges gekostet haͤtte. Es wird euch 
ja nicht zugemuthet, Prachtgebaͤude zu errichten, 
oder Parks aus euern Gaͤrten und Feldern zu 
machen; man will nur, daß ihr Alles regelmaͤsig, 
ordentlich, verstaͤndig anleget, es reinlich haltet, 
entstandene Schaͤden sogleich ausbessert und wo 
sich die Gelegenheit zeigt, etwas Besseres an die 
Stelle des unscheinbar Gewordenen, Veralteten 
und Schlechten setzt. Habt nur Lust und guten 
Willen; euer Geid brauchen wir nicht, und waͤre 
ja welches von noͤthen, — der gute Wille giebt 
auch gern. Folget nur dem Rathe einsichtsvoller, 
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der Sache kundiger und wohlwollender Maͤnner; 
verschaffet euch nur selbst die erforderliche Kennt⸗ 
niß und zuletzt werdet ihr euch selbst freuen, 
daß es in eurem fuͤnfzigsten Jahre anders im 
Wohnorte und in der Gegend geworden ist, als 
in eurem Knaben⸗ und Juͤnglingsalter. 
Es ist nicht zu bestreiten, daß mit der zuneh⸗ 
menden Landesverschoͤnerung auch die Landes⸗ 
vohlfahrt zunehmen werde und muͤsse. Und zwar 
ist diese Wohlfahrt nicht sowohl in Vermehrung 
des Geld⸗Reichthums und der Wohlhabenheit der 
kinwohner, als in ihrem Wohlbefinden, in 
zewissen sittlichen Eigenschaften und in einer, aus 
diesen hervorgehenden Denkart und Gemuͤthsver⸗ 
fassung zu suchen. Allerdings wird zwar ein 
dluͤhendes und schoͤnes Land auch mehr eintragen 
und ist mehr werth, als eine Einoͤde, oder ein 
vuͤster Boden; der Nationalwohlstand beruhet 
aber nicht sowohl auf dem im Lande befindlichen 
und umlaufenden Gelde, als auf dem bestmoͤg⸗ 
ichst benutzten und den moͤglich hoͤchsten Ertrag 
zewaͤhrenden Erdstriche und auf dem frohen und 
zluͤcklichen Daseyn seiner Bewohner. Wohnt man 
in einer schoͤnen Gegend, in einem wohlgelegenen 
und verstaͤndig angelegten Hause, so verlaͤßt man 
es ungern und sehnt sich bald wieder zuruͤck. 
Nirgends ist uns so wohl, als in der geliebten, 
schoͤnen Heimath. Gesetzt nun, Alle wohnen, 
venn nicht herrlich, doch anmuthig, bequem, 
reinlich,“gesund: wird dann nicht, dafern sie 
nur des Herzens Frieden nicht durch Leidenschaf⸗ 
ten und schlechtes Verhalten selbst untergraben, 
Freudeund Zufriedenheit in ihren Haͤusern 
einkehren; werden nicht alle Familienglieder sich 
zluͤcklich, auch bei Wenigem sich gluͤcklich fuͤhlen; 
ist dann nicht mindestens einer Menge Unannehm⸗ 
lichkeiten die Wurzel abgeschnitten und die Quelle 
dieles Truͤbsinnes, uͤbler Laune, selbst mancher 
Krankheit verstopft? Gewiß die Menschen wer⸗ 
den um so besser und edler, eine je veredeltere 
Natur sie umgiebt. 
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Nachricht 
von der in Hessen neu angekommenen großen Spinnergesellschaft. 
Schon vor laͤnger als einem Jahre ist diese 
Spinnergesellschaft in Hessen angekommen, hat 
schon fuͤr manchen Thaler gesponnen, hat sich 
fast in allen Zeitungen ankuͤndigen lassen, und 
du, lieber Leser, weißt vielleicht noch gar nichts 
davon, oder hast sie doch wohl noch nicht gefe⸗ 
hen! — Woher kommt das? Diese neuen Spinner 
lassen sich doch sehen, ohne daß man Geld zu 
bezahlen braucht, sie spinnen obne Spindel und 
vad, sie nehmen weder Flachs noch Hauf zu 
brer Arbeit, und begehren auch keinen Tagelohn, 
vndern sie spinnen Tag und Nacht fuͤr einfache 
Kost, die sie sogar ohne Salz und Schmalz mit 
zroßem Appetit verzehren, und dabei spinnen sie 
so fein, daß zehn ihrer Faͤden noch feiner sind, 
als der feinste flaͤchsene Faden, der in Hessen 
zesponnen wird, und das Pfund ihres Gespinnstes 
ostet Jahr aus Jahr ein wenigstens fuͤnf Thaler!
	        
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