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ging guten Mutes an sein Geschäft. Das war der Schiffs—
koch, der brachte es fertig, im Kohlenhaus einen „neun—
drätigen“ Kaffe zu kochen und mit diesem Labetrank seinen
halbtoten Kammeraden neues Leben in die Adern zu flößen.
Und welches Zaubermittel hatte dieser Schiffskoch ange—
wendet um sich wiederzubeleben, zu seinem Amte zu stärken
und dann seinen Leidensbrüdern die unsäaliche Woliat zu
erweisen?
Antwort: Er hatte sich, als er vom Lager aufgestanden
war, eine noch vom Tage zuvor gestopfte PPfeife Tabak an—
gezündet. Und als die Kameraden mit den dampfenden
Kaffeetassen auf das Wol des tapferen Schiffskochs anstießen,
der nie den Mut und die Tattraft verliere, auch in den
schlimmsten Stunden nicht: da blies der wackere Seemann
eine gewaltige Dampfwolke aus seinem Pfeifenstummel und
sagte mit größter Gemütsruhe: „So lang ich noch Tabak
habe, mache ich mir aus dem Allen gar nichts.“
Ein Capitel von der Maͤßigkeit.
Den Kalenderschreiber beißt das Gewißen ein wenig,
darüber, daß er am Ende gar durch das Lobd des Tabats
in vorstehendem Aufsatz den Leser aufgemuntert hat, seine
Pfeife noch fleißiger als vordem zu stöͤpfen und noch mehr
blaue Dampfringe in die Luft zu blasen als bisher. Des—
wegen soll hier daran erinnert sein, daß von dem edlen
Kraut genau dasselbe gilt, was Jesus Sirach sagt: „Der
Wein erquickt dem Menschen das Leben, so man ihn
mäßiglich trinkt.“
Um aber jeglicher nachteiliger Wirkung der Geschichte
vom Schiffskoch der Hansa noch kräftiger vorzubeugen, sei
hier als Gegengift eine wahre und lehrreiche andere Tatsache
mitgeteilt.
In Venedig wurde im Jahre 1467 reichen und vor—
nehmen Eltern ein Sohn geboren, der in seiner Jugend und
der ersten Hälfte des Mannesalters alle Vorteile des Reich—
tums und der Vornehmheit seines Hauses in Ueppigkeit
genoß, ein schwelgerisches Leben fürte und in Folge dessen
so elend und gebrechlich wurde, daß ihm eines Tages, als
er kaum das vierzigste Jahr erreicht hatte, die Aerzte an—
kündigten, er könne keine zwei Monate mehr leben, wenn
er nicht einen ganz anderen Lebenswandel beginne und
wenn er nicht die größte Mäßigkeit namentlich im Essen und
Trinken übe.
Dieses Todesurteil bewog den vornehmen Venetianer,
Ludwig Cornaro hieß er, in sich zu gehen und den festen
Entschluß eines neuen Lebens zu faßen. Er fing an seine
leibliche Nahrung auf das allergeringste Maß herabzusetzen
und nur noch eben so viel zu essen und zu trinken, als die
äußerste Notdurft erforderte. Kaum hatte Ludwig Cornaro
diese Lebensweise einige Tage hindurch gefürt, so fülte er
sich in seinem Befinden woler als jemals zuvor. Er beschloß
daher, fortan dabei zu bleiben und nahm dann viele Jaͤhre
hindurch täglich nicht mehr als, Alles zusammengerechnet,
bierundzwanzig Loth feste Speise und sechsundzwanzig Loth
Hetränk zu sich. Dabei vermied er statke Erhitzung und
Erkältung des Leibes wie jede leidenschaftliche Aufregung der
Seele. Durch diese körperliche und geistige Mäßigkeit erwarb
sich Ludwig Cornaro ein Wolbefinden und eine Heiterkeit
des Gemüts, wie sie nur selten bei einem Menschen vor—
zanden gewesen sein mögen. Er selbst hat im dreiundachtzigsten
Jahre seines Lebens ein merkwürdiges Buch über die Ge—
schichte desselben verfaßt, in welchem er die wundersame
Veränderung, die mit ihm vorgegängen, erzält, das hohe
ßlück, welches ihm durch die Mäßigkeit zu Teil geworde
zreist und die Mittel angibt, wie er zu demselben gelan—
war.
In diesem Buche teilt Ludwig Cornaro auch mit, da
er sich, achtzig Jahre alt, habe durch seine Freunde berede
sassen, von der langjärigen Gewohndeit abzuweichen un
(weil man ihm vorgestellt, in seinem hohen Älter müssen
ju seiner Kräftigung mehr Nahrung zu sich nehmen als bi
her) seine tägliche Speise auf 28 und sein Getraͤnk au
32 Loth zu erhöhen. „Kaum hatte ich“, so erzählt er, „die
Lebensweise zehn Tage fortgesetzt, als ich anfing, statt meine
borigen Munterkeit und Fröhlichkeit, kleinmütig, verdroßen
mit mir und Andern unzufrieden zu werden. Am drelzehnte
Tage überfiel mich ein Fieber das über einen Monat'fort
dauerte, so daß man an meinem Aufkommen zweifeltt
Aher durch Gottes Hülfe und meine vorige Diät erholte id
mich wieder und genieße nun in meinem 83. Jahre de
angenehmsten Letbes- und Seelenzustand. Ich reite, it
erklimme steile Anhöhen, ich arbeite und die Erziehund
meiner elf Enkel gewärt mir tausend Freuden. Oft sing
ch mit ihnen, denn meine Stimme ist jetzt klarer und stärke
als sie je in meiner Jugend war. Ich weiß nichts von de
Beschwerden und den mürrischen Launen, die so oft da
Loos des Alters sind.“
Ein „grüner Greis“, als leibhaftiger Prediger
Wunderwirkung mäßigen Lebensgenusses, wandelte Ludw'
Lornaro dann noch laͤnge, nachdem er diesen Bericht g
schrieben, auf Erden, bis er hundert und ein Jahr alt au
seinem zeitlichen Frieden in den ewigen Frieden einging.
Raͤtsel.
i.
Es ist eine Ehe ganz ungleicher Art,
Der, Mann ist weich und die Frau ist hart;
Er hüllt sich in Linnen, sie deckt sich mit Stahl,
Und dennoch nennt er sich Herr und Gemahl.
Zie wirket und schafft sich mit Kraft durch die Welt',
Er schleicht auf den Zehen ihr nach durch das Feld;
Sie grüßt nicht, sie nickt nicht, ste macht keinen Knix,
Er schmiegt sich und biegt sich und kriegt doch die Wir.
Und geht ihm die Kraft aus, sie läßt ihn im Stich
Und nimmt einen andern ganz öffentlich.
II.
Das arme Ding hat ein Paar Schuh
Und fehlt ihm doch das Bein dazu.
Ob Du's von vorn von hinten liest,
Es bleibt doch immer was es ist.
III.
—
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Mein Erstes brauchen viele nur fürs Essen,
Zbwol's auch spricht und singt und küßt und lacht,
Absonderlich bei Festen und Congressen
Oft seine Kunst erfolgreich geltend macht.
Mein Zweites, in der Küche dienstbeflissen,
Muß oft dem Ersten seine Kräfte weih'n
Pur sein Zuviel ist schädlich, wie wir wissen,
Weil sonst der Brei wird leicht versalzen fein.
Den größten Tafeln ist es unentbehrlich,
Es würzt dem Fürsten selbst sein Leibgericht.
Nun rate, lieber Leser! — aber ehrlich
Will ich gesteh'n, ein „Mundkoch“ bin ich nicht.
(Auflösung der Rätsel im nächstjärigen Kalender.)
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