Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

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ind die beiden blieben in der Thüre stehen, und Leopold 
itterte und bebte, und die Thränen machten, daß er 
nichts sah. 
Jetzt zog der Nachbar seine Flaschen Elfer hervor 
ind stellte sie auf den Tisch, und Hann hen hing über 
ꝛie Flaschen die Haube fuür Muder Elisabeth, und 
ꝛeide nahmen der Alten Haͤnde und führten sie zu dem 
Tische, auch ihnen zu bescheeren. — Da aber, als 
ẽlisabeth die Haube fah, schlang sie wieder ihre Arme 
im das blühende Hannchen und sprach: o, daß ith Dir 
iuch ein Liebes an's Herz legen könnie und sagen: das 
ei Deine Christfreude! Jetzt fiel der Pastor ein. 
Mutter Elisabeth, da ist eins; da ist Hannchen's und 
Dein Leopold! Er lebt und steht mitten unter euch 
ind ihr seht mich und ihn nicht, der ich euch auch ein 
Engel bin, der große Freude verkündigt. Da fuhren 
alle herum, und den Mantel abwerfend, stand Leopold 
or ihnen und breitete seine Arme aus! Und an das 
Mutterherz, an dem er zuerst gelächelt und geweint, 
ank er zuerst, dann in des bebenden Vaters Arme, 
er ihn betasteie, ob's nicht ein Geist sei, — dann au 
des vor Freude und Schrecken und Seligleit erbleichenden 
Hannchens Herz, — zuletzt in die Arme von Hannchens 
Vater. O ihr Glücklichen, wo ist nun euer Leid? Wo 
uer Kummer? Weinet ihr wieder? Ach, das sind nicht 
Thränen des Schmerzes, das sind Thränen der Freude! 
And als sie alle so standen im Aufruhr unbeschreiblicher 
hefühle, da hob der Pastor seine Hände auf gen 
)immel, und sprach mit vor Rührung wanender Stimme: 
chre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und 
»en Menschen ein Wohlgefallen Und wie von einem 
hedanken ergriffen, sanken sie alle nieder auf ihre Kniee 
ind lobten Gott. — Die Magd aber trocknete mit der 
S„chürze ihre Augen und schlich hinaus, und die Kinder 
anden und blickten die Gruppe an und wußten nicht 
Zescheid. Als aber dies Opfer gebracht war vor dem 
Illerbarmer, da entkorkte der Nachbar die Elfer Flasche, 
ind die herbeigerufene Magd holte Gläser, und er 
ällte dieselben zum fröhlichen Willkomm, und als sfie 
berselig am Tifche faßen, seliger noch als die Kinder, 
rgriff der Pastor Leopolds und Hannchens Hände, 
egte sie in einander und sprach: Was Goit zusammen⸗ 
efügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Und die 
Lerlobung wurde gefeiert an diesem glücklichen Abend 
ind bald darauf die Vermählung, und neu auf lebten 
ie Alten. Und als nach Jahren der heilige Christ 
erschien, und sie den Enkeln den Christbaum befcheerten, 
a sprach der alte Freund, der Pastor: siehst Du, 
Rohde, daß Dir der Herr kine Christfreude bescheert, 
roß und herrlich, wie ich sie Dir einst verkünbigt⸗ 
ind sie druückten einander vie Hände, und der Christ⸗ 
bend blieb ein Freudenfest doppelter Art für sie alle, 
o lange, bis sie ihr Christfest droben im großen Vater⸗ 
ause feierten und ihr Hallelnia in das der Engel 
hottes mischten. Lips Erzählungen ꝛc.) 
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Einer, den sein Pflanzensammeln mal in 
große Verlegenheit brachte. 
Vor zwanzig und etlichen Jahren schritt in einer ein— 
samen, nur wenig angebauten Gegend, da, wo sich die 
sachfische und böhmische Landesgrenze einander berühren, 
ein böhmischer Grenzjäger langfam dahin. Er trug eine 
grüne Uniform mit weißen Sternchen und Knöpfen, dazu 
napp anschließende graue Hosen, und war bewaffnet mit 
Flinte und Seitengewehr. Sein Morgenspaziergang galt 
den Paschern oder Schmugglern, die in der Nacht wie am 
Tage es versuchten, allertei Waaren oder sonst zu ver⸗ 
teuernde Gegenftaände in das Oesterreichische überzuführen. 
Da gewahrte er auf einmal, wie ein Mann in enem 
einfachen braunen Rocke, mit dunkelgrauer Sommermütze 
auf dem Kopfe und mut einer grünlackirten Blechbüchfe 
Botanisirkapfel) an der Seite von Sachsen her die Grenze 
iberschreitet und auf einer Wiese, indem er sich bald 
rechts bald links wendet, eifrig etwas zu suchen scheint. 
„Haben's was Verzollbares tritt der Grenzmann 
auf einmal mit ernster Miene dem Fremden enigegen. 
„Nein, nicht das Geringfte,⸗ antwortete dieser bescheiden. 
Aber warum bleiben's nicht auf der Straße; warum 
aufen's den Leuten auf die Wiesen? 
„Nun,“ entgegnete der Gefragte, „ich treibe ein gar 
riedliches Geschaͤft; ich suche Kräuter, halte mich mehr 
an die Ränder und werde wenig Schaden thun, bin 
aber bereit, solchen reichlich zu vergüten.“ 
„Kommt mir halt verdächtig vor,“ so schüttelte der 
Grenzjäger bedenklich den Kopf. „Ich muß wissen, 
wer Sie sind, zeigen's mir ihren Paß.“ 
Der Fremde wird verlegen und spricht: „Ich habe 
eine Legitimation bei mir Ich habe ja nur ein paar 
Schritte über die Grenze gethan, noch dazu, ohne es 
zu bemerken, da ich botanifirte, hier an bem Rand der 
Wiese nach Pflanzen suchte“ 
„Ei, schauen's mal!“ erwiederte der ungläubige Grenz⸗ 
mann. „Einer, der keinen Paß bei sich hat, muß mein 
Seel andere Gedanken in Kopfe haben, als daß er da 
nur nach ein paar Halmlein trachtet, 's hilft nichts 
Sie sind mein Arrestant.“ 
Der Fremde wird noch verlegener und entgegnet ge⸗ 
assen: „Ich wollte gern unerkannt und ungestörtbleiben. 
Aber in der gegenwaͤrtigen eigenthümlichen Lage muß ich 
Ihnen sagen, wer ich bin. Ich bin der König von Sachfen.“ 
War nun unser Pflanzensammler der Meinung ge⸗ 
wesen, die Entdeckung seines wahren Standes brächte 
hn sofort aus aller Verwicklung mit dem österreichischen 
Schutzzöllner, so hatte er sich hier vollständig getaͤuscht; 
enn der Grenziäger lachte hell auf: „Ein Köonigi 
Hahaha! In diesem An⸗ und Aufzuge! Und allein 
auf der Wiese! Ich habe immer geglaubt, ein Köxig 
omme nicht anders als sechsspännig gefahren un mi 
dammerherrn und zahlreicher Dienerfschafi! Meinen's, 
ch wäre so dumm, daß ich so ne Lüge alauben sollt's 
Jetzt geheu's mu
	        
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