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ichon seit Jahren sehnsüchtig geschaut hatte, und weiße
Handschuhe schmückten seine sonst so schwieligen und sonne—
»erbrannten Hände. In dem Soldatenrocke sahen nun
auch die „Jungens“ ganz anders aus, und auch Fremde
konnten ihnen ihre Anerkennung nicht versagen wegen
ihres frischen und strammen Wesens, während sonst
die Bornefelder Schönheit nicht gar berühmt war. In
Bornefeld selbst hatte man nur Bornefelder Begriff
von Schönheit. Schlanker Wuchs galt entschieden für
häßlich, nur der konnte auf Anerkennung rechnen, der
„gepackt war, und in der That fand sich selten in Borne—
feld ein Menschenkind, das über das knappste Mittelmaß
reichte, um so breitschultriger und breitspuriger waren
sie in der Regel. Deshalb suchte man in unserer Garde
oder Gardeducorps vergeblich nach einem Bornefelder
Kinde; die meisten dienten bei der „Adollerie“, die
leichteren bei den Husaren, aber jeder unter seiner Waffe
mit Bewußtsein und darum ehrenhaft, brav und mit
Auszeichnung.
Die eigenthümliche Beschaffenheit des Bornefelder
Menschenschlags fand sich auch wieder bei den Thieren.
Alles Vieh in Bornefeld, vom Pferd bis auf den Hund,
war „gepackt“, war aber auch wie die Menschen von
zroßer Kraft und Ausdauer, und in Bornefeld kannte
man keine verächtlichere Bezeichnung für Menschen und
Vieh als die: „was thue ich mit langen Beinen?“ und
der alte bibelkundige Eckhard führte sogar das Schrift—
wort an Pf. 147, V. 10 und wiederholte das oft, so
oft ihm auch der alte Claus bemerkte, das heiße In—
fanterie und Cavallerie.
Von dieser Bornefelder Schönheit unterschied sich nun
Lenchen sehr und nicht zum Kummer Michels; denn
Michel wünschte nichts sehnlicher, als daß Lenchen ledig
—
Erfüllung dieser Sehnsucht darauf, daß das Mädchen
einen Bornefelder Burschen sicher nicht heirathen könne.
Lenchen hatte tiefblondes Haar, während in Bornefeld
alle Kinder bis zur Schule „erbesgele Weißköpfe“ waren,
die sich in der Regel dunkler färbten, aber eigentlich
keine Farbe hatten und stramm und strack vom Kopfe
standen. Michel meinte deshalb, nach dem „Fuchs“
wird Niemand gucken. Lenchens Haar war stark ge—
lockt, Michel nannte sie deshalb einen „Kutzelkopf“, statt
der regelmäßig grauen Augen der Bornefelder hatte
Lenchen blaue, und Michel erklärte, das seien „Katzen⸗
augen“; hatte Lenchen eine feine weiße Haut und zarte
rothe Backen, so war sie nach seinem Urtheil den mit
Sommerflecken bedeckten derben Bausbacken der Borne⸗
jelder gegenüber wie ein Kuchen, „der beim Mondschein
gebacken“; den Ausschlag aber gab Lenchens große und
schlanke Gestalt, und darum war sein letzter Trost —
wenn ihm etwa doch eine Ahnung von Lenchens absonder⸗
licher Schönheit kam — „wer wird die Stange wollen!“
Und doch war Einer auf der Ausnahme gewesen, der
längst sein Auge auf das Mädchen geworfen hatte und
nuch dem Mädchen nicht gleichgültig war, und das war
tein Anderer, als Greben Hanjost! Man hätte meinen
ollen, die Beiden kännten sich nicht; denn die beiden
Häuser waren seit demmal gänzlich geschieden. Das
vußten Hanjost und Lenchen wol, und darum gaben sie
ich den Schein, als machten sie sich nichts auseinander;
hegegneten sie sich etwa, so boten sie sich die Zeit, aber
Niemand hatte sie mit einander sprechen gesehen. In
—R
ntweder in's Gesangbuch, oder auf den Pfarrer, und
Hanjost schien kurzsichtig, so dicht hielt er sein Gesang⸗
ouch vor's Gesicht.
Aber, aber. — Als die Burschen von der Ausnahme der
amen, stand Lenchen in ihrem Garten, mit Aufhaͤngen Bl
»on Wäsche beschäftigt. Die lustigen Burschen, welche zu
in der Hecke vorüber zogen, grüßten scherzend, konnten uͤbr
iber dem Mädchen keine Antwort und kein Lächeln ab⸗ abe
ocken. Als sie aber vorüber waren, da stand's an einen sah,
Baum gelehnt und guckte drum herum auf den Weg ihm
»on der Stadt her lange, lange. Endlich kam noch ein Dic
Bursch, bei dessen Anblick Lenchens Backen sich höher Gey
arbten; sie trat wieder an die aufgehängte Wäsche und futt
upfte eifrig daran herum. Als es aber von der Hecke die
jer leise und herzlich rief: „Lenchen!“ da trat sie langsam Jso
zäher; denn Hanjoft war's, der fie rief. „Du meintest als
vol, ich sei nicht genommen?« frug er die Zögernde.
„Was follte ich mir darüber Gedanken machen“, er⸗war
viderte sie, „wer von Euch genommen wurde und wer sich,
nicht?“ — „Du wußtest doch, daß ich zur Ausnahme war, gemn
und unter den Burschen hast Du mich nicht gesehn.“ — das
„Du meinst wol, ich hätte mich groß nach denen um⸗ hat
geguckt.“ — „Na, aber Du hast doch wol gedacht, warum
sch nicht dabei war!“ — „Warum? Du konntest ja noch
Geschäfte gehabt haben!“ — „Ach, liebes Lenchen, vexir doch
nich nicht. Du hast mich doch gern!« Leuchen sah ihm
unter sich, schmunzelte und fragte: „Liegt Dir denn Abe
daran was?“ — „Ach, Du weißt wol, daß mir daran mehr ihn
liegt, als an meinem Leben!“ — „Das wäre!“ — „Ja,
und heute mußt Du mir sagen, ob Du meine Frau hatte
verden willst, wenn ich wieder loskomme!“ — „Hat denn kom
das so Eile? Du mußt doch 3 Jahre dienen — dann Bor
rag wieder nach“. — „Nein, heute muß ich's wissen, jetzt fein
Jleich!“ Dabei hatte er durch die dünne und noch dürre vor
Zecke gegriffen und ihre Hand erfaßt. Die ließ sie ihm des
villig und schaute vertrauensvoll in das offene glühende besse
Gesicht Hanjost's, aber sprechen that sie nicht. „Sag sich
mir voch nur das eine kleine Wörtchen, daß ich's weiß nur
und ruhig sein kann, wenn ich weg muß.“ — „Frag doch ma
mal deine Mutter, Du weißt doch!“ — „Ach, ich weiß 6
wol, drum spreche ich heute nicht mit ihr; aber wenn und
ich in 3 Jahren wieder komme, dann thue ich's, und ihm
dann spricht sie nicht „Nein⸗; das weiß ich gewiß/“. — Zwei
„Nun, so laß uns bis dahin warten!“ —“,„Wilist Du bespꝛ
wahrhaftig auf mich warten?« Mit einem raschen Ruck ging
zog Lenchen ihre Hand zurück und eilte dem Hause zu— Dick
ꝛf oi