Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

cren, 
ielen 
was 
rmin 
ichts 
zute 
e6r 
neister bestellte, er möge einen Termin ansetzen zum 
berkaufe des Michel'schen Werkes, lächelte der Bürger⸗ 
neister so artlich, doch sprach er nichts. Der Termin 
vurde gehalten, aber kein Bornefelder fand sich in dem— 
elben ein, in einem zweiten und dritten ging's gerade 
o, und Wolf Gans sah sich genöthigt, das Terminhalten 
wfzugeben und — zu warten. Mehrere Male hörte 
er aber wol sich nachrufen: „zieh in's Berghäuschen“. 
Und er verstand es wol. 
Danmit hatte es nun folgende Bewandtniß. Im Berg— 
säuschen wohnte eine arme alte, aus der Fremde her⸗ 
ezogene Witwe, der, weil sie die Kapitalzinse nicht mehr 
hezahlen konnte, das Häuschen zum Verkauf gebracht 
vurde. Die Gemeinde wollte sich bei dem Gläubiger 
ür die Hausmiethe verbürgen, nur solle er die arme 
Frau bis an ihr Ende drin wohnen lassen. Aber der 
hläubiger wollie nicht und ließ das Häuschen vom Ge— 
icht zum Verkauf bringen. In Bornefeld bot Niemand 
darauf. Endlich hatte es außergerichtlich ein College 
yom Gans für ein Billiges gekauft. Ihn aber kaufte 
zas Berghäuschen Niemand ab, selbst als er's unter 
em Selbstkostenpreise verkaufen wollte. Er ließ es noth⸗ 
zürftig repariren und zog selbst hinein; aber so schön 
nuch die Waaren, die er an's Fenster stellte, sein mochten, 
Liemand wollte etwas kaufen; auch die Weiber, auf 
die er gerechnet hatte, daß sie ihm so unter der Kirche 
oder zwischen Nacht und Dunkel eine Schürze voll Korn 
der Weizen für ein Viertel Kaffee oder Zucker oder 
inen süßen Likör oder für ein Band und dergleichen 
hringen würden, ließen sich nicht sehen, ganz Bornefeld 
nied das Berghäuschen, wie ein schlagendes Pferd; 
denn die gestrengen Männer hatten es ihren Weibern 
ei Halshängen verboten. Und so streng wurde das 
Bebot befolgt, daß man sich lieber gegenseitig das 
Anentbehrlichste borgte oder entbehrte, nur damit Nie— 
nand das Berghäuschen zu betreten brauchte. Drei 
Monate hatte das gedauert, da war der Besitzer auf 
Nimmerwiedersehn verduftet. — 
Diese Geschichte kannten alle Bornefelder und freuten 
ich, wenn sie sahen, wie am Berghäuschen erst das 
Dach sich schief neigte und einfiel, dann aber ein Gefach 
dem andern folgte. 
„Macht's nur wie mit dem Berghäuschen“, hatte der 
Ausrufer Ernst gesagt, und Jeder hatte ihn verstanden, 
Feder sich aber auch das Wort darauf gegeben, diefen 
Rath zu befolgen. 
Wie war's denn aber mit Michel? Diesmal hatte 
er wirklich den Schlauen gespielt; wie, das wußte man 
nicht, aber er hatte mit dem Gans dahin den Kauf⸗ 
hertrag geschlossen, daß ihm dieser binnen vier Wochen 
das Kaufgeld baar bei Heller und Pfennig bezahlen 
nußte. Da der Vertrag gerichtlich gemacht war, als 
Michel das Land überliefert hatte, so mußte Gans, 
wenn er Kosten vermeiden wollte, zahlen. Michel hatte 
auch etwas nachgegeben, indem er die Ernte dem Gans 
ach! 
emin 
mal 
auch 
äter 
e in 
ebot 
zen! 
des 
2B. 
VHe⸗ 
ans 
“ort 
ehr 
reis 
lten 
ente 
de, 
ger⸗ 
ete, 
jeld 
gen 
de 
uinn 
die 
tte. 
hel, 
en. 
auf 
XR 
ibt. 
en. 
or⸗ 
ind 
—8 
oll 
hen 
t 
r 
J 
en; 
ach 
eld 
ool 
hber 
er⸗ 
zu einem guten Preise wieder abkaufte, da er merkte, 
daß in Bornefeld sie Niemand übernehmen wollte. Da 
nun auch er keine Arbeiter finden konnte, so spielte er 
ogar den Großmüthigen, indem er sie seinen Ges chwistern 
iberließ und nur ein Geringes von dem Ertrag der⸗ 
selben sich vorbehielt. 
In Bornefeld hielt er sich nicht viel auf, sondern 
hei einem weitläufigen Vetter in der Nachbarschaft, der 
—X 
Aber an Bornefeid hing doch sein Herz fester, als er 
zlaubte, und oft sah man ihn im Chor der Kirche sitzen, 
wo ihm einer der ersten Stände gehörte. 
Bornefeld war aber auch ein Dorf und eine Gemeinde, 
welche ein Herz wol anziehen und festhalten konnten. 
Doch wie Bornefeld geworden war, was es war 
und noch ist, wie es moͤglich war, dem Wolf Gans 
zegenüber die strengste Zurückhaltung zu beobachten, 
das wird der Kalender, so der Herr will und wir 
leben, im nächsten Jahre erzählen. 
Um so häufiger kam Wolf. Nachdem er eingesehen 
hatte, daß seine Güterschlächterei in Bornefeld nicht 
zing, so versuchte er von auswärts Käufer aufzutreiben. 
Die aber wollten nicht wieder kommen, wenn sie einmal 
in Bornefeld gewesen und erfahren hatten, wie der 
Wind blies. Nun wollte Wolf sein Land selbst bestellen. 
Aber der erste Bauer, den er für großen Lohn um's 
pflügen bat, antwortete: „Wolf, Du weißt, daß mir 
— 
ich für Dich eine Furche ackere,“ und den Bescheid 
hekam er überall, hier feiner, dort noch gröber. Aus 
den Nachbardörfern wollte er nun Hulfe schaffen. 
Denen wurde aber mit dem Zaunspfahl so verftaͤndlich 
gewinkt, daß auch diese Hoffnung fehl schlug. 
Endlich erbarnite sich der alte Ernst, der Renterei⸗ 
diener, der den Bornefeldern den Rath gegeben hatte 
„macht's, wie mit dem Berghäuschen“, über Wolf, und 
Gans dachte, indem er Ernst's Rath befolgte: „lieber 
scheel, als blind⸗, ging zwar sehr betrübt, aber doch 
entschiossen zum geflrengen Herrn Bürgermeister und 
gelangte endlich zu seinem Ziele. Der Bürgermeister 
holte sein Verkaufsprotokoll her und legte es dem Gans 
hor. „Willst Du“, sagte er dem Harrenden, „das Land 
zu dem Preise geben, wie er hier verzeichnet steht, so 
komm in 8 Tagen wieder und hol' Dir Dein Geld.“ 
„Au wai geschrien!“ rief Wolf, „die Zinse von drei 
Jahren die soll ich streichen an's Bain und dachte Spones⸗ 
Rassel zu machen. Ach, Herr Bürgermeister, es soll 
mir auf ein Kistchen Cigarren, gute, feine, nicht an⸗ 
kommen; verhelfe Se mir zur Zinse; ich will auch nie 
wieder kommen nach Bornefeld, dem verfl —!“ 
Der Bürgermeister sprach kein Wort, guckte aber den 
Wolf mit einem Blick an, der ihn einen halben Fuß 
sleiner machte, kehrte sich um und schloß das Protokoll 
n seine Repofitur. Daun behandelte er den Wolf wie 
duft, er mochte jammern, schreien und heulen, wie er 
—⸗u — ⸗11 2 αν -
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.