Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

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sollten. Michel hörte die Spottreden ruhig an; denn 
wenn er auch nicht gleich ein passendes Wort in seinem 
Schatze finden konnte, hatte er seinen Beutel schoͤn ge⸗ 
füllt, und das war ihm zunächst genug, da er bei einer 
Schwester gute Unterkunft fand. Es wurde aber kaum 
still in Bornefeld, da rief der Ortsdiener Müller aus: 
„Michel will sein Werk im Ganzen oder getheilt gegen 
sofortige baare Zahlung heute in acht Tagen öffentlich 
meistbietend verauktioniren“. Wieder wurde der Fall 
vielfach besprochen, denn das war in Bornefeld unerhoͤrt, 
daß ein Bauer sein väterlich Erbe so „verschleuderte“. 
Und als der Termin kam, fand sich Niemand ein, der 
bieten wollte; „sofortige baare Zahlung“ das war auch 
ein garstiger Haken. Denn jetzt im Frühjahr baar 
zahlen, wo man nicht recht wußte, wie die Ernte ausfallen 
würde, das war bedenklich. Mancher Bauer in Borne—⸗ 
feld hatte wohl ein paar große Strümpfe voll „große 
Thaler“ im Kleiderschrank liegen; aber daran hatie man 
doch, wenn man am Sonntag Abend sie auf den Tisch 
schüttete und erst darin „mährle“ und dann wieder zählte, 
seine helle Freude, deshalb trennte man sich nicht gern 
davon; man mochte auch dem Michel den Gefallen nicht 
thun, ihm sein Land abkaufen, damit er mit der „langen“ 
Pfeife) herum gehen könnte. Die Weiber vorab haselirten 
und die nicht am wenigsten, die den Michel gern zum 
Schwiegersohn gehabt hätten: „Konnte der nicht sein 
Werk behalten und freien? Dann hätte er zu arbeiten 
und zu essen! Sollen wir nun für ihn arbeiten? Und 
wenn auch wol den Männern die gut bestellten Länder 
und die schönen Wiesen gefielen, des „Geschnatters und 
Gezerges“ der Weiber wegen durften sie nicht daran 
denken, in den Termin zu gehen. Und so saßen denn 
der alte Ausrufer, der Buͤrgermeister und der Michel 
allein lange Zeit auf dem Rathhause. Der Bürgermeisier 
klappte endlich sein Protokoll zu, Michel kratzte sich 
hinter den Ohren, der Ausrufer ging verdrießlich heim. 
Der Müller mußte aber gleich wieder ausschellen, in 
acht Tagen solle ein neuer Termin gehalten werden. 
In Bornefeld aber wurde viel simulirt und in den 
Häusern viel geredet; da im ersten Termin gar nichts 
geboten worden war, so dachten Viele: siehe, wärest 
Du hingegangen, so hättest Du wol billig ein Stückchen 
Land kaufen können; die Anlieger sahen, wie die Frucht 
auf Michels Ländern besonders gut stand, und wie sie 
so ein Stückchen miteinarbeiten könnten ohne Kosten und 
zroße Mühe, und wie die guten Bornefelder noch mehr 
speeulirten, genug — im zweiten Termin war die große 
Wirthsstube gedruͤckt voll, und man sah es den meisten 
an, daß sie kauflustig kamen; mancher trank auch verstohlen 
einen Kurzen, der „Kurasche“ wegen — — aber der 
Verkäufer kam nicht, und der Bürgermeister wußte nicht, 
ob er den Termin halten solle oder nicht. 
Dieser Unsicherheit machte der alte Ernst ein Ende. 
Das war der Rentereidiener, der bei allen Auktionen 
des Amts als Ausrufer diente und ein unbezahlbarer 
nützlicher Mensch war; durch seine Faxen und Schnurren, 
urch sein lebendiges Augenblinzeln und Schabernakspielen 
reizte er die Bieter und uzte Manchem etwas auf, was 
der gar nicht wollte. Wenn nun der Verkaufstermin 
nicht abgehalten wurde, so war Ernst in Gefahr, nichts 
zu bekommen, und er haͤtte sich doch auf eine gute 
Finnahme so gespitzt und hatte sie auch nöthig. Et 
vandte sich deshalb an den Bürgermeister und sprach 
Herr Bürgermeister, Sie wissen, wie der vorige Termin 
zerlaufen ift; deshalb, denke ich, will Michel diesmal 
ich nicht wieder ärgern und bleibt weg; er ist ja auch 
nicht nöthig bis zum Zuschlag, und der kann auch später 
gjegeben werden, nur muß ein jeder Höchstbietende in 
Ihrem Protokoll sich unterschreiben, daß er sein Gebot 
yalten will; der Termin muß sogar gehalten werden; 
er ist bekannt gemacht und nicht abbesiellt worden. 
Welches ist das erste Grundstück fuhr er, ohne des 
Bürgermeisters Antwort abzuwarten, fort, alfo Karte B. 
No. 32. 4 Acker 14 Ruthen Land auf der Breite — 
ver bietet an? Es wurde geboten, abgeboten, das Ge— 
»ot wurde in's Protokoll gesetzt und der Käufer Hans 
Lurt Orth setzte seinen Namen dabei. So ging's fort 
bis zum letzten Stück. Ernst machte seine Sache fehr 
zut, und es kam ein für Bornefeld unerhörter Preis 
jeraus. Aber Michel fehlte, und die Käufer wollten 
»och wissen, woran sie wären, auch war über die Ernte 
nichts bestimmt. Als noch darüber! discurirt wurde, 
am ein Bote aus der Stadt und brachte an den Bürger⸗ 
neister einen eiligen Brief, in welchem Michel meldete, 
da der vorige Termin gezeigt habe, daß es in Bornefeld 
in Kauflustigen fehle, so habe er sein Land im Ganzen 
in den Handelsmann Wolf Gans verkauft, der werde 
s demnächst in einem Termin vereinzelnen, wer dann 
rust habe, könne kommen und bieten. 
Es war gut, daß Michel geschickt hatte, hätte er die 
Vachricht selbst gebracht, wer weiß, was es gegeben hätte. 
Auch jetzt gab's ein Heidenspektakel uͤber diesen Michel, 
dessen Namen eine Menge Ehrentitel beigesetzt wurden. 
Als es allmählich wieder ftill wurde, trat“ Eruft auf 
ind sprach, wenn ihr meinem Rathe folgt, so bekommt 
hr doch älle die Grundstücke, die ihr“ gekauft habt. 
Macht's nur so, wie droben mit dem Berghäuschen. 
Aber meinen Ausruferlohn werdet ihr mir nicht vor— 
enthalten. Die Bauern nickten dem Manne zu und 
zahlten ihm unweigerlich, was es einem Jeden trug 
„Nun, Herr Bürgermeister, heben Sie das Protofoll 
icher auf“, rief Ernst vergnügt, „in drei Jahren sehen 
vir uns spätestens wieder, und nun macht's aut! 
Dann ging er. 
Die Versammelten blieben noch einige Zeit zusammen, 
vas sie aber beredet, erfuhr Niemanb Als nach 
ꝛinigen Tagen Michel wieder kam, war in Bornefeld 
Alles still, es fragle ihn Neiemand, mon bot ihm wol 
zie Zeit, weiter sprach man nichts mit ihm; als aber 
vieder nach einigen Tagen Wolf Gans bei'm Bürger⸗ 
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